• Le philosemitisme allemand est un antisemitisme qui rappelle le macarthyisme
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1178768.antisemitismus-debatte-in-deutschland-deutsche-befindlichkeiten-s

    Ce texte est la traduction allemande d’une partie d’une discussion en anglais qu’on trouve sur youtube.

    Roig: Deutschland erfand sogar den Begriff des »importierten Antisemitismus«, um sich von seinem tief verwurzelten Antisemitismus freizusprechen und ihn stattdessen auf Gruppen zu schieben, die ironischerweise Ziel rechtspopulistischer Gewalt sind.

    Die Unterdrückung und Diffamierung nicht-zionistischer jüdischer Stimmen in Deutschland wird nicht verurteilt, obwohl es sich tatsächlich um die strukturelle Diskriminierung jüdischer Menschen handelt. Vertreter des deutschen Staates schikanieren, verunglimpfen und diskreditieren nicht-zionistische Juden und Jüdinnen, streichen Institutionen, die mit ihnen in Verbindung stehen, die Gelder (wie im Fall von Oyoun) und – was am absurdesten ist – beschuldigt sie des Antisemitismus. Deutschland profiliert sich als Experte für Antisemitismus, aber dass sie einst die »besten« Antisemiten aller Zeiten waren, qualifiziert sie immer noch nicht dazu, uns, den Juden und Jüdinnen, zu sagen, was antisemitisch ist und was nicht.

    Breitz: Die Funktion der heftigen Anschuldigungen und Denunziationen von angeblichen Antisemit*innen, von denen die überwiegende Mehrheit unbegründet ist – philosemitischer McCarthyismus –, besteht darin, Deutschlands Selbstbild als reuiger Antisemit aufrechtzuerhalten, der sich in das Gegenteil verwandelt hat: ein Land, das jüdische Menschen liebt. Es ist zutiefst beunruhigend und besorgniserregend zu sehen, wie viele Menschen, die sich selbst als progressiv verstehen, auf dieses Narrativ hereinfallen.

    Die meisten ernannten Beamt*innen, die für die Bekämpfung des Antisemitismus in Deutschland zuständig sind, sind nicht jüdisch, sondern Deutsche-mit-Nazihintergrund (ein Begriff, den ich mir von meinen Freunden Sinthujan Varatharajah und Moshtari Hilal borge). Das wäre so, als ob man im Post-Apartheid-Südafrika ein großes Team von Beamt*innen hätte, die entscheiden, was rassistisch ist und was nicht – und die alle weiße Südafrikaner wären.

    Roig: Deutschland hat sich nicht nur durch die bedingungslose Unterstützung des israelischen Staats und die systematische Unterdrückung nicht-zionistischer jüdischer Stimmen reingewaschen, sondern auch durch die Dämonisierung von Muslim*innen und ihre Darstellung als die wahren Antisemiten. Das Antisemitismusproblem wird auf die muslimische Bevölkerung Deutschlands projiziert, die einer gezielten Erziehung und Disziplinierung bedürfen. Dazu gehört auch die falsche Repräsentation der Juden*Jüdinnen und Muslim*innen als intrinsisch antagonistisch, also als miteinander verfeindet.

    Dazu spielte die teilweise und graduelle Anpassung zum Weißsein vieler Juden und Jüdinnen eine bedeutende Rolle. Die wichtige Frage bleibt aber: Sind jüdische Menschen weiß? Natürlich sind sie nicht durchweg weiß. Jüdische Menschen sind eine sehr vielfältige, diasporische Gruppe mit globalen Wurzeln, Nationalitäten, Hautfarben und ethnischen Hintergründen. Auch in Israel. Dennoch wurden nach dem Holocaust die Juden schrittweise und selektiv an das Weißsein assimiliert, was sehr bequem und fast notwendig war, um ihre Menschlichkeit nachträglich anzuerkennen. Jüdische Menschen als weiß zu sehen, machte es den Deutschen und den Weißen im Allgemeinen leichter, Mitgefühl zu empfinden und das ihnen zugefügte Leid anzuerkennen. Zu sehen, wie ein Volk, das als minderwertige untermenschliche Rasse konstruiert worden war, zum Weißsein aufgewertet wurde, machte es den Deutschen leichter, ein Gefühl der Gleichheit zu kultivieren, bis hin zu dem Wunsch, selbst jüdisch zu werden.

