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Agent d’ingérence étrangère : Alle die mit uns auf Kaperfahrt fahren, müssen Männer mit Bärten sein. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die haben Bärte. Jan und Hein und Klaas und Pit, die haben Bärte, die fahren mit.

  • Bettina Göring: „Über die Nazi-Zeit habe ich erst aus DDR-Geschichtsbüchern gelernt“
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/bettina-goering-ueber-die-nazi-zeit-habe-ich-erst-aus-ddr-geschicht

    Bettina Göring, 68, floh mit 13 von zu Hause und schloss sich der linken Szene an. Foto Benjamin Pritzkuleit

    17.4.2024 von Anja Reich - Hermann Görings Großnichte erzählt im Interview, wie in ihrer Familie NS-Verbrechen verschwiegen wurden. Und sagt, welcher Politiker sie heute an Göring erinnert.

    Bettina Göring wartet in der Tür eines Reihenhauses in Berlin-Zehlendorf. Es gehört einer Jugendfreundin, die sie und Görings Mann für ein paar Tage bei sich aufgenommen hat und während des Interviews mit dem Hund spazieren geht, um nicht zu stören.

    Die Großnichte des Naziverbrechers Hermann Göring trägt Hose, Bluse, eine blaue Brille, die grauen Haare im Nacken zusammengebunden. Ein in die Jahre gekommenes Hippie-Mädchen, das mit 13 von zu Hause flüchtete, nach Stationen in Südamerika, Indien und den USA in Thailand hängenblieb und nun nach Deutschland gekommen ist, um ihr Buch vorzustellen: „Der gute Onkel: Mein verdammtes deutsches Erbe“.

    Wie soll ich Sie ansprechen: Frau Göring, so, wie es auf Ihrem Buch steht? Oder mit dem Namen, der in Ihrer E-Mail-Adresse auftaucht?

    Sagen Sie Göring. Als ich das erste Mal heiratete, habe ich meinen Namen geändert, wegen der Familiengeschichte. Aber es funktioniert nicht so richtig, ich werde diese Geschichte nicht los.

    Es ist die Ihres Großonkels Hermann Göring, dem mächtigsten Nazi nach Adolf Hitler. Wie wäre es, wenn er hier säße, an diesem Tisch?

    Ich würde ihn fragen, ob er irgendwas bereut. Aber ich würde nicht erwarten, dass er es tut. Er hat ja auch bei den Nürnberger Prozessen gesagt, dass er nichts bereut.

    Und als Familienmensch, wie war er da? Ihr Buch trägt den Titel „Der gute Onkel“.

    Zu seiner Familie war er sehr nett. Meine Großmutter wurde von ihm nicht nur beschützt, sondern auch finanziell unterstützt. Er soll freundlich und charismatisch gewesen sein, weshalb er auch als Diplomat eingesetzt wurde. Kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man sich seine Reden anhört – fürchterlich, wie er geschrien hat, die haben ja alle so geschrien.

    Privat hat er das nicht getan?

    Wir haben mal ein Video von einer Ostereiersuche mit der Familie gesehen. Da hat er mit großer Geste den lässigen, freundlichen Onkel gespielt. Jovial ist das Wort, das ihn als Familienmenschen wohl am besten beschreibt.

    Wo haben Sie die Aufnahme her?

    Auf YouTube gefunden, keine Ahnung, wer die darauf gestellt hat.

    Sie wurden 1956 geboren, zehn Jahre, nachdem Ihr Großonkel in Nürnberg zum Tode verurteilt wurde und sich mit einer Zyankali-Kapsel selbst getötet hat. Wann haben Sie zum ersten Mal gespürt, dass es da etwas Unheimliches gibt in Ihrer Familie?

    Ich war elf, wir wohnten in Wiesbaden, hatten gerade einen Fernseher bekommen, sahen eine Dokumentation über Auschwitz. Meine Oma war dabei, die Schwester von Hermann, Großmutti Ilse, wie alle sie nannten. Sie schrie: Alles Lüge, alles Lüge! Mein Bruder hat ihr einen Holzschuh an den Kopf geworfen.
    Bettina Göring ließ sich mit 30 sterilisieren.
    Bettina Göring ließ sich mit 30 sterilisieren.Benjamin Pritzkuleit

    War Ihnen da schon klar, dass Ihr Großonkel den Massenmord an den Juden befohlen hatte?

    Nein, 1968, mit zwölf, habe ich mich der Hippieszene angeschlossen, später der linken, sehr linken Szene, bin von zu Hause geflohen. In dieser Zeit habe ich angefangen, Bücher über die NS-Geschichte zu lesen. Die meisten waren aus der DDR.
    Bettina Göring: „Mein Geschichtslehrer war selbst Nazi gewesen“

    Aus der DDR? Was haben Sie denn in Ihrer Wiesbadener Schule über den Faschismus gelernt?

    Nichts, mein Geschichtslehrer war selber Nazi gewesen. Und in der Familie erzählte man sich immer nur, dass Onkel Hermann Flieger war, der Herr der Flieger, wie es hieß, dass man zu ihm aufschaute, sonst nichts. Bis 2005 wusste ich nicht einmal, dass er die Endlösung der Judenfrage unterschrieben hatte.

    Wie haben Sie das rausgefunden?

    Eine Australierin, Tochter von Holocaust-Überlebenden, warf es mir an den Kopf. Für den Dokumentarfilm „Bloodlines“ waren Angehörige von Opfern und Tätern zusammengebracht worden. Ich habe dann gleich noch mal angefangen, Geschichtsbücher zu lesen.

    Das hatte in den Büchern, die Sie kannten, nicht gestanden?

    Nein, es war auch kompliziert. Die Nazis haben den Mord an den Juden ja nicht so konkret befohlen. Reinhard Heydrich hatte das Dokument, in dem von der Endlösung die Rede war, 1941 vorgelegt und Hermann Göring hat es unterschrieben.

    Wie ging es Ihnen, als Sie das hörten?

    Es war furchtbar, schockierend.

    Sie sind ins Ausland gegangen, haben sich sterilisieren lassen, wollten keine Kinder bekommen. Hatten Sie Angst, das Böse könnte sich vererben?

    Dass ich mich sterilisieren ließ, hatte nicht direkt mit dem Göring-Onkel zu tun, das war eher ein praktischer Gedanke. Ich habe die Pille nicht gut vertragen und hatte mit 30 immer noch kein Bedürfnis, Mutter zu werden. Aber im Unterbewusstsein gab es sicher eine Ablehnung. Es muss ja auch einen Grund haben, warum gerade unsere Generation, die in den 50ern geboren wurde, so wenig Kinder bekommen hat, die folgende aber wieder mehr.
    NS-Kriegsverbrecher Hermann Göring beim Prozess in Nürnberg
    NS-Kriegsverbrecher Hermann Göring beim Prozess in NürnbergYevgeny Khaldei/Imago

    Jüdische Holocaust-Überlebende Ihrer Generation bekamen dagegen sehr viele Kinder.

    Ja, Israelis, die ich kennenlernte, konnten gar nicht verstehen, dass ich keine Kinder wollte. Eine hatte zehn, als Ausgleich dafür, dass ihre Familie ausgelöscht wurde.

    Was haben Sie sonst an Ihrem Leben geändert, nachdem Sie von der Rolle Ihres Großonkels im Holocaust erfahren haben?

    Ich habe zusammen mit einer Tochter von Holocaust-Überlebenden eine Therapiegruppe gegründet, verschiedene Methoden zur Verarbeitung der Traumata angewendet. Einmal bin ich sogar in die Psyche meines Onkels gegangen.
    „Ich habe gefühlt, wie es in ihm aussah: dunkel, kalt, halbtot“

    Bei einer Art Familienaufstellung?

    Ja, ich habe gefühlt, wie es in ihm aussah und es war sehr dunkel, kalt, halbtot. Als ob bei mir alles abstirbt, so fühlte es sich an. Erschreckend. Er muss ein Psychopath gewesen sein. Das ist das Schizophrene: wie er so kalt und doch für seine Familie menschlich bleiben konnte.

    Haben Sie herausgefunden, wie er so geworden ist, was ihn in seinem Leben geprägt hat?

    Ja, wir haben viel herausgefunden. Sein Vater kam aus einer reichen, angesehenen Familie, war von Bismarck als Diplomat in Ostafrika eingesetzt, gründete die deutsche Kolonie im heutigen Namibia, später war er in Haiti, reiste hin und her, ewig lange Schiffsreisen. Hermanns Mutter reiste mit, auch wenn sie gerade ein Kind geboren hatte. Den Hermann ließ sie bei einer Freundin zurück. Als er sie wiedersah, mit drei Jahren, sah er seine Mutter nicht mehr an. Hinzu kam, dass die Mutter eine Affäre mit Herman von Epenstein hatte, einem Halbjuden. Möglicherweise wurde mein Großonkel nach ihm benannt. Und er wurde seinetwegen auf der Schule gehänselt, als Judenfreund. Er musste sogar so ein Schild um den Hals tragen.
    Bettina Göring , Großnichte von Hermann Göring
    Bettina Göring , Großnichte von Hermann GöringBenjamin Pritzkuleit
    „Göring war immer der Größte, aber Hitler war war noch größer“

    Wann war das?

    1905, vor dem Ersten Weltkrieg. Der Hermann war als Schüler sehr rebellisch, schwer zu händeln, bis er in die Militärakademie kam. Die Strenge dort tat ihm gut. Was auch wichtig ist: Die Familie wollte, dass ein Held geboren wird, so steht es in den Tagebüchern, ein Held, der Deutschland rettet und so ein Scheiß. Er hat sich in dieser Rolle gesehen.

    Wie hat er Hitler kennengelernt?

    Im Ersten Weltkrieg war er Flieger. Nachdem die Luftwaffe verboten worden war und er nicht mehr fliegen konnte, wollte er eine Revolution, das System umstoßen, ist auf die Hitler-Gruppe gestoßen und sofort auf Hitler mit seiner magnetischen Persönlichkeit angesprungen. Göring war immer der Größte, aber der Führer war noch größer. Und Hitler hat erkannt, dass Göring die Sprache der Oberen spricht, sich in dieser Klasse gut auskennt.

    Hermann Göring war morphiumsüchtig. Wie kam es dazu?

    Beim Bierputsch 1923 bekam er eine Kugel ab, musste fliehen, wurde in Schweden in der Psychiatrie behandelt, in dieser Zeit begann er, Morphium zu nehmen.
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    Die schwedischen Ärzte beschrieben ihn als „brutalen Hysteriker mit sehr schwachem Charakter“.

    Ja, er war verrückt und auf Drogen, wie die meisten Nazis. Pervitin, Kokain, Morphium. Die Drogen passen zu seinem Größenwahn. Erst in amerikanischer Haft machte er einen Entzug.

    Gab es im Leben von Hermann Göring einen Moment, wo er zweifelte, an sich und seinen Taten?

    Als er einmal drin war in dieser Maschinerie, war das nicht mehr möglich. Für ihn zählten nur Macht, Reichtum, Ämter und Titel ohne Ende.
    Waggons voll enteigneter Kunst nach Hause liefern lassen

    Gibt es einen heute lebenden Politiker, der Sie an Ihren Großonkel erinnert?

    Ja, Trump. Diese Gier. Diese unglaubliche Raffgier. Was der Göring-Onkel für Schätze angehäuft hat. Von den Juden. Aus Holland hat er sich ganze Waggons voll mit Kunst und Möbeln bringen lassen. Meine Oma hat auch einen Waggon bekommen.

    Das heißt, bei Ihnen zu Hause gab es auch noch Möbelstücke von enteigneten Juden?

    Ja, zwei, drei Stück. Ganz tolle Sachen. Als unsere Oma zu uns zog, fielen sie schon ein bisschen auseinander. Ein Sekretär aus Ebenholz mit 150 Handfiguren und Schubfächern. Das andere war ein flämischer Sternenschrank.

    Wo sind die Möbel heute?

    Mein Vater hat sie verkauft, beglich seine Schulden damit. Wir hatten zum Glück nichts mehr damit zu tun nach seinem Tod. Fotos und Ritterorden waren noch da. Wollte ich auch nichts mitzutun haben.

    Haben Sie Antisemitismus in Ihrer Familie wahrgenommen?

    Von meiner Mutti gar nicht. Mein Großvater mütterlicherseits war gegen die Nazis, hat für einen jüdischen Anwalt gearbeitet, der ihm geholfen hat mit der Anzahlung für sein Haus.

    Wusste Ihre Mutter, als sie Ihren Vater geheiratet hat, aus was für einer Familie er kommt?

    Ja, das ist ja das Verrückte. Obwohl diese Mutter-Familie gegen die Nazis war, hat es viel bedeutet, mit einem Göring verheiratet zu sein. Wegen der Klasse. Reiche Familie. Viele wichtige Ämter. Der Urgroßvater Ministerialrat, auch Bürgermeister gab es.

    War Ihnen da schon klar, dass Ihr Großonkel den Massenmord an den Juden befohlen hatte?

    Nein, 1968, mit zwölf, habe ich mich der Hippieszene angeschlossen, später der linken, sehr linken Szene, bin von zu Hause geflohen. In dieser Zeit habe ich angefangen, Bücher über die NS-Geschichte zu lesen. Die meisten waren aus der DDR.

    Aus der DDR? Was haben Sie denn in Ihrer Wiesbadener Schule über den Faschismus gelernt?

    Nichts, mein Geschichtslehrer war selber Nazi gewesen. Und in der Familie erzählte man sich immer nur, dass Onkel Hermann Flieger war, der Herr der Flieger, wie es hieß, dass man zu ihm aufschaute, sonst nichts. Bis 2005 wusste ich nicht einmal, dass er die Endlösung der Judenfrage unterschrieben hatte.

    Wie haben Sie das rausgefunden?

    Eine Australierin, Tochter von Holocaust-Überlebenden, warf es mir an den Kopf. Für den Dokumentarfilm „Bloodlines“ waren Angehörige von Opfern und Tätern zusammengebracht worden. Ich habe dann gleich noch mal angefangen, Geschichtsbücher zu lesen.

    Das hatte in den Büchern, die Sie kannten, nicht gestanden?

    Nein, es war auch kompliziert. Die Nazis haben den Mord an den Juden ja nicht so konkret befohlen. Reinhard Heydrich hatte das Dokument, in dem von der Endlösung die Rede war, 1941 vorgelegt und Hermann Göring hat es unterschrieben.

    Wie ging es Ihnen, als Sie das hörten?

    Es war furchtbar, schockierend.

    Sie sind ins Ausland gegangen, haben sich sterilisieren lassen, wollten keine Kinder bekommen. Hatten Sie Angst, das Böse könnte sich vererben?

    Dass ich mich sterilisieren ließ, hatte nicht direkt mit dem Göring-Onkel zu tun, das war eher ein praktischer Gedanke. Ich habe die Pille nicht gut vertragen und hatte mit 30 immer noch kein Bedürfnis, Mutter zu werden. Aber im Unterbewusstsein gab es sicher eine Ablehnung. Es muss ja auch einen Grund haben, warum gerade unsere Generation, die in den 50ern geboren wurde, so wenig Kinder bekommen hat, die folgende aber wieder mehr.

    Jüdische Holocaust-Überlebende Ihrer Generation bekamen dagegen sehr viele Kinder.

    Ja, Israelis, die ich kennenlernte, konnten gar nicht verstehen, dass ich keine Kinder wollte. Eine hatte zehn, als Ausgleich dafür, dass ihre Familie ausgelöscht wurde.

    Was haben Sie sonst an Ihrem Leben geändert, nachdem Sie von der Rolle Ihres Großonkels im Holocaust erfahren haben?

    Ich habe zusammen mit einer Tochter von Holocaust-Überlebenden eine Therapiegruppe gegründet, verschiedene Methoden zur Verarbeitung der Traumata angewendet. Einmal bin ich sogar in die Psyche meines Onkels gegangen.
    „Ich habe gefühlt, wie es in ihm aussah: dunkel, kalt, halbtot“

    Bei einer Art Familienaufstellung?

    Ja, ich habe gefühlt, wie es in ihm aussah und es war sehr dunkel, kalt, halbtot. Als ob bei mir alles abstirbt, so fühlte es sich an. Erschreckend. Er muss ein Psychopath gewesen sein. Das ist das Schizophrene: wie er so kalt und doch für seine Familie menschlich bleiben konnte.

    Haben Sie herausgefunden, wie er so geworden ist, was ihn in seinem Leben geprägt hat?

