#lohndumping

  • Immer in die Hot Zone: Warum ich nach Feierabend Autos durch Berlin fahre
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/brutal-berlin-unternehmen-ubiq-streetcrowd-carsharing-immer-in-die-

    Der Job ist total illegal und der Anbieter, besser gesagt „Arbeitgeber“ mit Namen Ubiq sollte dafür zur Rechenschaft gezogen werde. Im Artikel liest man Beschreibungen von Scheinselbständigkeit, Steuern- und Abgabenverkürzung und Verstößen gegen Arbeitszeitgesetz, Mindestlohngesetz und andere Arbeitnehmer schützende Regelungen.

    Ohne Lohndumping funktioniert die ganze schöne Welt des „Carsharing“ (besser: PKW-Kurzzeitvermietung) und der billigen Pseudo-Taxis von #Uber, Bolt umd anderen nicht.

    Es geht nicht alleine um Ausbeutung. Wir alle zahlen drauf, subventionieren diese Geschäftsmodelle, wenn die Arbeitenden Sozialleistungen beziehen, die sie bei rechtstreuem Verhalten der Unternehmen nicht benötigen würden. Dass existierende Gewerbe durch illegales Lohndumping der Konkurrenz zerstört werden ist ein weiteres Problem.

    Die größte Gefahr für unser aller Zusammenleben entsteht jedoch dadurch, dass man von der Arbeit in immer mehr Branchen kaum noch oder überhaupt nicht mehr leben kann. Von Verzweifelten Aktionen der durchs soziale Netz Gefallenen, von Raub, Mord und Totschlag erfahren wir mittlerweile täglich.

    4.2.2023 von Tiago Pinto Pais - Unser Autor ist Mitglied der StreetCrowd. Er fährt Carsharing-Autos in Gegenden, wo sie gebucht werden. Das wird nicht nur bezahlt, sondern ist auch eine Art Meditation.

    Es ist Sonntag, einer der wenigen sehr kalten Tage im Dezember. Um 17 Uhr steige ich aus dem Bus X7 am Flughafen BER. Ich habe kein Gepäck dabei und laufe auch nicht wie alle anderen zum hell erleuchteten Terminal. Ich laufe allein zu den Parkplätzen im Dunklen. Das heißt, nein, ein zweiter Typ mit Leuchtweste dreht sich genau wie ich in Richtung der Autos. Er überholt mich. Ist er ein Flughafenmitarbeiter? Oder haben wir dasselbe Ziel? Als wir kurz darauf vor demselben Auto stehen, sagt er zu mir: „Das ist meins! Willst du irgendwohin mitfahren?“

    Ach, er ist ein StreetCrowder, wie ich.

    StreetCrowd ist ein Angebot des österreichischen Unternehmens Ubiq, das am 9. Dezember 2020 in Berlin startete. Sie versprachen: „Mach deinen eigenen Zeitplan“, „Verdiene Geld, wann du willst“, „Die Gelegenheit ist überall“ und „Täglich 100 Euro und mehr“. All das sei möglich, indem man einfach Carsharing-Autos aus Gebieten mit geringerer Nachfrage in Gebiete mit höherer Nachfrage fahre.

    Wie bei einem nicht verkauften Sitzplatz auf einem Flug oder einem nicht vermieteten Zimmer in einem Hotel verliert ein Carsharing-Unternehmen Geld mit jeder Minute, in der ein Auto aus seinem Fuhrpark nicht vermietet ist. Daher ist ein stehendes Auto nicht in seinem Interesse. Das Unternehmen muss permanent Anreize schaffen, um diese „kalten Autos“ in Bewegung zu halten. Fahren also Carsharing-Nutzer mit dem Auto von A nach B, sind wir Streetcrowder dazu da, sie zurück von B nach A zu fahren.

    In Berlin gibt es mehrere sogenannte Hot Zones. Hier leben Menschen, die gern Carsharing nutzen, vor allem dann, wenn sie nicht weit zum Auto laufen müssen. Prenzlauer Berg, Kreuzberg, Friedrichshain, Savignyplatz und Neukölln (Reuterkiez) – das sind die Zonen, in die wir die „kalten Autos“ bringen. Die App schlägt drei Zonen vor und wir entschieden uns für eine, entweder, weil dort das nächste kalte Auto nicht weit weg steht, oder weil wir heimfahren wollen.