    Die sich häufende Vergabe hebräischer Namen an deutsche Babys ab den 1980er Jahren ist Teil dieser Umkehrung, wo sie sich – auch wenn unbewusst – in die Lage der Opfer versetzen. Deutsche, die zum Judentum konvertieren, können ein Zeichen für den Wunsch sein, ihrem Nazi-Hintergrund zu entkommen und unter dem Deckmantel des Philosemitismus eine gewisse Form der Opferrolle zu beanspruchen. Die Tatsache, dass meine jüdische Identität mir systematisch aberkannt wird, weil ich patrilineare (bedeutet: nur der Vater ist jüdisch) und Schwarze Jüdin bin, aber dass konvertierte Juden mit Nazi-Hintergrund für alle Juden sprechen können, zeigt, wie tief der Antisemitismus greift in der deutschen Gesellschaft.
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    Emilia Roig ist eine französische Bestsellerautorin und Expertin für Intersektionalität und postkoloniale Theorie.
    Candice Breitz ist eine südafrikanische Künstlerin. Ihre Videoinstallationen werden international gezeigt.
    Tomer Dotan-Dreyfus ist ein israelischer Autor und Übersetzer. Sein Debütroman »Birobidschan« erschien dieses Jahr im Voland & Quist Verlag.

    Toute la discussion en anglais

    NEGOTIATING JEWISHNESS IN THE ANTI-/PHILOSEMITIC GERMAN CLIMATE
    https://www.youtube.com/watch?v=ae08qM92gFs

    On 9 December 2023, three inconvenient Jews—Emilia Roig, Tomer Dotan-Dreyfus and Candice Breitz—engaged in a public conversation titled, “Negotiating Jewishness in the Anti-/Philosemitic German Climate.” The discussion was hosted by KOW in Berlin, with the support of the Goethe-Institut Hamburg. Comical local efforts were made in advance of the event (largely by non-Jewish individuals), to have the Goethe-Institut cancel the event, on the basis that the three speakers were “antisemitic.” The event nevertheless went ahead:

    "Jewish feelings, Jewish fears and Jewish pain have occupied a central space in the German public discourse since the horrific Hamas attacks of 7 October, in stark contrast to the relative absence of interest in the unspeakable suffering and atrocious death toll that Palestinian civilians are having to endure.

    That said, contemporary Germany often responds nervously to positions taken by progressive Jewish voices, frequently going to considerable lengths to de-platform, sideline and mute such voices. The actual heterogeneity and diversity of Jewish identities/opinions that co-exist in the German context, lie in stark contrast to typically inflexible representations of Jews and Jewishness within the German mainstream. We will discuss the dangers inherent to a political discourse that depends on fixed ideas about Jews and consider how—within Germany—a series of over-simplified and inherently flawed understandings of Jewishness, are frequently instrumentalized to deflect attention from the country’s ongoing struggle against a homegrown antisemitism that remains widespread and unchecked within neo-Nazi and ethnonationalist movements (as well as being less than subtly present within German parliament).

    Our conversation will confront the rampant antisemitism, Islamophobia and racism that continue to infect Germany, focusing on an increasingly prevalent mode of cynical, performative philosemitism which—in too many instances—amounts to an inverted antisemitism that is weaponized not only against progressive Jews, but even more so against Palestinians, Muslims and/or Arabs, People of Colour, Global Southerners and others who are ‘other’ to white Germany.”

    #Allemagne #antisemitisme