    Ja, wir haben viel herausgefunden. Sein Vater kam aus einer reichen, angesehenen Familie, war von Bismarck als Diplomat in Ostafrika eingesetzt, gründete die deutsche Kolonie im heutigen Namibia, später war er in Haiti, reiste hin und her, ewig lange Schiffsreisen. Hermanns Mutter reiste mit, auch wenn sie gerade ein Kind geboren hatte. Den Hermann ließ sie bei einer Freundin zurück. Als er sie wiedersah, mit drei Jahren, sah er seine Mutter nicht mehr an. Hinzu kam, dass die Mutter eine Affäre mit Herman von Epenstein hatte, einem Halbjuden. Möglicherweise wurde mein Großonkel nach ihm benannt. Und er wurde seinetwegen auf der Schule gehänselt, als Judenfreund. Er musste sogar so ein Schild um den Hals tragen.

    Wann war das?

    1905, vor dem Ersten Weltkrieg. Der Hermann war als Schüler sehr rebellisch, schwer zu händeln, bis er in die Militärakademie kam. Die Strenge dort tat ihm gut. Was auch wichtig ist: Die Familie wollte, dass ein Held geboren wird, so steht es in den Tagebüchern, ein Held, der Deutschland rettet und so ein Scheiß. Er hat sich in dieser Rolle gesehen.

    Wie hat er Hitler kennengelernt?

    Im Ersten Weltkrieg war er Flieger. Nachdem die Luftwaffe verboten worden war und er nicht mehr fliegen konnte, wollte er eine Revolution, das System umstoßen, ist auf die Hitler-Gruppe gestoßen und sofort auf Hitler mit seiner magnetischen Persönlichkeit angesprungen. Göring war immer der Größte, aber der Führer war noch größer. Und Hitler hat erkannt, dass Göring die Sprache der Oberen spricht, sich in dieser Klasse gut auskennt.

    Hermann Göring war morphiumsüchtig. Wie kam es dazu?

    Beim Bierputsch 1923 bekam er eine Kugel ab, musste fliehen, wurde in Schweden in der Psychiatrie behandelt, in dieser Zeit begann er, Morphium zu nehmen.

    Die schwedischen Ärzte beschrieben ihn als „brutalen Hysteriker mit sehr schwachem Charakter“.

    Ja, er war verrückt und auf Drogen, wie die meisten Nazis. Pervitin, Kokain, Morphium. Die Drogen passen zu seinem Größenwahn. Erst in amerikanischer Haft machte er einen Entzug.

    Gab es im Leben von Hermann Göring einen Moment, wo er zweifelte, an sich und seinen Taten?

    Als er einmal drin war in dieser Maschinerie, war das nicht mehr möglich. Für ihn zählten nur Macht, Reichtum, Ämter und Titel ohne Ende.
    Waggons voll enteigneter Kunst nach Hause liefern lassen

    Gibt es einen heute lebenden Politiker, der Sie an Ihren Großonkel erinnert?

    Ja, Trump. Diese Gier. Diese unglaubliche Raffgier. Was der Göring-Onkel für Schätze angehäuft hat. Von den Juden. Aus Holland hat er sich ganze Waggons voll mit Kunst und Möbeln bringen lassen. Meine Oma hat auch einen Waggon bekommen.

    Das heißt, bei Ihnen zu Hause gab es auch noch Möbelstücke von enteigneten Juden?

    Ja, zwei, drei Stück. Ganz tolle Sachen. Als unsere Oma zu uns zog, fielen sie schon ein bisschen auseinander. Ein Sekretär aus Ebenholz mit 150 Handfiguren und Schubfächern. Das andere war ein flämischer Sternenschrank.

    Wo sind die Möbel heute?

    Mein Vater hat sie verkauft, beglich seine Schulden damit. Wir hatten zum Glück nichts mehr damit zu tun nach seinem Tod. Fotos und Ritterorden waren noch da. Wollte ich auch nichts mitzutun haben.

    Haben Sie Antisemitismus in Ihrer Familie wahrgenommen?

    Von meiner Mutti gar nicht. Mein Großvater mütterlicherseits war gegen die Nazis, hat für einen jüdischen Anwalt gearbeitet, der ihm geholfen hat mit der Anzahlung für sein Haus.

    Wusste Ihre Mutter, als sie Ihren Vater geheiratet hat, aus was für einer Familie er kommt?

    Ja, das ist ja das Verrückte. Obwohl diese Mutter-Familie gegen die Nazis war, hat es viel bedeutet, mit einem Göring verheiratet zu sein. Wegen der Klasse. Reiche Familie. Viele wichtige Ämter. Der Urgroßvater Ministerialrat, auch Bürgermeister gab es.

    Sind Sie auch noch so erzogen worden, mit diesem Dünkel, etwas Besseres zu sein?

    Mein Bruder und ich haben sehr dagegen rebelliert, aber ich glaube, so ein bisschen ist er auch bei uns drin.

    Ist bei Ihren Begegnungen mit Angehörigen von Opfern mal jemand wütend geworden Ihnen gegenüber?

    In Israel sind Leute weinend zu mir gekommen, haben sich bedankt. Weil es bis dahin nie vorgekommen war, dass jemand sich bei ihnen entschuldigt hat. Aber eine Frau in meinem Alter konnte eine Entschuldigung von der Göring-Seite nicht akzeptieren. Sie hat ständig dazwischengerufen und musste vom israelischen Sicherheitspersonal rausgeführt werden.

    Und wie waren die Begegnungen mit Angehörigen anderer Nazi-Größen?

    Ich wurde mit Niklas Frank, Rainer Höss, Katrin Himmler und noch zwei anderen verlinkt. Aber persönlich getroffen habe ich nur Rainer Höss. Er wollte mich unbedingt kennenlernen, ist extra nach Wiesbaden gekommen und dann sind wir Kaffee trinken gegangen.

    Sie und der Enkel des Auschwitz-Kommandanten?

    Er hat die ganze Zeit geprahlt, wie viele jüdische Leute er kennt, mit welchem Ministerpräsidenten er per Du ist. Später wurde er als Hochstapler enttarnt. Er ist auch der Einzige, der seine Geschichte an die Israelis verkauft hat, der Geld wollte. Mir wäre das zuwider gewesen.

    Aber mit Ihrem Buch jetzt verdienen Sie Geld, oder?

    Ja, das hoffe ich zumindest. Da stecken zehn Jahre Arbeit drin. Die österreichische Journalistin Melissa Müller hat einen wesentlichen Anteil daran, sie hat die historischen Fakten zusammengetragen und wirklich viel herausgefunden, was ich noch nicht wusste.

    Was zum Beispiel?

    Dass meine Familie einen Deal mit einer jüdischen Familie gemacht hat, Galeristen, sehr vermögend. Sie wurden enteignet, konnten aber nach Südamerika gehen. Die Galerien und Gemälde wurden gegen eine Viehzucht in Venezuela, die einem Teil der Göring-Familie gehörte und nicht viel wert war, getauscht. Die Großmutti, meine Oma, ist zum Hermann gegangen, hat gesagt, die wollen raus. Der gute Onkel hat den Deal gemacht.

    Warum haben Sie so lange an dem Buch gearbeitet?

    Es war schwierig zu schreiben, aber auch zu verkaufen. Zu brisant, zu gefährlich, nicht gut genug geschrieben, hieß es. Eine Münchner Agentin, mit der wir uns getroffen haben, ist überhaupt nicht auf das Thema angesprungen. Der Droemer-Verlag hat dann gesagt, wir machen das.

    Wie ist es für Sie, es jetzt in Deutschland vorzustellen?

    Das Timing ist gut für meine Botschaft: Nie wieder.

    Sehen Sie Parallelen zu heute?

    Die Weimarer Zeit war viel schlimmer. Wir reisen ja viel herum und stellen immer wieder fest, wie gut es den Deutschen geht. Fahren Sie mal nach Thailand oder in arme Gegenden der USA! Aber die Verunsicherung ist ähnlich, die Leute wittern überall Lügen. Lügenpresse, den Begriff haben schon die Nazis verwendet. Zu sagen, alles, was wir nicht mögen, ist gleich eine Lüge. Sie lesen keine Zeitung mehr, sondern suchen in den sozialen Medien nach Positionen, die ihren ähnlich sind. Das hat oft etwas religiös Fanatisches. Die AfD nutzt das für sich aus.

    Also ist die Vergangenheit nicht vorbei für Sie?

    Die ist nie vorbei.

    –---

    Bettina Göring wurde 1956 in Wiesbaden geboren. Ihre Oma väterlicherseits war die Schwester von Hermann Göring, der 1941 den Befehl zum Völkermord an den europäischen Juden gab. Bettina Göring floh mit 13 aus dem Elternhaus, lebte in Südamerika, den USA und Thailand, arbeitet als Heilpraktikerin. Ihre Familiengeschichte arbeitete sie in Dokumentationen und Begegnungen mit jüdischen Überlebenden auf. Ihr Buch „Der gute Onkel: Mein verdammtes deutsches Erbe“ ist im Droemer-Verlag erschienen.

    #histoire #nazis #famille

  • Polizei löst Palästina-Kongress in Berlin auf
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181451.palaestina-kongress-polizei-loest-palaestina-kongress-in-berlin-a

    pour compléter la chronique

    14.4.2024 von Simon Zamora Martin - Verein »Jüdische Stimme« kritisiert Verbot der Veranstaltung

    »Noch nie in der Geschichte wurde ein Genozid live im Fernsehen übertragen«, erklärte am Freitag der per Videoübertragung zugeschaltete Salman Abu Sitta bei dem in Berlin begonnenen Palästina-Kongress. Von Freitag bis Sonntag wollten sich laut Veranstalter*innen rund 1000 Menschen treffen, um »die deutsche Beteiligung am Völkermord in Gaza« anzuklagen und sich zu vernetzen.

    Doch gut 30 Minuten nach dem verspäteten Start der Konferenz stürmte die Polizei die Bühne und verbot die Versammlung. Der Abbruch wurde im Internet live übertragen. Die Leute im Saal wurden aufgefordert, das Gelände zu verlassen. Auch jüdische Teilnehmer wurden von der Polizei abgeführt.

    Schon im Vorfeld war der Druck auf die Initiator*innen enorm. Politiker*innen von CDU bis Linke warfen ihnen Antisemitismus vor, weil sie Israel des Völkermords an den Palästinenser*innen beschuldigen und Redner wie Salman Abu Sitta einluden. Der 87-Jährige hatte im Januar einen Artikel veröffentlicht, in dem er anhand der Vertreibungsgeschichte seiner Familie Verständnis für den Überfall der Hamas am 7. Oktober äußerte und leugnete, dass Palästinenser Kriegsverbrechen in Israel begangen haben. Wenn er jünger wäre, hätte er im Oktober unter denen Hamas-Kämpfern sein können, die in Israel nach Israel eindrangen, erklärte Abu Sitta. Damals waren mehr als 1200 Menschen ermordet und viele entführt worden.

    Das Boulevardblatt »BZ« titelte: »Antisemiten planen Hass-Gipfel.« Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« zog sogar Parallelen zur Wannseekonferenz, auf der die deutschen Faschisten 1942 die sogenannte Endlösung der Judenfrage abstimmten. Repressionen richteten sich jetzt vor allem gegen den Verein »Jüdische Stimme für Gerechtigkeit und Frieden im Nahen Osten«, der den Kongress maßgeblich mitorganisierte. So wurde das Konto des Vereins bei der Berliner Sparkasse beschlagnahmt, auf dem Spenden für den Kongress gesammelt worden waren.

    Nadja Samour, Anwältin des Palästina-Kongresses, berichtete auf einer Pressekonferenz am Sonnabend, dass von der Polizei gegen einzelne Teilnehmer*innen der Konferenz ein »Kontaktverbot mit der ›Jüdischen Stimme‹« ausgesprochen wurde. Der Vereinsvorsitzende Wieland Hoban warf der Polizei »Mafia-Methoden« vor, da sie dem Eigentümer des Veranstaltungsortes gedroht habe, er würde seine Existenz zu verlieren, falls er den Palästina-Kongress nicht absage. Abgesagt wurde der Kongress jedoch nicht, stattdessen mit der Begründung untersagt, dass sich »antisemitische, gewaltverherrlichende und den Holocaust verleugnende Redebeiträge bei der Veranstaltung wiederholen könnten«. So zitierte die Wochenzeitung »Die Zeit« eine Polizeisprecherin.

    Zu solchen Aussagen ist es in den lediglich zwei Redebeiträgen bis zum erzwungenen Abbruch des Kongresses nicht gekommen. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) begründet die Polizei das Verbot auch anders: Demnach sei der Grund gewesen, dass es gegen den Redner Salman Abu Sitta ein politisches Betätigungsverbot gebe und zu erwarten sei, dass per Video ein weiterer Redner zugeschaltet werden könnte, der sich in der Vergangenheit antisemitisch geäußert habe.

    Anwältin Samour rügte das Vorgehen der Polizei scharf. »Noch am Morgen wurde die Redner*innenliste mit der Polizei besprochen und bestätigt«, sagte sie. Dabei sei nicht mitgeteilt worden, dass für Salman Abu Sitta ein politisches Betätigungsverbot vorliege, wie die Polizei nun behauptet. Samour wies darauf hin, dass die Hürden für ein Verbot von Versammlungen im nichtöffentlichen Raum sehr hoch seien.

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    Einem weiteren eingeladenen Redner, dem in Großbritannien lebenden Ghassan Abu Sittah, war die Einreise nach Deutschland verweigert worden. Der Mediziner und Rektor der Universität Glasgow war von deutschen Medien interviewt worden, nachdem er mit einer Delegation der Organisation »Ärzte ohne Grenzen« im Gazastreifen gewesen war. Die deutschen Behörden sollen ihn nun außerdem davor gewarnt, online an der Konferenz teilzunehmen, weil er sich damit strafbar mache, berichtete die Tageszeitung »Taz«.

    »Während Deutschland den Genozid unterstützt, werden hier demokratische Rechte ausgehebelt, um uns zum Schweigen zu bringen«, kritisierte Wieland Hoban vom Verein »Jüdische Stimme«.

    Dagegen meinte Stephan Weh von der Gewerkschaft der Polizei: »Das konsequente Durchgreifen unserer Kolleginnen und Kollegen ist ein starkes Zeichen in Richtung derer, die unsere Demokratie ausnutzen oder an der Durchsetzungskraft der Hauptstadtpolizei zweifeln.«

    Am Samstag demonstrierten bis zu 1900 Menschen gegen die Auflösung des Kongresses. Das erfolgte nach Angaben der Polizei weitgehend störungsfrei. Es waren Parolen zu hören wie »Viva, viva Palästina« und »Israel bombardiert – Deutschland finanziert«. In der Nähe postierte sich eine kleine Gruppe mit israelischen Fahnen. Rund 900 Polizisten waren im Einsatz, zum Teil aus Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammengezogen.

    #Allemagne #Israël #Palestine #philisrmitie #répression

  • Siedlerterror: Hass in den Augen
    https://www.jungewelt.de/artikel/473332.siedlerterror-hass-in-den-augen.html

    15.4.2024 von Anne Herbst, Ramallah - Siedlermobs morden und brandschatzen im Norden des Westjordanlands

    Dichte Rauchschwaden stiegen am Freitag nachmittag bei pogromartigen Ausschreitungen gegen palästinensische Dörfer auf. Bis an die Zähne bewaffnete Siedlerhorden fielen in Al-Mughayyir, Al-Mazra‘a ash-Sharqiya, Khirbet Abu Falah, Turmus Ayya und weitere Orte, darunter auch Flüchtlingslager wie Al-Jalazoon, im Regierungsbezirk Ramallah, und Al-Bireh ein. Sie eröffneten das Feuer und warfen Steine auf die Bewohner, zündeten Häuser und Autos an. Angriffe gab es auch in der Umgebung von Nablus. »Kinder, Alte und andere Bewohner flohen aus Angst vor dem Terror und übernachteten in der Kälte in den Bergen«, berichtet ein palästinensischer Aktivist, der seit Jahren zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die Besatzung organisiert, aus Tubas gegenüber jW.

    Sogar auf israelische Journalisten wurde Jagd gemacht. »Sie brachen mir die Finger und verbrannten meine Ausrüstung«, so Shaul Golan, ein Fotograf, der unter anderem für die Tageszeitung Jedi’ot Acharonot arbeitet, über Siedlerattacken in Duma. Die Angreifer warfen den 70jährigen Mann zu Boden, traten ihn gegen den Kopf und in den Magen. »Sie hatten Hass in ihren Augen«, sagt Golan. Als er israelische Soldaten um Hilfe rief, musste er feststellen, dass diese zu dem 20- bis 30-köpfigen Lynchmob gehörten. Kein Einzelfall. Dass die Siedler bei ihren Aktionen nicht mehr nur Rückendeckung von den Besatzungsstreitkräften bekommen, sondern mit diesen gemeinsam – häufig in IDF-Uniformen – agieren, wird seit Monaten verstärkt aus allen Teilen des Westjordanlands vermeldet.