    Ich habe die StreetCrowd-App in der Pandemie für mich entdeckt. Ich fahre gern Auto, und gerade nachts ist das in Berlin einfach eine schöne Beschäftigung. Musik oder Nachrichten hören und in einem schönen, sauberen und warmen Auto durch die Stadt fahren – das ist für mich Freizeit. Zusätzlich ist es auch ein Spiel: Ich kann durch die Stadt laufen und wie beim Spiel PokemónGo nach „kalten Autos“ suchen. Finde ich sie, bevor ein anderer StreetCrowder sie wegfängt? Oder jemand vom Wartungsteam des Carsharing-Unternehmens?

    Eigentlich bin ich Besitzer eines kleinen Geschäfts in Kreuzberg, aber im zweiten Lockdown wurde StreetCrowding für mich zur Rettung. Ich konnte etwas tun, das zumindest etwas Geld einbrachte und gleichzeitig wie Meditation für mich war. Es wurde zu meinem Feierabend-Job. Außerdem saß ich in schönen neuen Autos und lernte die Stadt kennen: Ich war im tiefsten Lichtenberg, Steglitz und im Märkischen Viertel, ich nahm den 240er-Bus, die M13 und die 16. Ich kenne mich jetzt wirklich gut aus in Berlin.

    Je nach Länge der Fahrt verdient ein StreetCrowder zwischen drei und 13 Euro. Das ist nicht wahnsinnig viel, zumal man ja erst einmal das Auto erreichen muss. Mehr als drei Fahrten pro Stunde habe ich nie geschafft – und Gott weiß, dass ich es probiert habe. Das Gute: Am Ende eines Tages wird das Geld sofort überwiesen. Das Nervige: Gerade im Reuterkiez kann abends die Suche nach einem Parkplatz mehr Zeit einnehmen als die Fahrt dorthin.

    Aber die Firma hat auch verstanden, dass es für viele StreetCrowder ein Spaß ist, wie eine Schnitzeljagd durch Berlin. Sie begannen irgendwann mit Sonderaktionen: Wer zum Beispiel 30 Autos an einem Tag bewegte, bekam 50 Euro extra. Ich probierte es aus, ich begann morgens um fünf Uhr und schaffte es kurz vor Mitternacht. Ein Tag, 30 Autos. Aber ich hatte immer noch nicht genug.

    Die nächste Aktion: Wer von den StreetCrowdern schafft die meisten Auto-Bewegungen in einer Woche? Ich schaffte 72 Fahrten, das war der zweite Platz. Immerhin gab es dafür einen Preis. Die letzte große Aktion dieser Art gab es zu Weihnachten 2021: Wer zwischen dem 25. November und dem 31. Dezember 670 Autos bewegte, erhielt 670 Euro Prämie. Ich konnte nicht teilnehmen, aber es ist eben nicht mein Haupt-Job.

    Denn ich merkte, ich arbeite für ein Unternehmen, das für einen Service noch nicht einmal den Mindestlohn zahlen muss, weil wir StreetCrowder es ja freiwillig und gern tun. Doch inzwischen sind wir eine Gruppe von rund 400 registrierten Nutzern in Berlin. Davon sind rund 100 so aktiv wie ich. Wir bringen dem Unternehmen Millionen Euro ein, dafür will uns StreetCrowd mit einer Art Gemeinschaftsgefühl belohnen. Es gibt eine WhatsApp-Gruppe, in der die unterschiedlichsten Berliner sind: Studenten, Migranten, Auto-Nerds und Kleinunternehmer wie ich.

    Neulich trafen sich viele von uns in echt, nicht in einer Chatgruppe: Frauen waren nur wenige dabei, und endlich konnten wir uns einmal richtig unterhalten. Zunächst die üblichen Fragen nach der Steuerabrechnung und wie man das Gewerbe angemeldet hat. Da merkte ich, dass es wirklich Menschen gibt, die das hauptberuflich machen. Und für sie ist es wirklich von Bedeutung, dass ab jetzt zum Beispiel die Vergütung für Fahrten länger als 10 Kilometer sinkt – während die Carsharing-Preise in derselben Zeit gestiegen sind. Wie kann das sein?! Alle regten sich sofort auf.

    Aber für mich ist es ja ohnehin nur ein Hinzuverdienst. Ich spare das Geld, um einmal gut essen zu gehen oder ein schönes Wochenende an der Ostsee zu haben. Es ist nicht das Geld, das ich zum Überleben brauche. Trotzdem merke ich, dass wir StreetCrowder auch Teil einer neuen Art von Kapitalismus sind: der UBERifizierung der Wirtschaft. Alle sind Freiberufler, oder: gut gelaunte Selbstausbeuter.