    Einige Bewohner von Orten, die von Siedlertrupps, später auch von regulären israelischen Einheiten umzingelt oder gestürmt wurden, verbreiteten via Smartphonevideos verzweifelte Aufrufe zum militanten Widerstand. In der Nacht zum Sonntag rissen Palästinenser ein von der Besatzerarmee nach dem 7. Oktober errichtetes Eisentor nieder. Sie stießen über die Straße von Al-Bireh in Nachbarorte vor, um diese gegen die Siedler zu verteidigen.

    Bisher hat das Gesundheitsministerium der Palästinensischen Nationalbehörde zwei Tote registriert. Die Zahl der Verwundeten ist unbekannt, dürfte aber bei mehreren Hundert liegen – viele sollen Schussverletzungen erlitten haben. Die rechten Gewaltexzesse könnten sich in der gesamten Westbank wie ein Lauffeuer ausbreiten – die Siedler haben zum Sturm auf die Al-Aksa-Moschee in Jerusalem aufgerufen. »Die Angriffe sind geplant und organisiert, ihr eigentliches Ziel ist ethnische Säuberung«, meint Mustafa Barghouti, Generalsekretär der Palästinensischen Nationalen Initiative, der als Nachfolger vom Mahmud Abbas gehandelt wurde.

    Zwar gibt es mit dem Tod eines 14jährigen israelischen Hirtenjungen aus der zionistischen Siedleraußenposten Malachi Hashalom in der Nähe von Ramallah, der mutmaßlich von Palästinensern ermordet wurde (der israelische Geheimdienst Schin Bet ermittelt noch), einen Anlass für die Eskalation, doch seit die ultrarechte Netanjahu-Regierung mit Beteiligung von fanatischen Kahanisten an der Macht ist, findet eine Entgrenzung der Siedlergewalt statt.

    In Turmus Ayya gebe es wöchentlich Zwischenfälle, erklärte Lafe Shalapy, Bürgermeister des Dorfes im Interview mit jW. So hatte am 21. Juni 2023 ein Mob – den Anhängern der berüchtigten »Hügeljugend« zugerechneten – von 300 bis 400 Rechtsradikalen aus der benachbarten Siedlung Schilo 30 Häuser niedergebrannt, 60 Fahrzeuge abgefackelt, einen Mann erschossen und weitere 15 Bewohner verletzt. Er habe die zuständige israelische Polizei und Armee aufgefordert, die Gewalt zu stoppen. Aber statt die Zivilisten zu beschützen, hätten die Soldaten die Zufahrtswege blockiert und die Ambulanz und Feuerwehr an der Durchfahrt gehindert, so Shalapy. »Sie wollen uns das ganze Land wegnehmen, um darauf ihre Häuser zu bauen und Schilo auszuweiten.«

    Am Sonntag nachmittag waren noch einige Dörfer von der Armee eingeschlossen. Die Siedlerbanden haben sich aber weitgehend zurückgezogen. »Das ist nur vorübergehend wegen des Drohnen- und Raketenangriffs aus dem Iran«, so die Einschätzung von Nasser Sharayaa, Generaldirektor des Exekutivbüros des Volkskomitees für Flüchtlinge gegenüber jW. »Die Lage ist nach wie vor schlimm.«

    #Israël #Jordanie #Palestine #terrorisme #colons

  • Le prolétariat n’a plus de parti.
    https://www.deanreed.de/AmericanRebel/ml/abschiedsbrief-von-hans-modrow

    Vous cherchez à comprende les raisons pour le déclin du parti Die Linke ? Voilà une partie de la dernière Lettre de Hans Modrow.

    Auch wenn deren Zustand im steten Wandel begriffen ist, ändert sich der Charakter der Klassengesellschaft nicht. Lautmalerei, Anglizismen und Gendern oder der Kampf gegen die Klimakatastrophe überwinden die sozialen Gegensätze in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft nicht. Das vermeintliche Verschwinden des Industrieproletariats hat doch die Arbeiterklasse nicht ausgelöscht. Die Sozialforschung spricht inzwischen vom Dienstleistungsproletariat, und meint jene abhängig Beschäftigten, die für wenig Geld arbeiten müssen, um zu existieren: Krankenschwestern und Pfleger, Verkäuferinnen im Supermarkt und Außendienstmitarbeiter in Logistikunternehmen, Angestellte bei der Post, im Handel, in der Gastronomie und im Tourismus und so weiter. Sie machen laut jüngsten Untersuchungen inzwischen bis zu 60 Prozent der Beschäftigten aus und sind kaum gewerkschaftlich organisiert. Sie sind ebenso Arbeiterklasse wie die etwa 18 Prozent in Industriebetrieben Tätigen. Diese nahezu vier Fünftel der Gesellschaft kommen in der Wahrnehmung unserer Partei kaum vor. Es ist ja keine Klasse, keine Mehrheit, nur eine Randerscheinung …

    #Allemagne #gauche

  • Ostfrau erster Generation: Selbstbewusst zwischen Traumberuf, Kindern und Karrieremann
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/ostfrau-erster-generation-selbstbewusst-zwischen-traumberuf-kindern


    September 1984: Fidel Castro plaudert privat mit Konrad „Konni“ Naumann (l.). Fidel redet und redet. Irmingart Lemke (r.) dolmetscht und folgt dem Comandante bis in die Fingerbewegung.


    Irmingart Lemke als Sprachmittlerin zwischen Luis Corvalán (l.) und Erich Honecker

    14.4.2024 Maritta Adam-Tkalec - Wie die Dolmetscherin Irmingart Lemke den Dreikampf des Lebens bewältigte und wie sie Männer wie Fidel Castro und Erich Honecker erlebte.

    Ein Mädchen aus Bülzig macht 1955 Abitur in Wittenberg, und anstatt risikoarm und ortsverhaftet Lehrerin zu werden, erhält sie unerwartet die Chance, Spanisch und Englisch zu studieren statt Russisch. 20 Jahre später erklimmt sie die Höhen des Dolmetscherfachs. Sie übersetzt offizielle und – viel interessanter – informelle Treffen mit Fidel Castro und DDR-Spitzenpolitikern. Sie weiß von Erich Honecker und seiner Frau Margot, der DDR-Bildungsministerin, aus dem Nähkästchen zu plaudern.

    Viele Delegationen hat sie auf Reisen ins sozialistische Kuba, nach Spanien und Lateinamerika als Dolmetscherin begleitet – ein Traum für eine junge Frau aus der DDR. Aber sie war eben einfach gut in ihrem Fach.

    Irmingart Lemke, geboren 1937, hat neben dem anspruchsvollen Beruf eine Tochter und einen Sohn großgezogen und den Haushalt für einen ebenso viel beschäftigten wie viel abwesenden Mann bewältigt, einen passionierten Außenhändler, der in den letzten DDR-Jahren zum stellvertretenden Außenhandelsminister aufgestiegen war. Eine Ostfrau der ersten Generation. Wie hat sie das gemacht? War das eher Last oder mehr Lust? Und was hat sie von den Begegnungen mit charismatischen Welt-Persönlichkeiten wie Fidel zu erzählen?
    Fidel Castro privat: Wie der Comandante ein Nashorn erledigte

    Ihre Lieblingsgeschichte bestätigt, was man über den kubanischen Revolutionsführer, Partei-, Staats- und Regierungschef Kubas so hörte. Sie geht so: Konrad Naumann, Konni, volkstümlicher SED-Parteisekretär der DDR-Hauptstadt, reiste vom 6. bis zum 14. September 1984 nach Havanna, Irmingart Lemke an seiner Seite. Sein Gegenüber war der Bürgermeister Havannas, aber: „Keiner durfte heimkommen, ohne nicht wenigstens einen kurzen Termin bei Fidel Castro nachweisen zu können, sonst galt die Reise als nicht richtig erfolgreich“, erinnert sich die Dolmetscherin.

    „Soll der Mann im Haushalt helfen?“

    Tatsächlich hatte Konrad Naumann seinen offiziellen Termin beim Revolutionsidol in dessen Palast der Revolution; man redete unter anderem über den Nato-Raketenbeschluss: „Konni Naumann tat so, als wisse er viel mehr als andere über die Stationierung; Fidel wusste gar nichts.“

    Am späten Abend rollte eine Autokolonne vor die Residenz der DDR-Delegation. Ins Haus trat der bärtige Comandante sehr entspannt in seiner Arbeitskleidung, der grünen Uniform. Er wolle mehr erfahren, sagte er, um dann unablässig selbst zu sprechen. Er lud alle – auch das Küchenpersonal – zum Zuhören ein.

    Irmingart Lemke hat unter die Bilder in ihrem Fotoalbum geschrieben: „Er redete und redete“ – über die Vorbereitung der Expedition mit der „Granma“ (das Schiff, das die ersten 82 kubanischen Kämpfer 1952 von Mexiko nach Kuba brachte) und wie sie die Gewehre besorgt hatten. Oder die Macho-Schnurre à la Hemingway von einem Nashorn, das beim Umzug des Zoos von Havanna vom Auto gesprungen war und er, der Comandante en jefe, das Tier persönlich „erledigte“. Angeregt plauderte Fidel über Treibjagden, die der damalige sowjetische Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow für ihn organisierte oder über das Gämsenschießen in der ČSSR.

    Die Dolmetscherin hatte zu tun. Man muss eine sehr strapazierfähige Stimme haben in diesem Beruf und eine noch stabilere Konzentration – zumal beim Simultandolmetschen. Drei Stunden ging das so, Fidel immer die Havanna-Zigarre in der Hand. Dann stand er auf und teilte gut gelaunt mit, er habe sich „wunderbar entspannt im Kreise von Freunden gefühlt“.

    Irmingart Lemke war schwer beeindruckt: „Er war enorm locker, natürlich auch ein Selbstdarsteller, aber man konnte sich der Ausstrahlung nicht entziehen.“ Und sie war stolz, dass Fidel sie als Dolmetscherin zugelassen und nicht den mitgebrachten eigenen gewählt hatte. Im Nachhinein wertet sie Fidel als tragische Persönlichkeit mit historischer Bedeutung, die ihr Leben lang für die Verwirklichung einer Vision gekämpft habe, die sie wohl im hohen Alter selber als „so, wie versucht, nicht realisierbar“ erkannt habe.

    Aber zurück zu den Anfängen. Die Geburt der Tochter, ein ungeplantes Kind, bremste zunächst den Start in den Beruf. Anfang der 1960er stand den Paaren die Pille noch nicht zur Verfügung, die kam 1965. Auch Krippen waren selten. „Da saß ich mit dem Kind zu Hause und sah jeden Morgen Frauen und Männer zur Arbeit gehen.“ Sie empfand das als eine harte Zeit: „Ich hatte die Ausbildung, ich wollte arbeiten. Der Wunsch hat uns – ohne jede Ideologie – geprägt“, erinnert sie sich: „Wir waren eben eine neue Generation.“ Der Beruf als Dolmetscherin – als Dienstleisterin – habe perfekt zu ihrem Charakter gepasst.
    Wie die DDR „eigentlich alles“ an Kuba verschenkte

    Sie hatte allerdings zu jener Zeit schon eine erste, zum Süchtigwerden taugende Erfahrung: An ihrem ersten Arbeitsplatz, einem Außenhandelsbetrieb, waren 1960, kurz nach der Revolution, die ersten Kubaner aufgetaucht und baten um Hilfe. Die Berufsanfängerin wurde zum Dolmetschen in den Bereich Feinmechanik-Optik gebeten („Da saß mein späterer Mann und hat mich umgehend abends zum Essen eingeladen“) und kurz darauf ging es mit einer Gruppe von Ingenieuren und Händlern (darunter ihr späterer Mann) nach Kuba –„ein absolutes Wunder“, sagt sie.

    Was für Wege man damals flog! Über Amsterdam, die kapverdische Insel Sal und das karibische Curaçao nach Havanna. Sie erlebte, wie die DDR an das junge Kuba „eigentlich alles verschenkte“: Straßenbaumaschinen, Krankenhausausrüstung, Zusagen auf Kredit. Mit hochfliegenden Gefühlen spazierte sie durch Havanna, ihre erste große Stadt außerhalb der Heimat. Auf der Treppe der Uni hörte sie die flammende Rede eines jungen Mannes: „Ich hatte keine Ahnung, dass das Fidel Castro war.“

    Dann saß sie wieder im Ost-Berliner Büro, übersetzte „brav und mühsam mit Wörterbuch, jede Seite maschinengetippt, drei Durchschläge mit Blaupapier“. Das Kind kam, sie fand, es war zu früh. Der wenig geliebte Ausweg: „Was man heute Homeoffice nennt und damals Heimarbeit hieß.“ Ein Kollege brachte zu übersetzendes Material in die AWG-Neubauwohnung in Friedrichsfelde und holte es fertig wieder ab. Etwa vier Jahre lang ging das so. Das Kind saß neben ihr im Ställchen. „Das war Stress.“

    Hat sie mit ihrer Situation gehadert? „Ja, ich dachte schon, dass ich gerade zu kurz komme.“ Und dann kam „der Lichtblick“: Gamal Abdel Nasser, der erste Präsident des unabhängigen Ägyptens, hatte DDR-Chef Walter Ulbricht eingeladen. Es ging um Handelsverträge. So reiste Irmingart Lemke im Februar 1965 nach Kairo und übersetzte auf der Reiseschreibmaschine. Sie sah die Pyramiden – Ulbricht und Nasser leider nicht.

    Angesichts der zweiten Schwangerschaft und der Perspektive, weiter zu Hause zu hocken, beschloss sie: „So geht’s nicht weiter.“ Sie drängte ihren Mann, der eine Karriere in seinem Betrieb in Aussicht hatte, für beide „was im Ausland“ zu suchen. Wo man Spanisch spricht, das konnte der Außenhändlergatte nämlich auch ganz ordentlich.
    Ausnahmeleben in Havanna

    So kam er als Handelsattaché nach Kuba und sie als fest angestellte Mitarbeiterin der Dolmetscherabteilung des Außenhandelsministeriums. Die vierjährige Tochter ging in den deutschen Kindergarten, das sechs Monate alte Baby wurde in die Obhut einer jungen Kubanerin gegeben. „Sie war den ganzen Tag bei uns, gewissermaßen eine Haushälterin, froh über den Verdienst. Ein unglaublicher Luxus.“

    War es schwer, den Mann zu überzeugen, seiner Frau zuliebe die Laufbahn zu ändern? „Das hat gedauert“, sagt sie, „aber letztlich hat er positiv reagiert.“ Eine partnerschaftlich getroffene Entscheidung. 1965 – das war zwölf Jahre, bevor in der Bundesrepublik das Gesetz aufgehoben wurde, das Frauen die Arbeitsaufnahme nur nach Genehmigung durch den Gatten erlaubte.

    Freundschaften und Spannungen bei Intertext

    Als wunderbare Zeit erlebte sie die Jahre in Havanna, nur dass sie sich immer wieder für Empfänge schick aufbrezeln musste: „Das war nicht mein Ding.“ Fotos zeigen die junge Irmingart Lemke mit einer feschen blonden Kurzhaarfrisur, eine attraktive, sportliche Frau. Offenkundig aufs Praktische orientiert.

    Nach drei Jahren folgte der Ehemann einem Ruf in sein künftiges Ministerium. Sie landete beim parteieigenen Sprachmittlerbetrieb Intertext, Anfang der 1970er wurde die Abteilung Auslandsinformation geschaffen, für alle Weltsprachen. Ihr unterstanden 15 bis 20 Leute der Spanischgruppe, darunter Muttersprachler, ins DDR-Exil geflüchtete Chilenen zum Beispiel. „Da entstanden viele Freundschaften“, sagt die damalige Gruppenleiterin. Spannungen habe es allerdings auch gegeben – zwischen jenen, die reisen durften, und den anderen.

    Jetzt begann das Dolmetschen auf politischer Ebene: Damals kamen viele Persönlichkeiten aus Lateinamerika in die DDR, Menschen wie Luis Corvalán, Generalsekretär der KP Chiles, nach langer Haft in Pinochets Gefängnis freigekämpft, und seine Frau Lily oder Rodney Arismendi, Chef der KP Uruguays, „ein Intellektueller, beeindruckend“. Etwa 40 Gespräche dieser Kategorie mit Erich Honecker hat Irmingart Lemke gedolmetscht.

    Wie war das mit Erich Honecker? „Eine sehr einfache Sprache, meist Floskel an Floskel, leicht zu übersetzen, aber langweilig.“ Sie hat den Mann, der mehr als zwei Jahrzehnte die Geschicke der DDR bestimmte, als höflichen, aber sehr steifen Menschen erlebt, der, so vermutet sie, seinen Mangel an Bildung und die folglich „dünne Sprache“ durch Förmlichkeit überspielte.

    Die beiden Kinder waren inzwischen als Teenager selbstständig genug und ganz froh, dass nicht ständig einer zu Hause war. Beklagt hätten sie sich nie, nur der Sohn habe dem Vater mal vorgeworfen, er sei zu wenig da. „Sie haben sich beizeiten ein eigenes Leben gebaut.“ Doch der Haushalt klebte im Wesentlichen und recht traditionell an der Frau: „Wenn ich eine Woche auf Reisen war, füllte sich der Wäschekorb, da wurde nur das Allernötigste gemacht.“ Aber die Kinder profitierten auch von den Reisen der Mutter. Die sparte sich nämlich das zur Verpflegung gedachte Tagegeld (in Devisen) vom Munde ab und brachte begehrte Schallplatten oder schicke Klamotten mit.

    Jetzt ist Irmingart Lemke 86 Jahre alt, pflegt den Garten um das Häuschen in einem Berliner Vorort. Der Sohn ist ein erfolgreicher CEO, die Tochter lebt in Chile, deren Tochter bereitet sich auf ein Informatik-Studium in Potsdam vor. Die frühere Dolmetscherin hat ihre Erinnerungen in Alben geordnet. Wie oft wohl ihr blonder Schopf neben den Männern auf der Seite 1 des Neuen Deutschland war – und damit auch in der Berliner Zeitung? Natürlich ohne Namensnennung – wer kennt schon die Dolmetscher? Immerhin verdiente sie sich den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze (1987) und den Orden Banner der Arbeit Stufe III (1984). Diese Information muss man im Archiv suchen, ihr selbst ist das nicht der Rede wert.

    Zu Besuch bei Honeckers in Chile

    Als die Lemkes nach der Wende regelmäßig zur Tochter nach Chile flogen, besuchten sie dort auch die Honeckers. Irmingart hatte auch für die als arrogant geltende Margot gearbeitet, sie zum Beispiel nach Nicaragua begleitet. Im persönlichen Umgang sei sie gar nicht hochnäsig gewesen, aber bis zum Schluss vom bevorstehenden Sieg des Kommunismus überzeugt.

    Beim ersten Besuch in dem kleinen Häuschen in Santiago lebte Erich Honecker noch: „Er kam im eleganten Morgenmantel herbei und scherzte, er bekäme mehr Rente als seine Frau, weil er ja schon als 14-Jähriger gearbeitet habe.“ Er sei freundlich, aber kühl und unpersönlich geblieben, auch im Umgang mit den Chilenen, denen er doch eigentlich nahestand. Die Margot, so berichtet die Besucherin, sei ihrem Enkel eine gute Oma gewesen.

    Rückblickend sagt Irmingart Lemke: „Ich bin meinem Mann und seiner beruflichen Entwicklung gefolgt“, allerdings mit wachsendem Selbstbewusstsein. In der nächsten Generation gab es Pille, Krippen, Kindergärten; qualifizierte Frauen waren keine Seltenheit mehr. Aber sie führten dieselben Diskussionen. Heutige Paare handeln ihr Leben mit größerer Selbstverständlichkeit aus: Wer steckt wann zurück, wer bringt den Müll runter, wer geht zum Elternabend? Die Ergebnisse des Aushandelns haben sich zugunsten der Frauen verschoben. Hoffen wir mal.

    #DDR #Cuba #Chili #histoire #femmes #socialisme #langues

  • Yanis Varoufakis: „Wir sind verantwortlich für die Niederlage der Linken“
    https://www.fr.de/politik/yanis-varoufakis-interview-niederlage-linke-deutschland-israel-ukraine-krieg-isra

    4.4.2024, von: Baha Kirlidokme -Der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis spricht über das Ende der Sozialdemokratie, den Zustand der EU und Frieden in der Welt.

    Herr Varoufakis, wir befinden uns in einer Zeit der großen Unordnung. Auf zahlreiche Krisen findet scheinbar niemand Antworten. Auch die politische Linke tut sich schwer, mit ihren Lösungsansätzen zu überzeugen. Woran liegt das?

    Erlauben Sie mir zu sagen, dass das Problem meiner Meinung nach darin besteht, dass die Leute keine Ideen mehr hören wollen. Nicht nur die Ideen der Linken. Die Rechte ist erfolgreich, weil die Menschen wütend sind – und die Rechten profitieren immer von der Wut der Menschen. Wir haben also eine Niederlage der Politik, nicht nur eine Niederlage der Linken. Die Linke ist sowieso völlig besiegt. Den Rechten geht es gut, weil die Menschen auf ihre Ideen hören. Niemand glaubt mehr an die Politiker. Auch nur sehr wenige AfD-Wähler glauben an die AfD. Viele von ihnen möchten das politische Establishment ärgern.

    Das ist auch in den USA zu beobachten. Die meisten Menschen, die für Trump gestimmt haben, glauben nicht an Trump. Sie wissen, dass er ein Lügner ist. Er ist ein Sexist. Er gibt vor, Christ zu sein, ist es aber nicht. Er gibt vor, schwulenfeindlich zu sein, ist es aber nicht. Aber seine Wähler:innen dachten sich „Okay, wie kann ich den Clintons, den Obamas, den Bushs, dem Establishment ans Bein pinkeln?“

    Welche Zusammenhänge spielen hier zusammen?

    Ich erinnere mich an den Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008. Ich habe die ganze Sache kommen sehen. Nicht weil ich schlau bin, sondern weil es schon einmal passiert ist. Dieser Moment war wie 1929. Die Weltordnung brach zusammen. Das war nicht nur eine Krise des Kapitalismus, es war eine Katastrophe des Kapitalismus. Wir hatten auch 1981 eine Rezession, oder 1991. Aber was geschah nach 1929? Sparpolitik und der Versuch, die Verluste der Banker auf die Schultern der Arbeiterklasse abzuwälzen. Dazu kam eine Spaltung der Linken, zwischen den Sozialdemokraten, den Kommunisten und anderen. Wer hat profitiert? Die Faschisten. Ich habe ein Buch darüber geschrieben, lange bevor es passierte.

    Nicht weil ich prophetisch bin, sondern weil man, wenn man einen Film einmal gesehen hat und dann einen neuen Film mit demselben Anfang sieht, wissen sollte, wohin es geht. Wir hatten 2015 mit Syriza die Gelegenheit in Griechenland, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Dort war das Auge des Sturms. Was, wenn wir Erfolg gehabt hätten? Dann wäre Podemos anders gewesen. In Frankreich wäre es anders gelaufen. Aber wir sind mit Syriza gescheitert, wir sind verantwortlich für die Niederlage der Linken in ganz Europa.

    Viele linke oder vermeintlich linke Parteien werden derzeit wirtschaftsliberaler. Syriza hat einen Kapitalisten als Parteichef, die Labour Party hat sich von Corbyns Linksruck verabschiedet. Für manche wird die deutsche Linkspartei immer sozialdemokratischer und die SPD immer rechter. Das gab es schon in den 1990er Jahren und frühen 2000ern, Stichwort Schröder-Blair-Papier. Warum lernen diese Parteien nicht aus der Geschichte?

    Sie lernen aus zwei Gründen nicht aus der Geschichte. Erstens, weil Parteien keine Menschen sind. Sie sind Organisationen mit Macht. Wenn man in einer Welt lebt, in der die Macht sehr geballt ist, ist es für Parteien einfach, von der Agenda der Wenigen, der Oligarchie, infiziert zu werden. Und wenn man jemanden wie mich oder Jeremy Corbyn hat, die gegen die Vertreter der Oligarchie in der eigenen Partei aufstehen, können letztere nur ein Ziel haben, nämlich uns zu stürzen. Sie ziehen den rechten Flügel dem linken Flügel vor. Und wie man sieht hat das ziemlich gut funktioniert.
    Zur Person

    Yanis Varoufakis (63) ist griechischer Ökonom und ehemaliger Politiker. Während der Finanzkrise Griechenlands war er von Januar bis Juni 2015 Finanzminister. Aufgrund seines Widerstands gegen die Troika bekam er besonders in Deutschland Aufmerksamkeit.

    Im Jahr 2016 gründete Varoufakis die paneuropäische Bewegung DiEM25. Mit ihrer Partei MERA25 zog er 2019 ins griechische Parlament ein. Beim deutschen Ableger der Partei war er Spitzenkandidat für die EU-Wahl. Auch dieses Jahr tritt MERA25 an. kbi

    Und der zweite Grund?

    Der geht viel tiefer: Die Sozialdemokratie ist am Ende. Grund ist die Art und Weise, wie sich der Kapitalismus entwickelt hat. Als Willy Brandt regierte, oder Harold Wilson zur selben Zeit in Großbritannien, oder Bruno Kreisky in Österreich, war ihre Aufgabe, sich mit den Vertretern des industriellen Kapitals und den Gewerkschaften an einen großen Tisch zu setzen und einen Deal zu machen. Ein Teil des Mehrwerts wird an die Arbeiter:innen gehen, ein weiterer Teil geht an mich, an den Staat, um den Sozialstaat zu finanzieren. Das war die Sozialdemokratie und sie hat sogar ganz gut funktioniert.

    Dann, nach 1971, kam das Ende von der Bretton-Woods-Währungsordnung, und die Entfesselung des Finanzkapitals, die Macht wanderte vom industriellen Wirtschaftszweig zum Finanzzweig. Die Sozialdemokraten in Form von Blair und Schröder machten jetzt also Deals mit den Bankern, statt mit Industrie und Gewerkschaften. Das bedeutete, dass man die Finanzwirtschaft in Ruhe ließ und sagte, macht, was ihr wollt, es gibt keine Vorschriften. Im Gegenzug gebt ihr uns einen Teil eures Supergewinns, um Krankenhäuser zu finanzieren.

    Genau das hat Schröder getan. Genau das hat Blair getan. Doch dann brach das Bankensystem zusammen. Und die Sozialdemokraten verstanden nicht, was passiert war. Sie verfügten nicht über die analytischen Fähigkeiten, um zu verstehen, dass es ihre Schuld war. Außerdem hatten sie nicht die moralische Autorität, um den Bankern zu sagen: Ihr seid raus. Denn diese Banker finanzierten nicht nur die Krankenhäuser, sondern auch ihre Karrieren.

    Geht Sahra Wagenknecht deshalb mit ihrer Partei BSW einen anderen Weg? Auf der einen Seite gibt es klassische marxistische Werte...

    Nicht marxistisch, nein.

    Sagen wir also links.

    Eher altmodisch sozialdemokratisch liberal.

    Die BSW präsentiert sich als Kontrast zu anderen Parteien und betonen, sie würden Dialog und Frieden hochhalten. Das bewerten viele erst einmal als links.

    Als Linker bin ich davon nicht beeindruckt.

    Die Kombination aus Fokus auf den Mittelstand und rechten Ansichten, etwa wenn es um Migration geht, scheint aber zu funktionieren. Warum?

    Weil sie rechtslastig ist.

    Ist das nicht zu einfach?

    Weil es Nationalismus ist. Der sozialistische Nationalismus war nie eine gute Antwort auf den Nationalsozialismus.
    Yanis Varoufakis hat „die Hoffnung verloren“ - „ich habe große Angst um Europas Zukunft“

    Lassen Sie uns über Austerität sprechen. Wir haben gesehen, was Deutschland in Südeuropa mit einer knallharten Sparpolitik angerichtet hat. Mit dem Festhalten an der Schwarzen Null sagen viele Ökonom:innen, dass Deutschland sich das nun selbst antut.

    Austerität ist eine deutsche Theorie und Politik. Sie ist, historisch gesehen, eine sozialdemokratische. Und ich erinnere mich, dass Steinbrück damals als Finanzminister sagte, er müsste als Demokrat Sparmaßnahmen durchsetzen. Doch auf diese Weise lässt sich kein finanzieller Spielraum für die Politik schaffen. Aus makroökonomischer Sicht ist das falsch und unzutreffend. Austerität hat noch nie funktioniert und wird auch nie funktionieren. Eher lernen Schweine fliegen.

    Nun hat Ihre paneuropäische Partei MERA25 genug Unterschriften gesammelt, um bei der EU-Wahl anzutreten. Deshalb der Blick auf die politischen Mechanismen der EU: Könnte ein ökonomisch schwächeres Deutschland, auch wenn das der deutschen Bevölkerung nicht zu wünschen ist, das EU-Parlament, den Rat und die Kommission nicht sogar demokratisieren? Deutschlands Machtposition kommt eben auch durch seine Wirtschaftskraft.

    Nein. Ich habe die Hoffnung verloren. Als ich in der Regierung war, gab es in Europa ein Nord-Süd-Gefälle. Jetzt gibt es zusätzlich ein Ost-West-Gefälle. Sehen Sie, die Eurokrise war eine fantastische Gelegenheit für uns alle auf dem Weg zu einer politischen Union. Wir haben diese Gelegenheit aber nicht genutzt. Stattdessen haben wir einen Prozess der Zersplitterung in Gang gesetzt und dieser erlaubt niemals eine Demokratisierung. Jeder macht sein eigenes Ding.

    Der Binnenmarkt ist bereits verschwunden. Schon jetzt werden die Regeln für staatliche Beihilfen in vollem Umfang verletzt. Und dann gibt es noch die reichen Länder wie Deutschland, die Geld vernichten, Subventionen, die gegen die Regeln des Binnenmarktes verstoßen, gegen staatliche Beihilfen, dem Länder wie Portugal in gewisser Weise gefolgt sind. Das führt nicht zu einer Demokratisierung. Ich hoffe, ich liege falsch, aber ich habe große Angst um Europas Zukunft.

    Es regen sich auch Zeichen von Widerstand. In Deutschland demonstrieren immer noch tausende Menschen gegen rechte Politik. Mit dabei auch CDU und die Regierungsparteien, die aufgrund ihrer Politik für den Rechtsruck mitverantwortlich gemacht werden. Wie beurteilen Sie das?

    Die Regierungsparteien haben den Rechtsruck geschaffen. Ich erinnere mich, dass ich Schäuble damals gesagt habe: „Ich weiß, dass ihr uns nicht mögt, weil wir Linke sind. Aber wir sind Demokrat:innen und wir sind Europäer:innen. Wenn ihr uns zerquetscht, habt ihr es mit anti-europäischen Rechten zu tun.“ Er sah mich an, als ob ich ihn veräppeln wollte. Aber genau das ist eingetroffen. Die Geschichte der 30er Jahre wiederholt sich.

    Aber eine Bemerkung zu diesen Demonstrationen gegen Rechts: Ich bin froh, dass die Menschen sofort auf die Straße gegangen sind, als sie hörten, dass es ein geheimes Treffen gab zwischen der AfD und den anderen Mistkerlen … äh … Gruppen, in dem die Beseitigung von Bürgern mit Migrationshintergrund geplant wurde. Aber wie kann ein Teil von den Demonstrierenden gleichzeitig die ethnische Säuberung durch Israel unterstützen? Hier werden die Einheimischen deportiert, aus dem Land Palästina.

    Viele Deutsche würden dem nicht zustimmen.

    Die Palästinenser:innen sind Einheimische. Sie sind nicht erst vor 20 Jahren gekommen und haben sich ihren Pass geholt. Viele Deutsche wissen das gar nicht? Ich glaube nicht, dass sie nicht wissen, dass die Palästinenser:innen seit tausend Jahren dort sind. Und jetzt werden sie von Siedler:innen vertrieben, die aus New Jersey stammen.

    Varoufakis steht für seine Aussage, er verurteile weder die Hamas, noch israelische Siedler oder Benjamin Netanjahu, sondern Europäer:innen als Verantwortliche für den Nahostkonflikt (FR berichtete) in der Kritik. Auch in diesem Interview verwendet er kontrovers diskutierte Begriffe.

    Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat nach einer Klage Südafrikas festgestellt, dass er Anzeichen für einen mögichen Genozid beziehungsweise ethnische Säuberungen in Gaza sieht. Diese Ansicht wird nicht allgemein geteilt. Die israelische Regierung sieht darin eine antisemitische Haltung.