    Obwohl es auch diese Tage gibt, an denen gar nichts klappt. Das war neulich, an einem Sonntag, als ich mal wieder Zeit übrig hatte und etwas Auto fahren wollte. Ich fuhr zum ersten Wagen nach Lichtenberg: vor meiner Nase weg. Der zweite in Friedrichshain ebenfalls, der dritte in Neukölln. Jedes Auto, zu dem ich fuhr, verschwand, kurz bevor ich dort ankam. Irgendwann gab ich auf. Es war einfach nicht mein Tag.

    Ganz anders der Sonntag im Dezember, an dem der andere StreetCrowder mir am Flughafen BER das Auto wegschnappte. Ich habe sein Angebot, mit zurückzufahren, nicht angenommen. Zeit ist Geld, und Stillstand bringt weder Einkommen noch Fahrspaß. Ich öffnete die StreetCrowd-App und fand in Schönefeld ein „kaltes“ Auto. Die App schlug Prenzlauer Berg als Ziel vor. Dort wohne ich. Ich verdiente also zwölf Euro mit der Fahrt zu meiner Haustür. Und machte Feierabend von meinem Feierabend-Job.

    #Berlin #Arbeit #Ausbeutung #Lohndumping #Gigworking #Scheinselbständigkeit

  • Ukraine: Die von der EU subventionierte Ökonomie wird zum Problem für Polen
    https://www.freitag.de/autoren/jan-opielka/ukraine-die-von-der-eu-subventionierte-oekonomie-wird-zum-problem-fuer-polen

    Die Fehlfarben waren eine visionäre Band der 1980er. Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran. So lautete die erste Trophe des Sings Ein Jahr (Es geht voran) und so läuft es. Die Ukraine hat einen historischen Auftrag zu erlefigen. Dahinter müssen alle anderen zurückstehen.

    Die Ironie der Geschichte besteht darin, dass nun die polnischen, slowakischen und anderen Lohndumping-Ausbeuter im Fuhrgewerbe kaputtbemacht werden, nachdem die selbst aus stolzen deutschen LKW-Fahrern Hungerlöhner gemacht haben. Dazu hatten sie bereits Fahrer von den Philippinen geholt, um noch weniger zshlen zu können, als ein Angestellter aus dem eigenen Land zum Überleben braucht.

    Das ähnelt den Uber-Methoden zur Zerschlagung des Taxigewerbes.

    Von Jan Opielka - Konkurrenz: Ukrainische Spediteure müssen nicht mehr – wie noch vor dem Krieg – Transportgenehmigungen einholen, um den EU-Markt zu bedienen. Dadurch könnten sie polnischen Transportfirmen Konkurrenz machen und die Preise stutzen

    Als sich im Frühjahr die Proteste polnischer Bauern gegen ukrainische Getreideexporte zu einem handfesten Konflikt zwischen der EU und Warschau auswuchsen, wirkte das wie ein Vorspiel für künftige, gravierendere Differenzen. Die sind nun da und lassen an Vehemenz nichts zu wünschen übrig. Brüssel und damit letztlich auch Polen räumen der Ukraine auf vielen Feldern Vorteile ein, um das Land zu entlasten. Folglich müssen ukrainische Spediteure nicht mehr – wie noch vor dem Krieg – Transportgenehmigungen einholen, um den EU-Markt zu bedienen. Dadurch können diese Unternehmen polnischen Transportfirmen Konkurrenz machen, indem sie etwa die Preise stutzen.
    Blockaden an der Grenze zur Ukraine

    Laut Infrastrukturministerium in Warschau beliefen sich die Fahrten aus der Ukraine 2023 auf bisher gut 800.000 und wären damit auf das Vierfache gestiegen. Polen verliert demnach Marktanteile in Größenordnungen. Es fällt leicht, polnischen Spediteuren, Fahrern von Trucks und inzwischen auch wieder Landwirten vorzuhalten, sie würden aus Wut die Grenze zur Ukraine blockieren. Doch ist dieser Vorwurf deplatziert, da humanitäre Güter passieren dürfen, obwohl polnische Spediteure beim Verlassen der Ukraine auf massive Meldeprobleme stoßen, die oft zu tagelangem Warten führen.

    Angebrachter wäre es, den Blick auf Brüssel zu richten. Von der EU-Zentrale aus gesehen ist Kiew trotz aller Beistandsrhetorik recht fern, für Polen aber nachbarschaftlich nah. Das Land hat seit Februar 2022 nicht nur die meisten ukrainischen Flüchtenden aufgenommen, es ist in seinem Wirtschaftsgeschehen zugleich am stärksten einer international großzügig subventionierten ukrainischen Ökonomie ausgesetzt. Dass deren Wettbewerber Marktanteile erobern und halten wollen, ist nachvollziehbar.