    Die Bezeichnung von Israels Ungleichbehandlung palästinensischer Menschen als „Apartheid“ ist umstritten und bezieht sich auf ungleiche Rechtssysteme vor allem im Westjordanland.

    Die Formulierung „from the river to the sea, Palestine will be free“ zu deutsch „vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein“ wird mit Vernichtungserzählungen der Hamas in Verbindung gebracht. Die Parole gilt seit dem Hamasangriff vom 7. Oktober in manchen Orten als strafbar. Schon in den in den 1960ern wurde sie von der Partei „Palästinensische Befreiungsorganisation“ verwendet.

    Mit der Parole drücken manche einen Exklusiv-Anspruch der palästinensischen Menschen auf das Gebiet aus, aber auch auf einen gemeinsamen Staat für Israelis und Palästinenser:innen, welcher durch das Völkerrecht gedeckt wäre. Die rechts- konservative Likud-Partei des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu lehnte sich im Wahlkampf von 1977 an diese Formulierung an, als Unterstreichung eines Großisraels, das sich vom Jordan bis hin zum Mittelmeer erstreckt. FR

    Wie könnte eine Lösung für den Krieg gegen Gaza aussehen?

    Wie wäre es mit der Beendigung der Apartheid? Ich war 1978 Mitglied des African National Congress. Wer hat die Apartheid in Südafrika beendet? Die internationale Gemeinschaft. Als einige von uns in London gegen die Apartheid demonstrierten, wurden wir von der Polizei verprügelt. Wir hatten einen Premierminister, der behauptete, Mandela sei ein Terrorist. Was wir damals gegen die Apartheid in Südafrika gemacht haben, war Boykott, Desinvestition und Sanktionierung.

    Das müssen wir auch gegen Israel betreiben. Die internationale Gemeinschaft kann den Israelis und Palästinenser:innen nicht sagen, wie ihr Staat aussehen soll. Das ist deren Aufgabe. Aber es ist unsere Aufgabe, für Gleichberechtigung einzutreten. Vom Fluss bis zum Meer. Ob es dann ein Staat ist, zwei Staaten, sechs oder ein halber Staat, werden die Menschen dort entscheiden müssen.
    Ein Dialog zwischen Kriegstreibern und Waffenhändlern - Varoufakis wirbt für Friedensbemühungen

    Im Februar haben Sie in München gegen die Sicherheitskonferenz protestiert. Am selben Wochenende haben Sie gesagt, dass der Dialog in der Außenpolitik nicht abreißen darf. Nun fanden zum Krieg gegen Gaza Dialoge auf der Konferenz statt, wenn auch hinter verschlossenen Türen.

    Erinnern Sie sich an die Scorsese-Filme über die Mafia in New York? Sie treffen sich, sie geben ihre Waffen am Eingang ab, sie sitzen alle an einem Tisch, essen Pasta und unterhalten sich. Das ist ein Dialog. Aber ein Dialog unter Mafiosi. So sieht es auch auf der Münchener Sicherheitskonferenz aus. Es ist ein Dialog zwischen Kriegstreibern und Waffenhändlern. Und ich bin nicht daran interessiert, denen zuzuhören, wie sie versuchen, ihren Begriff der Sicherheit zu verkaufen, nachdem sie die Kriege erst verursacht haben. Genau wie die Mafia.

    Die Mafia schafft eine Bedrohung und bietet den Menschen dann ihren Schutz an. So wie die Nato. Die Nato hat Europa nichts zu bieten außer wirtschaftlichem Niedergang, geopolitischer Bedeutungslosigkeit und Unterordnung unter den Vereinigten Staaten und ihrer endlosen Kriege.

    Für einige Länder ist die Nato die einzige Möglichkeit, sich geschützt zu fühlen.

    Nun, ich habe meinen Genoss:innen in Polen und Litauen Folgendes gesagt: Ich verstehe, dass ihr unter den Stiefeln der russischen Soldaten, der sowjetischen Soldaten, gelebt habt. Aber wer hat Putin geschaffen? Putin ist eine Schöpfung des Westens. Ohne die Verelendung und Verarmung Russlands durch den Westen wäre Russland nach 1991 nicht zusammengebrochen. Und die russische politische Klasse unter Jelzin hatte kein Interesse mehr an einem Rüstungswettlauf mit dem Westen. Sie war dem Westen gegenüber völlig offen. Putin selbst hat in den ersten Monaten seiner Präsidentschaft vorgeschlagen, dass Russland der Nato beitritt.

    Und was macht die Nato? Sie sagt Nein und fängt an, zunehmend expansionistisch zu werden. Das gibt jemandem wie Putin die perfekte Gelegenheit, Alarmbereitschaft und Militarismus zu propagieren, aufzurüsten und dann eine Bedrohung für Polen und Litauen darzustellen. Die Nato hat die Bedrohung geschaffen, die sie nachts um den Schlaf bringt. Und sie wird diese Bedrohung nicht beseitigen. Denn es liegt im Interesse derjenigen, die hinter der Nato stehen, diese Bedrohung auf dem höchsten Niveau zu halten. Wenn sie aber Putin so sehr hassen wie ich, wissen Sie, was sie tun sollten? Schließen Sie mit ihm ein Abkommen über den Frieden in der Ukraine.

    Wie würde das aussehen?

    Putin erklärt sich bereit, seine Truppen bis hinter die Grenzen vom 22. Februar 2022 zurückzuziehen. Zurück zurzeit vor dieser Invasion. Gleichzeitig gibt es ein internationales Abkommen, das die Unabhängigkeit und Souveränität der Ukraine gewährleistet und Putin verspricht, dass die Ukraine nicht der Nato beitreten wird. Man muss dafür China als Garant dabei haben. Man braucht die Europäische Union. Und die Vereinigten Staaten, denn natürlich kann man Putin nicht trauen. Putin braucht etwas, um sich in Russland als Sieger zu präsentieren. So könnte er sagen: Ich bin einmarschiert und habe die Zusage bekommen, dass die Ukraine nicht Teil der Nato wird. Der Donbass ist allerdings kompliziert. Ich habe dort Menschen getroffen, die sich als Ukrainer:innen sehen und Menschen, die sich als Russ:innen sehen. In den 1970er- und 80er-Jahren war das in Nordirland ähnlich.

    Es schien unmöglich, dass sich Protestant:innen und Katholik:innen einigten. Am Ende gab es das Karfreitagsabkommen. Das könnte für den Donbass eine Blaupause sein. Das System ist sehr umständlich und schafft Probleme, aber es funktioniert. Das ist eine gute Alternative zu Krieg oder ethnischer Säuberung. Unter diesen Bedingungen sollten die Ukrainer:innen in einem Referendum abstimmen, ob sie der EU beitreten wollen. Die Frage nach der Zugehörigkeit der Krim soll über die kommenden 500 Jahre in den Vereinten Nationen erörtert werden. Das wäre doch die pragmatischste Lösung, oder?

    Zumindest in der Theorie klingt das so. Aber woran scheitert der Dialog?

    Ich denke, die Antwort ist ganz einfach: Washington will das nicht. Wenn jemand zu mir sagt, aber Putin würde dem nicht zustimmen. Wissen Sie, was ich sagen würde? Haben Sie es ihm schon vorgeschlagen? Was haben Sie zu verlieren? Ich kann nicht garantieren, dass Putin dem zustimmen würde. Ich weiß es nicht. Aber ich sehe es als Pflicht an, es zu probieren. Und wenn er ablehnt, können wir wieder an das Reißbrett gehen.

    #Grèce #Europe #gauche

  • The Speech That Got Me Banned From Germany
    https://jacobin.com/2024/04/yanis-varoufakis-germany-banned-palestine-gaza

    Ça y est, ils l’ont fait encore une fois. Après Rasmea Odeh, Khaled Barakat et d’autres militants de la cause palestinienne.c’est à l’ancien ministre des finances grec d’être interdit de séjour et déchu de son droit de libre expression par l’état allemand.

    https://seenthis.net/messages/820095

    C’est un avertissement à chacun qui voudrait se prononcer pour la fin du massacre des habitants de Gaza et pour une paix en Palestine sous des conditions différentes des idées du gouvernement d’extrême droite d’Israël. L’Allemagne fait désormais partie des états-pariah qui constituent un danger pour chaque personne ou institution qui entre en relation avec eux.

    13.4.2024 by Yanis Varoufakis - Today, Yanis Varoufakis was banned not just from visiting Germany but from participating in video conferences about politics hosted in Germany. Here’s the plea for humanity and justice in Palestine that got him banned.

    Congratulations and heartfelt thanks for being here — despite the threats, despite the ironclad police outside this venue, despite the panoply of the German press, despite the German state, despite the German political system that demonizes you for being here.

    “Why a Palestinian congress, Mr Varoufakis?” a German journalist asked me recently. Because, as Hanan Ashrawi once said, “we cannot rely on the silenced to tell us about their suffering.”

    Today, Ashrawi’s reason has grown depressingly stronger, because we cannot rely on the silenced who are also massacred and starved to tell us about the massacres and the starvation.

    But there is another reason, too: because a proud, decent people, the people of Germany, are led down a perilous road to a heartless society by being made to associate themselves with another genocide carried out in their name, with their complicity.

    I am neither Jewish nor Palestinian. But I am incredibly proud to be here among Jews and Palestinians — to blend my voice for peace and universal human rights with Jewish voices for peace and universal human rights, with Palestinian voices for peace and universal human rights. Being together here today is proof that coexistence is not only possible — but that it is here already.

    “Why not a Jewish congress, Mr Varoufakis?” the same German journalist asked me, imagining that he was being smart. I welcomed his question.

    For if a single Jew is threatened, anywhere, just because she or he is Jewish, I shall wear the Star of David on my lapel and offer my solidarity — whatever the cost, whatever it takes.

    So let’s be clear: if Jews were under attack, anywhere in the world, I would be the first to canvass for a Jewish congress in which to register our solidarity.

    Similarly, when Palestinians are massacred because they are Palestinians — under a dogma that to be dead and Palestinian, they must have been Hamas — I shall wear my keffiyeh and offer my solidarity whatever the cost, whatever it takes.

    Universal human rights are either universal or they mean nothing.

    With this in mind, I answered the German journalist’s question with a few of my own:

    Are two million Israeli Jews, who were thrown out of their homes and into an open-air prison eighty years ago, still being kept in that open-air prison, without access to the outside world, with minimal food and water, with no chance of a normal life or of traveling anywhere, while being bombed periodically for these eighty years? No.
    Are Israeli Jews being starved intentionally by an army of occupation, their children writhing on the floor, screaming from hunger? No.
    Are there thousands of Jewish injured children with no surviving parents crawling through the rubble of what used to be their homes? No.
    Are Israeli Jews being bombed by the world’s most sophisticated planes and bombs? No.
    Are Israeli Jews experiencing complete ecocide of what little land they can still call their own, with not one tree left under which they can seek shade or whose fruit they can taste? No.
    Are Israeli Jewish children killed by snipers today at the orders of a member state of the United Nations (UN)? No.
    Are Israeli Jews driven out of their homes by armed gangs today? No.
    Is Israel fighting for its existence today? No.

    If the answer to any of these questions were yes, I would be participating in a Jewish solidarity congress today.

    Today, we would have loved to have a decent, democratic, mutually respectful debate on how to bring peace and universal human rights to everyone — Jews and Palestinians, Bedouins and Christians — from the Jordan River to the Mediterranean Sea with people who think differently from us.

    Sadly, the whole of the German political system has decided not to allow this. In a joint statement including not just the CDU-CSU (Christian Democratic Union–Christian Social Union in Bavaria) and the FDP (Free Democratic Party) but also the SPD (Social Democratic Party), the Greens, and, remarkably, two leaders of Die Linke (The Left), Germany’s political spectrum joined forces to ensure that such a civilized debate, in which we may disagree agreeably, never takes place in Germany.

    I say to them: you want to silence us, to ban us, to demonize us, to accuse us. You therefore leave us with no choice but to meet your ridiculous accusations with our own rational accusations. You chose this, not us.

    You accuse us of antisemitic hatred. We accuse you of being the antisemite’s best friend by equating the right of Israel to commit war crimes with the right of Israeli Jews to defend themselves.

    You accuse us of supporting terrorism. We accuse you of equating legitimate resistance to an apartheid state with atrocities against civilians which I have always and will always condemn, whoever commits them — Palestinians, Jewish settlers, my own family, whoever. We accuse you of not recognizing the duty of the people of Gaza to tear down the wall of the open prison they have been encased in for eighty years — and of equating this act of tearing down the wall of shame, which is no more defensible than the Berlin Wall was, with acts of terror.

    You accuse us of trivializing Hamas’s October 7 terror. We accuse you of trivializing the eighty years of Israel’s ethnic cleansing of Palestinians and the erection of an ironclad apartheid system across Israel-Palestine. We accuse you of trivializing Benjamin Netanyahu’s long-term support of Hamas as a means of destroying the two-state solution that you claim to favor. We accuse you of trivializing the unprecedented terror unleashed by the Israeli army on the people of Gaza, the West Bank. and East Jerusalem.

    You accuse the organizers of today’s congress of being, and I quote, “not interested in talking about possibilities for peaceful coexistence in the Middle East against the background of the war in Gaza.” Are you serious? Have you lost your mind?

    We accuse you of supporting a German state that is, after the United States, the largest supplier of the weapons that the Netanyahu government uses to massacre Palestinians as part of a grand plan to make a two-state solution, and peaceful coexistence between Jews and Palestinians, impossible. We accuse you of never answering the pertinent question that every German must answer: How much Palestinian blood must flow before your justified guilt over the Holocaust is washed away?

    So let’s be clear: we are here in Berlin with our Palestinian congress because, unlike the German political system and the German media, we condemn genocide and war crimes regardless of who is perpetrating them. Because we oppose apartheid in the land of Israel-Palestine no matter who has the upper hand — just as we opposed apartheid in the American South or in South Africa. Because we stand for universal human rights, freedom, and equality among Jews, Palestinians, Bedouins, and Christians in the ancient land of Palestine.

    And so that we are even clearer on the questions, legitimate and malignant, that we must always be ready to answer:

    Do I condemn Hamas’ atrocities?

    I condemn every single atrocity, whoever is the perpetrator or the victim. What I do not condemn is armed resistance to an apartheid system designed as part of a slow-burning but inexorable ethnic-cleansing program. Put differently, I condemn every attack on civilians while, at the same time, I celebrate anyone who risks their life to tear down the wall.

    Is Israel not engaged in a war for its very existence?

    No, it is not. Israel is a nuclear-armed state with perhaps the most technologically advanced army in the world and the panoply of the US military machine at its back. There is no symmetry with Hamas, a group that can cause serious damage to Israelis but has no capacity whatsoever to defeat Israel’s military, or even to prevent Israel from continuing to implement the slow genocide of Palestinians under the system of Apartheid that has been erected with long-standing US and European Union support.

    Are Israelis not justified to fear that Hamas wants to exterminate them?

    Of course they are! Jews have suffered a Holocaust that was preceded by pogroms and a deep-seated antisemitism permeating Europe and the Americas for centuries. It is only natural that Israelis live in fear of a new pogrom if the Israeli army folds. However, by imposing apartheid on their neighbors and by treating them like subhumans, the Israeli state is stoking the fires of antisemitism and strengthening Palestinians and Israelis who just want to annihilate each other. In the end, its actions contribute to the awful insecurity consuming Jews in Israel and the diaspora. Apartheid against the Palestinians is the Israelis’ worst self-defense.

    What about antisemitism?

    It is always a clear and present danger. And it must be eradicated, especially amongst the ranks of the global left and the Palestinians fighting for Palestinian civil liberties around the world.

    Why don’t Palestinians pursue their objectives by peaceful means?

    They did. The PLO (Palestine Liberation Organization) recognized Israel and renounced armed struggle. And what did they get for it? Absolute humiliation and systematic ethnic cleansing. That is what nurtured Hamas and elevated it the eyes of many Palestinians as the only alternative to a slow genocide under Israel’s apartheid.

    What should be done now? What might bring Peace to Israel-Palestine?

    An immediate cease-fire.
    The release of all hostages — Hamas’s and the thousands held by Israel.
    A peace process, under the UN, supported by a commitment from the international community to end apartheid and to safeguard equal civil liberties for all.
    As for what must replace apartheid, it is up to Israelis and Palestinians to decide between the two-state solution and the solution of a single federal secular state.

    Friends, we are here because vengeance is a lazy form of grief.

    We are here to promote not vengeance but peace and coexistence across Israel-Palestine.

    We are here to tell German democrats, including our former comrades of Die Linke, that they have covered themselves in shame long enough — that two wrongs do not one right make — and that allowing Israel to get away with war crimes is not going to ameliorate the legacy of Germany’s crimes against the Jewish people.

    Beyond today’s congress, we have a duty in Germany to change the conversation. We have a duty to persuade the vast majority of decent Germans out there that universal human rights are what matters. That never again means never again for anyone. Jewish, Palestinian, Ukrainian, Russian, Yemeni, Sudanese, Rwandan — for everyone, everywhere.

    In this context, I am pleased to announce that DiEM25’s German political party MERA25 will be on the ballot paper in the European Parliament election this coming June — seeking the vote of German humanists who crave a member of European Parliament representing Germany and calling out the EU’s complicity in genocide, a complicity that is Europe’s greatest gift to the antisemites in Europe and beyond.

    I salute you all and suggest we never forget that none of us is free if one of us is in chains.

    #Allemagne #Israël #Palestine #censure

  • Nach dem Parteitag in Augsburg : Wo steht DIE LINKE ?
    https://www.sozialismus-von-unten.org/die-linke-zwischen-krise-und-erneuerung

    Dans cette interview Christine Buchholz décrit les dilemmes du parti de gauche allemand. Ses positions par rapport au conflit avec la Russie se rapprochent davantage de la politique du gouvernement fédéral que celles du parti franchement de droite de Sarah Wagenknecht. C’est également le cas par rapport au conflit en Palestine, mais la position n’est pas claire en ce domaine. Le gouvernement de Thuringe avec son premier ministre du parti de gauche rapatrie un nombre croissant de réfugiés et le parti adopte des positions positives par rapport à l’OTAN.

    On est obligé de constater que ce parti n’est plus l’union des tendances de la majorité de la gauche allemande. Pour les antiimpérialistes, la gauche prolétaire, les pacifistes, les socialistes de gauche et révolutionnaires Die Linke n’a plus de raison d’être.

    Avec sa candidate pour les élections européennes Carola Rackete le parti tente de récupérer le terrain politique de la révolte écologique que les verts ont abandonnés. Sous cet angle Die Linke se présente désormais comme une bande de charognards politiques sans importance stratégique.

    Version anglaise de l’entretien : https://www.theleftberlin.com/where-does-die-linke-stand-interview-with-christine-buchholz

    18.12.2023 von Simo Dorn

    DIE LINKE ist im Zustand zwischen Krise und Erneuerung. Im November hatte die Partei ihren Bundesparteitag in Augsburg. Wir sprachen mit Christine Buchholz über die Krise der Linkspartei, den Weggang Wagenknechts und über den Krieg in Gaza

    Hallo Christine. Was ist los mit der LINKEN?

    DIE LINKE ist in einer Krise: Sahra Wagenknecht ist ausgetreten und hat das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ gegründet, das Ende Januar eine Partei gründen will. Infolgedessen hat die Bundestagsfraktion ihren Fraktionsstatus verloren und muss 100 Fraktionsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlassen, gleichzeitig verliert sie viele parlamentarische Rechte einer Fraktion.

    Zugleich erlebt DIE LINKE momentan eine Eintrittswelle. In den letzten beiden Novemberwochen sind allein auf Bundesebene über 1.500 Menschen über die Website eingetreten, hinzu kommen Eintritte auf lokaler Ebene.

    Es ist also zu früh, DIE LINKE für tot zu erklären. Allerdings deuten sich mit der aktuellen Entwicklung Verschiebungen im politischen Gefüge innerhalb der Partei an und die tiefgreifenden Konflikte insbesondere um die imperiale Rolle der EU und Deutschlands als wirtschaftlich stärkste Führungsmacht wirken fort und machen die LINKE deswegen bezüglich der zugespitzten internationalen Konflikte in diesen Fragen weitgehend handlungsunfähig

    DIE LINKE ist momentan kaum wahrnehmbar.

    Sie versagt gerade an einer der zentralen politischen Auseinandersetzung, die Proteste gegen den Krieg in Gaza und die weitere Entrechtung und Entmenschlichung der Palästinenser:innen durch den Staat Israel und der Bundesregierung an seiner Seite aufzubauen. Aber bei innerparteilich weniger strittigen Themen, wie der Kritik des Kürzungshaushaltes und der massiven Aufrüstung bleibt sie farblos, weil sie ihre Kritik nicht mit einer Perspektive des Widerstandes verbindet.

    Lass uns die Punkte nacheinander besprechen. Wie bewertest du den Austritt Wagenknechts für DIE LINKE. Ist damit nicht ein schwelender Dauerkonflikt gelöst?

    Ja und Nein. Da gab es zum einen den Konflikt um die Migrationspolitik. Sahra Wagenknecht hat sich mit ihren Positionen nie in der Partei durchgesetzt, aber das war ein offener Konflikt. Genauso ihre Angriffe auf vermeintlich identitätspolitische Positionen.

    Zugleich hat sie öffentlich wahrnehmbar, scharfe Positionen gegen die Bundesregierung vertreten, wo die Parteiführung gezaudert hat. Das war zum Beispiel in Bezug auf den Krieg in der Ukraine der Fall. Deutliche Worte gegen Waffenlieferungen und gegen die Sanktionspolitik der Bundesregierung waren von ihr zu hören.

    Zudem sind in der Frage der Migrationspolitik nicht nur Wagenknecht und ihre Anhänger:innen ein Problem gewesen, sondern auch die LINKE-Regierungspolitik. In Thüringen ist die Zahl der Abschiebungen im letzten Jahr gestiegen.

    Der entscheidende Punkt für die Zukunft ist allerdings, dass sich mit dem Weggang von Wagenknecht und ihrer Gefolgsleute die politischen Gewichte in der Partei verschieben.

    Wer tritt denn momentan in DIE LINKE ein?

    Noch ist es zu früh, eine genaue Bilanz zu ziehen. Die Eintritte gibt es an unterschiedlichen Orten. Es gibt besondere Schwerpunkte in den großen Städten, aber auch in einigen ländlichen Kreisen gibt es viele Eintritte. In dem Zusammenhang sind zwei politische Akteure hervorzuheben.

    Zum einen gibt es einen Aufruf aus dem postautonomen Spektrum der Interventionistischen Linken. Einige Akteure, die bisher vor allem außerparlamentarisch aktiv waren, haben ihren Eintritt in die LINKE erkläret (Wir. Jetzt. Hier.). Zum anderen wirkt das Team um Carola Rackete stark in den Prozess der Erneuerung hinein. Sie spielen auch eine zentrale Rolle in der Kampagne „Eine Linke für alle“.

    Politisch heißt das, dass alte Konflikte alles andere als vorbei sind. Alina Lyapina, eine Campaignerin aus dem Umfeld von Carola Rackete, wird nicht müde zu fordern, dass sich die außenpolitischen Positionen der LINKEN ändern müssen. Andere Neue bringen wichtige antiimperialistische Positionen mit. Andere sind völlig neu politisiert.

    Insgesamt werden gerade die Positionen des Reformerlagers gestärkt. Das entspricht der Erfahrung, die wir in den letzten Jahren vielerorts gemacht worden, wo Kommunalfraktionen den Großteil der politischen Arbeit gestalten, während Parteistrukturen schwach sind. .

    Wie hat sich das auf dem Parteitag in Augsburg geäußert?

    Zum Beispiel darin, dass die grundsätzliche Kritik an der EU viel schwächer geworden ist im Vergleich zu früheren Parteitagen. Inzwischen hat sich eine Position durchgesetzt, die die EU nicht mehr grundlegend kritisiert, sondern sie als politischen Gestaltungsraum nutzen will.

    Der Entwurf des an vielen Stellen schwachen Europa-Programms wurde durch eine Reihe von Anträgen aus dem Lager der Reformerströmung „Progressive Linke” noch einmal verschlechtert. So gibt es nun eine positiv zu lesende Haltung zur EU-Osterweiterung und die ohnehin schon falsche Beschlusslage zu Sanktionen wurde noch einmal erweitert, indem nun auch der russische Atomsektor sanktioniert werden soll. Mit keinem Wort war die Partei bereit, sich der Realität zu stellen, dass die bisherigen Sanktionen gescheitert sind und dass auch zukünftige Sanktionen scheitern werden, den Krieg in der Ukraine zu beenden.

    Das wirkt, als hätten die Reformer auf ganzer Linie gesiegt.

    Wir hatten mehrere friedenspolitische Anträge an das Programm gestellt, von denen einige übernommen und einzelne in der Abstimmung gegen den Parteivorstand durchgesetzt werden konnten. Übernommen wurden insbesondere Anträge, in denen die Rolle des Kapitals als Profiteur von Militarismus und robusterer imperialistischer Auseinandersetzung beschrieben wird. Nicht durchsetzen konnten wir uns dort, wo beispielsweise konkrete Kritik an Sanktionen oder an der EU-Osterweiterung in das Programm eingebaut werden sollte.

    Das ist ein grundsätzliches Problem in der LINKEN: Solange die Kritik der Verhältnisse abstrakt geäußert wird, tut sie auch nicht weh – erst wenn sie in einer konkreten Situation angewendet wird, wird sie wirksam.

    Die LINKE war schon immer gespalten über die Situation in Israel/Palästina. Offen pro-zionistische Positionen wurden genauso vertreten wie antizionistische.

    Der aktuelle Angriff auf die Bevölkerung des Gazastreifens stellt alles in den Schatten, was seit der Nakba 1948 geschah. In einer solchen Situation ist die Positionierung der LINKEN absolut unzureichend, wenn sie versucht, die Balance zwischen Kritik an Israel und Kritik an der Hamas zu bewahren. Deswegen habe ich auch den Beschluss des Bundesparteitages abgelehnt.

    Du hast auch zu dem Thema gesprochen.

    In einem Redebeitrag habe ich eingefordert den Angriff vom 7. Oktober in den Kontext der Besatzung einzuordnen und die Kriminalisierung und Delegitimierung des Protestes durch Demonstrationsverbote und pauschale Antisemitismusvorwürfe in Deutschland zurückgewiesen. Auf den Punkt gebracht: Solidarität statt Staatsräson.

    Eine Europaabgeordnete, Martina Michels, hat mir daraufhin vorgeworfen, „die Sprache von Alice Weidel“ (AfD) zu sprechen und das Massaker der Hamas zu relativieren.

    Da mir das Recht zu einer persönlichen Erklärung verwehrt wurde, haben 130 anwesende Genossinnen und Genossen eine Resolution der Solidarität mit mir verfasst. Auch der Parteivorstand hat jetzt kürzlich die Diffamierung gegen mich zurückgewiesen.

    Wie wirkt sich die Entsolidarisierung denn aus?

    Wir erleben gerade in Berlin, dass der schwarz-rote Senat das Oyoun, ein linkes und multikulturelles Kulturzentrum unter dem Vorwand, es würde antisemitischen Positionen Raum geben, die Finanzierung verweigert. Damit steht dieser wichtige Treff- und Kulturraum samt 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor dem Aus. Es gibt in der Parlamentsfraktionen der LINKEN in Berlin Abgeordnete, die Angriffe auf das Oyoun unterstützen. Viele Mitglieder sind aber dagegen. DIE LINKE könnte viel wirkungsvoller sein, wenn sie sich klipp und klar hinter das Oyoun stellen würde.

    Du hattest mit anderen einen eigenen Antrag auf dem Parteitag eingebracht. Worum ging es darin?

    Ja, wir hatten als Initiative „Linke gegen Krieg“, die sich in der Auseinandersetzung um die Positionierung im Ukrainekrieg gegründet hat, einen eigenen Antrag vorgelegt, der eine Grundlage gewesen wäre, auf der DIE LINKE interventionsfähig gewesen wäre.

    Über diesen Antrag haben wir ein Lager formiert, das über das hinausgeht, was wir bisher in der Palästina-Solidarität organisieren konnten. Deshalb sollten wir überlegen, wie wir die Debatte dazu in der LINKEN weiterführen können.

    Nachdem wir unseren Antrag veröffentlicht haben, hat der Parteivorstand einen weiter rechts von unserem stehenden Antrag formuliert. Der sogenannten „progressiven Linke” hat das jedoch noch nicht gereicht und hat einen Antrag vorgelegt, der die Verantwortung für die Eskalation in Gaza der Hamas in die Schuhe geschoben hat, womit sich die Partei vollständig von ihrem internationalistischen Anspruch einer Friedenspartei verabschiedet hätte.

    Was ist dann passiert?

    Kurz vor dem Parteitag hat eine Arbeitsgruppe dann einen Kompromiss formuliert. Da die große Mehrheit der Unterstützer:innen unseres Antrags diesem Kompromiss – wenn auch teils mit Bauchschmerzen – zugestimmt haben, habe ich und andere verzichtet, unseren ursprünglichen Antrag zur Abstimmung zu stellen. Wir haben aber transparent gemacht, dass wir dem Kompromiss nicht zustimmen.

    Die falsche Grundausrichtung in dem beschlossenen Antrag führt dazu, dass DIE LINKE weiterhin praktisch kein Faktor in der Solidarität mit Palästina ist und der Kriminalisierung der Palästina-Solidarität kaum etwas entgegensetzen kann.

    Das passiert, obwohl der Beschluss des Parteitages sich explizit dafür ausspricht, Demonstrationen und andere Aktivitäten zu unterstützen und als LINKE selbst zu initiieren. Wir nutzten diese Passage, um weiter in der LINKEN aktiv für Demonstrationen und Veranstaltungen zu mobilisieren.

    Gleichzeitig müssen wir unabhängig davon operieren, um handlungsfähig zu sein. Das machen wir mit der “Initiative Sozialismus von Unten” z.B. in dem wir Proteste gegen den Krieg in Gaza mit organisieren oder aktiv unterstützen.

    Was hat sich für Dich und die „Initiative Sozialismus von Unten”, der du seit der Trennung von marx21 angehörst, geändert?

    Wir machen uns nicht mehr abhängig von den Entscheidungen der LINKEN. So sind wir an mehreren Orten aktiv beteiligt, Solidarität mit Palästina zu organisieren. Auch in der Frage des Krieges in der Ukraine warten wir nicht auf DIE LINKE, die in den letzten zwei Jahren nicht interventionsfähig war. Wir organisieren mit anderen Proteste für die wir dann auch DIE LINKE, bzw. einzelne Gliederungen gewinnen.

    Trotz allem merken wir, dass Menschen in die Partei eintreten, die etwas gegen die Politik der Bundesregierung, gegen das Sterben an den europäischen Außengrenzen und gegen soziale Missstände tun wollen. Diese können wir mit einer klassenkämpferischen und internationalistischen Position ansprechen und für Aktivitäten gewinnen.

    Andere, die sich teilweise enttäuscht von der LINKEN abgewendet haben, wollen wir auch organisieren.

    Mit der Initiative Sozialismus von unten wollen wir eine Organisation aufbauen, die für die konkreten Auseinandersetzungen sozialistische Positionen formuliert und damit interveniert – in die Gesellschaft, die außerparlamentarischen Bewegungen und die LINKEN – und die Leute politisch ausbildet, damit sie in den Auseinandersetzungen bestehen können .

    Die Herausforderungen sind riesig und werden nicht kleiner mit der fortgesetzten Klimakrise, den zu erwartenden Angriffen auf die Arbeiterklasse und der sich verschärfenden internationalen Konkurrenz.

    Vielen Dank für das Interview.

    Das Interview führte Simo Dorn.

  • Japanese Red Army - FIlms
    https://en.m.wikipedia.org/wiki/Japanese_Red_Army

    Sekigun – PFLP. Sekai Sensō Sengen, Red Army – PFLP: Declaration of World War, 1971, shot on location in Lebanon, produced by Kōji Wakamatsu. Patricia Steinhoff translates its title Manifesto for World Revolution which makes perhaps more sense. A propaganda film for the Red Army sympathisers in Japan.

    One of the people showing the film around Japan with the producer was Mieko Toyama, a close friend of Fusako Shigenobu. She was murdered in the winter training camp massacre.