    Polens Regierung hat dem lange nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt, weil der überbordende Wille das Denken beherrschte, weltweit die Speerspitze unter den Alliierten Kiews zu sein. Aus den vor Monaten aufgeflammten Protesten der eigenen Bauern wurden daher keine Lehren gezogen. Auch jetzt musste die Blockade der Trucker erst eskalieren, damit man sich bewegte oder zumindest so tat: Noch-Regierungschef Mateusz Morawiecki schickte bislang nur den zuständigen Minister an den Ort des Geschehens – und das nach drei Wochen Protest.
    Was das für die nächste Regierung Polens heißt

    Brüssel vermittelt den Eindruck, dass Polens Umgang mit dem Verdrängungskampf der Spediteure nur unverständlicher Kleinkram und Erbsenzählerei sei angesichts der Mammutaufgabe, die Ukraine in die EU zu lotsen und über Russland triumphieren zu lassen. Das Ganze ist auf die Spitze getrieben, wenn Warschau Kompensationsmittel angeboten werden, die aus polnischen Töpfen kommen. Wer so agiert, bürdet der bei den jüngsten Sejm-Wahlen siegreichen pro-europäischen Opposition eine schwere Last auf. Diese kann angesichts der Situation gar nicht anders, als bei der Frage nach der Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kiew strikt die nationale Flagge zu hissen, auf die Bremse zu treten und den Brüssler Solidaritätskurs auf den Prüfstand zu stellen.

    Denn unverkennbar sinkt dank einer wenig reflektierten EU-Politik in der polnischen Bevölkerung die Akzeptanz für die Ukraine-Hilfen. Auch slowakische Spediteure haben bereits angedroht, ihrerseits an der Grenze zur Ukraine aktiv zu werden. Die EU, tief im Westen, sollte dringend ihren Blick auf den Osten schärfen.

    #Arbeit #Lohndumping #Subventionen #Polen #Ukraine #Europäische_Union

  • Taxi- und Mietwagenstatistik für Januar 2023 - AG Taxi Berlin
    https://www.ag-taxi.de/taxistatistik-januar-2023.html

    Mehr Mietwagen, weniger Taxis. Der Trend hält an.

    Heute erreicht uns die aktuelle Taxi- und Mietwagenstatistik der Berliner Aufsichtsbehörde LABO.

    Vergleich Januar 2022 / 2023
    Mietwagen
    2022: 4437 Fahrzeuge
    2023: 4441 Fahrzeuge
    + 4 Fahrzeuge

    Taxis
    2022: 5905 Fahrzeuge
    2023: 5375 Fahrzeuge
    – 530 Fahrzeuge

    Lohndumping
    Wir finden den Trend bestätigt in einer kleinen Zunahme der Zahl an Mietwagen (<1% Zugewinn) und einer deutlichen Verrigerung der Taxis (9% Verlust). Das unterfüttert unsere Einschätzung, dass aufgrund des identischen Markts und höherer Kosten für Mietwagen (um mindestens 20% Punkte höhere Vermittlungskosten und 12% Punkte höhere Umsatzsteuer) die Mietwagenbetriebe und Vermittlungsplattformen das Taxigewerbe per Lohndumping zerstören. [1]

    Strukturunterschiede von Taxi- und Mietwagengewerbe
    Eine Rolle spielt dabei, dass die Taxibetriebe vielfach Einwagenbetriebe (1570 von 1938 Firmen) und Kleinunternehmen sind, während nur 257 Mietwagen von Einwagenbetrieben angeboten werden und allein 23 der 706 Mietwagenbetriebe der Stadt mehr als 30 Fahrzeuge angemeldet haben.

    Gesetzesverstöße
    Die Zahl der Mietwagen ist noch deutlich höher als die Berliner Statistik ausweist, weil zahlreiche, man vermutet, dass es über 1000 sind, Fahrzeuge aus dem Umland illegal in Berlin „räubern“. Diese Verstöße gegen das Personenbeförderungsgesetz bleiben bislang genauso folgenlos wie die massenhafte illegale Ausbeutung und Unterschreitung des Mindestlohns.

    [1] Die Schlussfolgerung, dass Mietwagenbetriebe in Berlin nur durch Lohndumping rentabel betrieben werden können, hat der Taxiunternehmer Michael Klewer mit einer betriebswirtschaftlichen Beispielskalkulation nachgewiesen.
    https://www.yumpu.com/kiosk/taxitimes-berlin/taxi-times-berlin-3-quartal-2021/65907836/20

    #Berlin #Taxi #Mietwagen #Statistik #Lohndumping