    Jitsuroku Rengō Sekigun, Asama sansō e no michi, United Red Army (The Way to Asama Mountain Lodge), 2007, shows the horrors of the United Red Army winter camp, but also the history of the militant Japanese student movement. See also United Red Army (film)
    Suatu Ketika... Soldadu Merah (Once Upon A Time... Red Soldier), an 8 episode Malaysian TV drama series based on the Japanese Red Army attack in Kuala Lumpur, Malaysia 1975. Produced by NSK Productions (Malaysia), the series was shot in 2009 and currently airs on Malaysia’s local cable channel, ASTRO Citra 131. Read Hostage Drama article by TheStar newspapers.
    In 2010, Fusako Shigenobu and Masao Adachi were featured in the documentary Children of the Revolution, which tells the story of Shigenobu and the Japanese Red Army through the eyes of Mei Shigenobu.
    In the 2010 French-German TV Film Carlos, members of the Japanese Red Army feature when they stormed the French Embassy in The Hague and associating with the PFLP and the German Revolutionary Cells.
    The 2011 Bangladeshi film The Young Man Was, Part 1: United Red Army by visual artist Naeem Mohaiemen is about the 1977 hijacking of JAL 472 and the subsequent consequences inside Bangladesh.
    Rabih El-Amine’s documentary Ahmad the Japanese, Lod-Roumié-Tokyo made in 1999 tells Okamoto’s story from the perspective of five major personalities that knew him in Beirut.
    Philippe Grandrieux and Nicole Brenez’s documentary Masao Adachi. Portrait – First episode of the collection The Beauty May Have Strengthened Our Resoluteness, 2012, shot on location in Tokyo, which tells the daily life of Adachi and his reminiscences.

    #Japon #Liban #histoire #terrorisme #gauchisme #cinéma

  • Review: Coed Revolution: The Female Student in the Japanese New Left
    https://unseen-japan.com/review-coed-revolution-the-female-student-in-the-japanese-new-left


    Female University of Tokyo student activists on the march. They bear with them “Gewalt” staves (ゲバルト棒). 1969.


    Activists bear the image of the deceased Kanba Michiko. Kanba perished during a 1960 clash between anti-US-Japan Security Treaty activists and Japanese police. Her death made her a martyr, although Coed Revolution details how her posthumous popular image as a virgin sacrifice for democracy eschewed her own views on politics.


    A 1960s poster for a student festival at the University of Tokyo. The activists who created the poster invoke the image of a martial Yakuza outlaw, including the line “to where shall Male Tokyo Univesity go?”


    Shigenobu Fusako, leader of the international terrorist group the Japanese Red Army. This picture shows Shigenobu while operating in Lebanon alongside the Popular Front for the Liberation of Palestine.

    #Japon #histoire #féminisme

  • Last Stand: The Hostage Crisis That Ended Japan’s Red Army
    https://unseen-japan.com/red-army-asama-sanso-lodge

    The disintegration of a far-left paramilitary group led to a standoff that was watched on live TV by 90% of the country - and that changed Japanese politics for decades.

    It was February 19th, 1972. Muta Yasuko, wife of the caretaker of the Asama-Sanso lodge near Karuizawa, Nagano Prefecture, was terrified.

    She lay against a wall, her hands and legs tied. Five ragged men ransacked the lodge whose upkeep she had put so much work into. They ripped up the tatami flooring and upended the furniture, using every available item to barricade the doors and windows. One of the intruders had commented on the copious foodstuffs found in the lodge’s pantry. It was clear they were here for the long term.

    Twenty-five-year-old Bando Kunio had taken on the most active role amongst the bunch. He had been relieved to find no one else in the lodge.

    He and the four others were members of Japan’s violent far-left radical student group, the recently-christened United Red Army.

    Table of Contents

    The Crisis Begins
    An attempt at glory goes wrong
    The Battle Intensifies
    Psychological warfare
    The Last Stand
    The end of the assault
    The Fall of the Red Army
    Proper punishments?
    The fate of the hostage
    The end of the URA…and the beginning of the JRA
    Next In This Series
    Previously In This Series
    Sources

    The Crisis Begins

    Their organization had been born in the heady and chaotic days of the late 1960s. Students were enraged by curtailments on the new democratic rights granted to Japanese citizens following World War II. They were further frustrated by Japan’s tacit involvement in American-led imperialistic military action in Vietnam and other parts of the world.

    Hundreds of thousands of young Japanese university students had taken to the streets. At first, there was mass support from the Japanese population for these large-scale protests. But as violence rose, the police cracked down, and many far-left student groups were pushed underground.

    The Red Army Faction was the URA’s parent organization and the brainchild of the international revolution-minded Shiomi Takaya. It had made a name for itself by attacking police officers. The group also committed Japan’s first airline hijacking, commandeering a Japan Airlines flight and forcing it to fly to North Korea.

    Notoriety led to greater police surveillance and rounds of arrests. Soon, the Red Army Faction found itself left in the hands of hapless member Mori Tsuneo. A need for weapons led Mori to merge his crew with a separate group led by the sadistic Nagata Hiroko.

    Their new joint group, the United Red Army, experienced growing pains. One of the Mori’s best and brightest, Shigenobu Fusako, left Japan to form an international terrorist wing of the Red Army in Lebanon.

    Back in Japan, Mori and Nagata convened a training camp for their radicals at an isolated cabin in the depths of the snowy mountains of Gunma Prefecture. He chose the location partially to hide out from police. There, amidst the heightened emotions and intensive rhetoric of self-criticism, meant to inspire revolutionary zeal, something unbelievably grotesque had occurred.
    Murder and flight

    The gathered United Red Army members committed a heinous and horrific purge of their membership. They tortured and killed twelve of the twenty-nine individuals there assembled. With their comrades now buried in cold, shallow graves, the surviving core membership of the Red Army had fled the encroaching police, taking flight into the mountain passes on foot.

    Bando’s crew included Sakaguchi Hiroshi. Sakaguchi was the recently spurned husband of United Red Army leader Nagata. She had just announced her intended marital union with her co-leader, Mori, only days before the two were arrested attempting to link up the rest of their fleeing entourage.

    There were also the two surviving Kato brothers. Both had participated in the murder of their older brother in the URA bloody purge. They split off from the rest of the fleeing URA survivors as they neared the border with Nagano Prefecture.

    The police had been close behind. Bando and Sakaguchi had spied officers clambering through the snow in the pass below them and had unloaded bullets in their direction before continuing their flight.
    A Fateful Decision

    Nearing the mountain resort town of Karuizawa, Bando had thought to steal a car at gunpoint. But the sight of a strange, almost fortress-like building had changed his mind.

    When he and his men had entered the three-storied, arrow-shaped lodge and discovered only Mrs. Muta to be present, Bando made up his mind. There could be no better spot for a last stand than a fortified building clinging to the side of a mountain which, like some medieval castle, commanded the heights.

    In the valley below, the police amassed. The officers they had shot at had called in reinforcements. The revolutionaries’ intrusion into the lodge had not gone unnoticed.

    Unknown to Bando or his crew, the leaders of their movement had just been arrested in Gunma. And police had apprehended four of their fellow escapees at a nearby train station. The stench and bedraggled appearance of the rugged radicals had caused a newspaper stand owner to connect the dots to the stories in the papers she sold. The police arrived shortly after she called them.

    The First Victim

    Back at the Asama-Sanso lodge, tensions were rising. There were now well over a thousand specialized riot police who had gathered at the scene. They stood in long, dark rows, the black of their helmets and flack jackets contrasting with the white snow.

    Armored trucks had managed to snake their way up the mountain path as well, creating a natural barrier behind which the police could take cover. They stationed sharpshooters on the ridges. Other cops set up roadblocks to prevent any possible escape.

    Then there were the news crews, covering what was becoming an unbelievable story. The images they streamed into Japanese living rooms almost non-stop would go on to have great effects on Japanese society. Some cultural critics think that iconic images of the waiting riot police slurping down instant ramen helped popularize it as an emergency foodstuff.

    Occasionally, gunfire would ring out from the lodge as the police encroached too near. The hostage’s husband watched it all with mounting anxiety. He had been out showing the lodge guests around at the time when the United Red Army had chosen his hotel to make their last stand.

    He worried for his anemic wife. And he begged time and again to the police to let him switch places with her. But the radicals in the lodge never responded.
    An attempt at glory goes wrong

    The unchanging monotony of the standoff was soon shattered. Tanaka Yasuhiro, a young snack bar owner from neighboring Niigata Prefecture, had been moved by the near-constant media coverage of the ongoing hostage crisis.

    Inspired in a way that seemed almost manic, he made his way to the scene. There, he attempted to push his way through the police line. The police, of course, would have none of this civilian interference and arrested him.

    But when he was released later that day, Tanaka simply decided to try a different method. Climbing the slopes north of the lodge, he ran onto the scene. Somehow, he managed to sprint through police barricades before they could stop him. He bore with him a bento box, perhaps hoping to open a line of communication with the radicals by ingratiating himself with them.

    Alas, he had seriously misread the situation. As he tried to push the box through a small opening into the building, a shot rang out. He staggered backward.

    The hostage-takers had shot him in the head.

    The injury proved fatal. Tanaka, who had perhaps dreamed of somehow becoming a hero, instead became the first casualty of the Asama-Sanso Incident.

    The Battle Intensifies

    On the third day of the hostage crisis, February 21st, the police were becoming anxious. They’d made little progress. The radicals had managed to kill one manic civilian and shoot two police officers non-fatally. The entire Japanese public was watching, waiting for them to act.

    Authorities cut the lodge’s heat and water, which had formerly been left on for the sake of the comfort of the hostage. As the interior of the lodge became more frigid and inhospitable, the parents of some of the radicals were brought in. (Unknown at the time was that the child of one of these parents had already been killed in the purge). The parents, horrified by what their progeny were engaged in, used loudspeakers to implore their children to come to their senses. No response was forthcoming.

    On the fourth day, the police used force. Two armored vehicles moved in on the lodge. Police crouched behind them and fired tear gas through the building’s windows. The hostage-takers, holding rags to their mouths, fired at the police. They took cover as bullets whizzed by and ricocheted off their vehicles.

    Psychological warfare

    The police backed off. But by night they began employing a new tactic: psychological warfare. Loudspeakers blared disturbing noise, preventing sleep. Recorded sounds of chainsaws, protests, sirens, and more.

    The sounds would persist and then suddenly stop, only to start up again once enough time had passed to allow the targets to perhaps drift to sleep. (This sort of sleep torture is reportedly still being used as a Japanese police interrogation method. That may help explain high conviction rates in the country). Later, they employed floodlights to turn the night skies to day and a baseball pitching machine that would pelt rocks at the building to keep the occupiers from getting any rest.

    The next morning, untimely winds that blew away smoke screen cover foiled an attempted invasion by a brigade of policemen. They switched out their initial plan for one in which they aimed high-powered water hoses at the living quarters of the lodge. The jets of water burst forth, smashing through windows, knocking over barricades, and inundating the rooms.

    Tear gas canisters followed. The noxious fumes pushed the hijackers deeper into the recesses of the building.

    As night fell and the water inside the lodge froze solid, the assault of sound and noise began again.

    The Last Stand

    Finally, the morning dawned on February 28th, the tenth day of the hostage situation. The loudspeakers blared a few final pleas to the radicals to lay down their arms. As always, there was no response.

    Ambulances arrived at the scene in preparation for what was about to ensue. Police piled protective sandbags had been piled high into the air. They also strung a net in front of the building entrance to prevent the throwing of grenades from within the lodge.

    At last, the final order came in. The assault commenced.

    As the police approached, the radicals let loose a volley of bullets. The police took cover as water jets were shot back into the building.

    Next came the wrecking crew. They moved a crane laboriously into position and swung its wrecking ball directly at the entrance of the building, completely demolishing it.

    Other police leaped forward with chains and hacksaws, creating openings in the lower floors. A special police task force brought up from Tokyo entered through the newly made openings. They faced no opposition on the first, ruined floor.

    As the Tokyo police made their way to the stairs, a shot rang out from above, though not aimed at them. One of the radicals had spotted a police superintendent in the valley below who had been motivating his men from outside of cover. The revolutionaries had shot him squarely in the eye. The United Red Army had killed its first police officer.

    As the officers inside the lodge cleared the second floor and ascended to the third, another officer was shot dead as he peered around a corner. His fellows now un-holstered their guns.
    The end of the assault

    The assault had now lasted five long hours. In homes across Japan, viewers sat on the edges of their seats, awestruck at the country’s first-ever marathon live television broadcast. By 6:26 PM, viewership rankings for the broadcast would reach an unheard-of 89.7% of houses with televisions. The entire country stood in rapt attention.

    A handmade incendiary exploded near the invading police, injuring over ten of them, although not fatally. Finally, the officers on the top floor breached the last of the barricades and apprehended one of the Kato brothers.

    The remaining four radicals were buried under a pile of protective futons in the final room, still brandishing weapons. As the police approached them, Bando shot the closest officer in the eye. The man staggered over, but incredibly, he would survive. In the chaos, the other police leaped at the radicals.

    When the dust had settled, all five hostage-takers were in handcuffs. The siege of Asama-Sanso had ended. Muta Yasuko had been saved.

    The Fall of the Red Army

    So ended the dark saga of the United Red Army. The organization spawned by the mind of the founder of its parent organization, Shiomi Takaya, would cease to plague Japan.

    By the time the bodies of the twelve purged youth had been discovered at the foothills of the mountains in Gunma, popular sentiment in Japan had been turned away not only from violent activists, but also from political activism in general. The JAL hijacking, the purges, the siege of Asama-Sanso – all shook Japan to its core. It was clear that there would be a great deal of soul-searching in the offing.

    Japan’s Minister of Education spoke up following the disinterment of the bodies. He harshly criticized the teachers and professors of Japan for failing their youth by creating a system in which such violence had been allowed to fester. Universities were no longer to be a place of radicalization. Rather, they were to take their intended form as a stepping stone to careers and life employment within the ordered system of Japanese society.

    Proper punishments?

    In the eyes of the public, the judicial sentencing that soon followed for the radical perpetrators of these crimes befitted the evil that had occurred. Nagata, Mori, and Sakaguchi were all sentenced to death. Mori committed suicide a year later, strangling himself with a bed sheet in his prison cell.

    The other two had trials and appeals that continued for decades and held off their final days of judgment. Nagata passed away of brain cancer while still imprisoned in 2011, four decades after she led her grisly purge. Her husband, Sakaguchi, remains alive. As of 2019, he is still awaiting execution.

    Bando Kunio, who led the five invaders into the Asama-Sanso lodge, and who killed a policeman in the ensuing battle, was spared death. But he still received an extremely long jail sentence. His father, upon seeing confirmation that his son had been one of the hostage-takers on TV, immediately committed suicide. Despite his jail sentence, Bando’s days in the revolutionary field were far from over.

    The fate of the hostage

    The hostage from the Siege of the Asama-Sanso Lodge, Muta Yasuko, returned to her daily life. Her captivity granted her national fame. Her picture had been broadcast innumerable times during the event. And she broke the previous modern Japanese record for hours taken hostage many times over.

    However, she declined all requests for interviews after her initial rescue. She claimed her captors had treated her kindly, despite tying her to a bed. One had even given her an omamori, a temple charm, that he said would help keep her safe.

    The end of the URA…and the beginning of the JRA

    With the vast majority of their core membership dead or imprisoned, and having lost even an ounce of public support, the United Red Army ceased to exist. Japan’s police force was increasingly militarized, skilled, and vigilant. With no public backing, groups like the URA could no longer functionally operate in Japan.

    After twenty years, the mass student movement in Japan had come to a horrifying, distressing end. The youth of Japan remain apathetic to politics. Their civic engagement remains low. The shock caused by the URA is just one among many phenomena that led to these trends. But it’s one that’s hard to ignore.

    And yet, despite all this, the movement that began with the Red Army Faction had not yet been snuffed out. In faraway Lebanon, Shigenobu Fusako was still fighting for her cause, more passionate than ever. Soon she would have a small militia of hardened, trained revolutionaries to call her own.

    Escaping the chaos and self-destruction of the United Red Army in Japan, Shigenobu was about to emblazon the name of her movement across the world. She would do so by turning to terrorism of a type her revolutionary brothers and sisters back in Japan could barely imagine. For the next two decades, she would make the imperialist world fear the name of the Japanese Red Army.

    Sources

    Steinhoff, Patricia G. “Hijackers, Bombers, and Bank Robbers: Managerial Style in the Japanese Red Army.” The Journal of Asian Studies, vol. 48, no. 4, 1989, pp. 724–740.

    Farrell, William R. “Blood and Rage: The Story of the Japanese Red Army.” Lexington Books, 1990.

    「山岳ベース事件」。フリー百科事典『ウィキペディア(Wikipedia)』。https://ja.wikipedia.org/wiki/山岳ベース事件

    「あさま山荘事件」。フリー百科事典『ウィキペディア(Wikipedia)』。https://ja.wikipedia.org/wiki/あさま山荘事件

    #Japon #histoire #terrorisme #gauchisme

  • Shigenobu Fusako, Japanese Red Army Leader, to be Released from Prison this Month – About That Life in JAPAN
    https://aboutthatlife.jp/shigenobu-fusako-japanese-red-army-leader-to-be-released-from-prison-t

    As May of 2022 dawns, Shigenobu Fusako – former leader of the now-defunct international Japanese Red Army – is closer to freedom than ever before.

    Shigenobu was first detained some twenty-one years ago, in November of 2000. By that point, she’d been on the run from Japanese and international authorities for decades, having spent years in hideouts around the Middle East. Shigenobu’s sudden arrest in Osaka, where she’d lived after entering the country using a fake passport, was major news; after all, Shigenobu had been the elusive international face of Japan’s most infamous terrorist group.

    The Japanese Red Army had gone quiet after 1988, following one last bombing attack on a USO club, which killed five; in that same month, JRA operative Kikumura Yu had been arrested on the New Jersey Turnpike, the trunk of his rental car full of explosives. Since then, the once-prolific terrorist group had faded from world headlines. Then, in 2000, Shigenobu Fusako – the “mistress of mayhem” – was suddenly back in the public spotlight.

    Now, after two decades in a Tokyo prison, Shigenobu is set to be quietly released, whereupon she will be able to live a free life in her home country for the first time since the 1970s. Her release is scheduled for May 28th.


    For a more detailed take on Shigenou’s history, watch our video on her creation of the international JRA and the Lod Massacre.

    Shigenobu Fusako: “Mistress of Mayhem”

    Shigenobu came of age during the tumultuous post-war years in Japan. A time of great change, the 1950s and 1960s saw a massive surge in public participation in protest culture against the Japanese state. While publically popular among various demographics, the beating heart of this movement was found on college campuses. Major rallying points included opposition to the US-Japan Joint Security Treaty (AMPO), the Vietnam War, and Okinawa’s then-ongoing occupation by the US military.

    By the time she was of university age, Shigenobu Fusako – socially-minded since her youth – came under the influence of radical student leftist Shiomi Takaya, then-leader of the Red Army Faction. Shiomi’s RAF was on the violent fringe of the mass student leftist movement of the 1960s and 70s. She quickly rose to become the only woman on the Red Army Faction’s Central Committee. When Shiomi was imprisoned following the discovery of a plot to kidnap the prime minister, the RAF merged with another fringe group to form the United Red Army. In 1971, Shigenobu, a Shiomi disciple who believed in internationalist revolution and who disliked the direction the URA was heading, used the opportunity to flee Japan and the watchful eye of the Japanese police. Her goal was to take the pedestrian domestic actions of the Red Army in Japan global. In Lebanon, she formed the international Japanese Red Army alongside the Popular Front for the Liberation of Palestine.

    Back in Japan, the United Red Army collapsed in a horrific fit of self-directed violence, ending with a ten-day-long standoff with police in a besieged mountainside inn. The domestic reaction to the URA self-purge and hostage situation spelled the end of popular support for the New Left in Japan. Abroad, however, Shigenobu would seemingly lead her Japanese Red Army on nearly two decades of headline-stealing mayhem: high-profile hijackings, bombings, hostage-takings, and killings. Perhaps the most infamous of these attacks was the 1972 Lod Airport Massacre; three Japanese JRA members disembarked from an Air France airplane at Israel’s Lod Airport and, wielding machine guns and grenades, began an attack that would leave 26 dead and over seventy wounded, some grievously. The majority of those killed were Christian Puerto Rican pilgrims.

    A Wanted Woman

    INTERPOL added Shigenobu Fusako to their wanted list following the JRA’s 1974 French Embassy attack in The Hague. From that point onwards, Shignobu was wanted by Japan, Israel, and much of the international community at large. In Japan, the JRA’s activities abroad had caused much embarrassment and stress for the government; in Israel, the Mossad wanted to track down the masterminds behind the Lod Massacre.

    In Lebanon, Gaza, the West Bank, and beyond, however, Shigenobu was a hero who had put her own life at risk in order to help liberate Palestine. Despite her wanted status, Shigenobu, living out of various PFLP staging and refugee camps, continued to act as spokesman for the JRA, appearing on Arabic-language TV and in Japanese-language JRA propaganda and carefully curated media interviews. During this time she gave birth to a daughter, Shigenobu Mei, who would grow up among the refugee camps.

    Indeed, Shigenobu is still hailed as a heroic revolutionary to this day within some far-left/Palestinian liberation spaces. The Japanese Red Army continued to tout itself as a group of revolutionaries, not terrorists, even as their tally of victims grew. Shigenobu Mei, Shigenobu Fusako’s daughter, is now an international journalist, working in Japanese, English, and Arabic; she speaks of the JRA in the same breath as she does Gandhi and Nelson Mandela; she insists the Lod Massacre was carried out by a separate group of Japanese leftists, [1] despite one of the three gunmen having been Okudaira Tsuyoshi – Shigenobu Fusako’s legal husband and fellow Red Army member. Testimony from arrested JRA operatives cited the embarrassment of the terrible URA purge as the inciting reason for the Lod Massacre; Shigenobu and Okudaira needed to stage an event that would prove their revolutionary bona fides and dissociate them from the URA.

    While the deadly effects of the Lod Massacre were held as a mass tragedy in Puerto Rico and Israel (an annual day of mourning was even put into place by the Puerco Rican government), it was indeed seen as a great success in revolutionary circles in Japan and in much of the Arab world.

    The Gendered Nature of Terrorism

    Shigenobu’s public persona as the evasive public leader of the JRA resulted in peculiar associations with her image. The gendered nature of narratives on Shigenobu has been a pendulum swinging both ways; in the Japan of the 1970s, both Shigenobu and URA leader (and cold-blooded murderer) Nagata Hiroko were held up as examples of the “unnatural” place women had in far-left movements. Both were seen as cautionary tales. In Shigenobu’s case, her perceived beauty added another layer; her “dangerous woman” qualities were a subject of fascination for the male gaze, and older writings on Shigenobu would often focus on the purported “honey pot” effect she could have on potential recruits for the JRA.

    On the other side of the coin, Shigenobu’s prominence as a terrorist/revolutionary in a decidedly masculine theater has also been seen as inspirational, even liberatory. In this sense, she’s often listed alongside the equally controversial likes of Palestinian hijacker and convicted terrorist Leila Khaled; in fact, the two knew each other well from their time amongst the PFLP in Lebanon.

    Only a few years ago, South Korean-born, US-raised conceptual artist Anicka Yi designed a perfume in tribute to the once-leader of the JRA: Shignobu Twilight. Yi reportedly idolized Shigenobu from a young age, impressed by images of the bold revolutionary holding a machine gun. According to a website that recently sold the perfume (which was listed for $250):

    “The first volume in the Biography series, Shigenobu Twilight, is inspired by Fusako Shigenobu, fabled leader of the Japanese Red Army. The perfume’s esoteric notes intimate metaphors of Shigenobu’s stateless existence, exiled in Lebanon while yearning for her native Japan. Originally designed in 2007 by Yi and architect Maggie Peng, Shigenobu Twilight has been specially reformulated for the Biography series by perfumer Barnabé Fillion.”

    On the Run

    Shigenobu Fusako gained an almost supernatural reputation for avoiding capture, managing to make press appearances, publish books, and raise her stateless daughter without being caught. Even though her close collaborator, Ghassan Kanafani, was killed by the Mossad in reprisal for the Lod Massacre, Shigenobu never faced imprisonment or assassination by Israel. This all occurred despite being one of the most recognizable terrorists worldwide during the 70s and 80s.

    In the 1990s, as the Soviet Union fell and the PLO entered into a peace agreement with Israel, she began slipping back into Japan using forged documents. It is claimed that she did so well over a dozen times. However, reports of a woman resembling Shigenobu, whose youthful face had for so long been plastered on Japanese wanted posters, reached the Osaka police; although she hid a distinctive facial mole using makeup, her method of smoking – also considered unique – is said to have given her away. The police matched fingerprints on a cup used at a hotel where witnesses said they saw Shigenobu to help track her down.

    Then, in November 2000, the police finally made their move; the arrest set off a media firestorm, and she was transported in a secured green car on the bullet train back to her native Tokyo. In 2001, while in jail awaiting trial, Shigenobu officially disbanded the Japanese Red Army. She was tried on counts of illegal confinement and conspiracy to commit murder as related to her planning of the attack in The Hauge. While the prosecution angled for a life sentence, the court eventually decided on twenty years; she was ruled guilty of providing weapons and asking the PFLP to carry out the attack in order to free imprisoned JRA members, but the exact nature of her leadership could not be ascertained. During the sentencing, the judge said:

    “She sees her doctrine and assertations as absolute truths, having committed selfish criminal offensives for which she gave no mind to the danger towards the lives and bodies of so many. We can ascertain no serious remorse [from Shigenobu Fusako].”

    Last Days of Imprisonment

    Shigenobu’s arrest allowed her daughter to step out of the shadows; Mei obtained Japanese citizenship, and has used her status as a journalist and person of interest to push for her mother’s release. Following the conviction, Mei immediately petitioned for an appeal. This appeal was rejected by the Tokyo Higher Court in 2007; her final appeal was subsequently rejected in 2010 by the Supreme Court of Japan. An objection towards this was also thrown out.

    Since that time, Shigenobu Fusako has been imprisoned, at times giving interviews in which she has expressed a certain degree of regret at JRA failures and now-outmoded methods. She is now 76 years old; letters released to the media some days ago stated that “my life after release will be filled with apologies, gratitude, rehabilitation, and fighting my illness.” She also states that she intends to live a life “full of curiosity,” and is looking forward to meeting her supporters. [2]

    Ghosts of the Red Army

    The release of someone like Shigenobu Fusako brings with it competing reactions. For those close to her, or those who view her actions throughout her life positively, it should be a much-delayed happy event. But for many, she is still seen as a relatively unrepentant former terrorist, someone who – although for idealistic reasons – founded a violent group that killed and harmed many. That those events took place in a completely different sociopolitical environment, and that, on the whole, the JRA’s efforts were failures that only served to cause harm and create a cycle of taking hostages to barter for the release of their own captured members, may result in some ambivalence. It all seems like something from long ago, in an era when the Soviet Union and the United States dominated the globe through Cold War politics. Yet survivors of the JRA attacks still live on, and people still miss loved ones. Many JRA members remain on the lam; their decades-old mugshots still grace wanted posters in Japanese police boxes and consulate waiting rooms.

    Shigenobu Fusako’s release is yet another milestone in the now half-century-long story of the Japanese Red Army. Time will tell as to what her part in the remainder of that story will be. Her one-time mentor, Shiomi Takaya, was released from jail in late 1989; he went on to pursue a limited, unsuccessful political career within the confines of the law, doing so while holding a low-paying job as a parking lot attendant and making the rounds to discuss the nature of the Japanese New Left. He died in 2017 at age 76 – the same age his younger protegee, Shigenobu Fusako, is now.

    JRA expert Patricia G. Steinhoff described Shiomi, emerging from a jail cell to begin life with a family he hardly knew, as a Rip Van Winkle (or, more fittingly, Urashima Taro). The world of New Left radicalism he’d known until his sudden arrest had disappeared during his two decades in jail. Shigenobu will also emerge into a completely new era, one even farther divorced from that in which she first came to prominence. How she will receive that world, and how that world will receive her, remains to be seen.

    Sources:

    [2] Kyodo. (4/27/2022). 手紙で「出所後は謝罪と闘病」 5月刑期満了の重信房子受刑者. Yahoo! News Japan.

    Steinhoff, Patricia G. (1996.) Three Women Who Loved the Left: Radical Woman Leaders in the Japanese Red Army Movement. In Re-Iminaging Japanese Women.

    [1] O’Hare, Liam. (14/04/2018). May Shigenobu, child of the revolution. Aljazeera.

    #Japon #Liban #Palestine #histoire #terrorime #gauchisme

    • merci @klaus

      L’anabase de May et Fusako Shigenobu, Masao Adachi et 27 années sans images
      http://journals.openedition.org/lectures/7537

      PRESENTACIÓN DEL EDITOR
      Qui sont May et Fusako Shigenobu ? Fusako, leader d’un groupuscule d’extrême gauche, l’Armée Rouge Japonaise, impliquée dans de nombreuses opérations terroristes, s’est cachée pendant près de trente ans à Beyrouth. May, sa fille, née au Liban, n’a découvert le Japon qu’à 27 ans, après l’arrestation de sa mère en 2000. Masao Adachi ? Scénariste, cinéaste radical et activiste japonais engagé auprès des luttes armées et de la cause palestinienne, reclus lui aussi au Liban avant son renvoi dans son pays. Par ailleurs, initiateur d’une « théorie du paysage », le fukeiron : en filmant le paysage, celui-ci dévoilerait les structures d’oppression qui le fondent et qu’il perpétue. Anabase ? C’est le nom donné depuis Xénophon au retour, difficile voire erratique, vers chez soi.
      C’est cette histoire complexe, sombre, toujours en suspens, qu’Éric Baudelaire, artiste réputé pour se servir de la photographie afin d’interroger la mise en scène de la réalité, a choisi d’évoquer en usant du format documentaire.
      Tournées en Super 8 mm, et comme dans la veine du fukeiron, des vues de Tokyo et de Beyrouth aujourd’hui se mêlent à quelques images d’archives, de télévision, à des extraits de films, pour dérouler le décor sur lequel les voix de May et d’Adachi vont faire remonter leur mémoire. Il y est question de vie quotidienne, d’être une petite fille dans la clandestinité, d’exil, de politique, de cinéma, et de leurs rapports fascinés. Pas une enquête, une anamnèse morcelée.
      Jean-Pierre Rehm

      NOTAS DE LA REDACCIÓN
      Couleur et N&B - Super 8 - 66’ - Version originale : Anglais, japonais, français - Sous-titres : Français incrusté - Image : Eric Baudelaire - Son  : Diego Eiguchi - Montage  : Eric Baudelaire - Production : Eric Baudelaire

      AUTOR
      Eric Baudelaire

    • The Anabasis of May and Fusako Shigenobu, Masao Adachi, and 27 Years without Images - YouTube
      https://www.youtube.com/watch?v=3jWQZK7u0Ew

      Few artists have shifted from revolutionary imagination to revolutionary action like Masao Adachi, a collaborator with both the Japanese New Wave and the Japanese Red Army. A scriptwriter and colleague of Nagisa Oshima and Koji Wakamatsu, and a director of left-wing sex films, Adachi abandoned commercial filmmaking — and Japan — entirely in 1974 to join the extremist Japanese Red Army in exile in Beirut, where the group gained fame through deadly hijackings and bombings in support of a free Palestine and a worldwide Communist revolution. Also in Beirut was the group’s founder Fusako Shigenobu and her daughter May, who lived incognito for years. A film on exile, revolution, landscapes and memory, The Anabasis... brings forth the remarkable parallel stories of Adachi and May, one a filmmaker who gave up images, the other a young woman whose identity-less existence forbade keeping images of her own life. Fittingly returning the image to their lives, director Eric Baudelaire places Adachi and May’s revelatory voiceover reminiscences against warm, fragile Super-8mm footage of their split milieus, Tokyo and Beirut. Grounding their wide-ranging reflections in a solid yet complex reality, The Anabasis... provides a richly rewarding look at a fascinating, now nearly forgotten era (in politics and cinema), reminding us of film’s own ability to portray — and influence — its landscape.

      Jason Sanders (from the San Francisco International Film Festival catalog)

    • #anabase

      https://fr.m.wikipedia.org/wiki/Anabase_(X%C3%A9nophon)

      Puis ... il y a Walter Hill’s The Warriors (1979)
      https://www.youtube.com/watch?v=--gdB-nnQkU

      Survivre en territoire ennemi est un sujet éternel car il reflète la situation de facto des classes inférieures.

      Chez Xenophon comme chez ses interprètes modernes il y à la fois les hierarchies parmi les héros et l’adversaire surpuissant dont les territoires sont à traverser par la troupe héroïque.
      A partir de cette constellation tu peux raconter un nombre illimité d’histoires.

      Anabase, texte en ligne (DE) pour la jeunesse

      Die tapferen Zehntausend, nacherzählt von Karl Witt
      https://www.projekt-gutenberg.org/xenophon/tapfere/titlepage.html


      Mit Federzeichnungen von Max Slevogt Verlag B. Cassirer

  • Armut und soziale Probleme lassen sich nicht strafrechtlich lösen
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181178.amtsgericht-tiergarten-armut-und-soziale-probleme-lassen-sich-nic

    9.4.2924 von Niels Seibert - Nicht die Straftaten erschrecken, sondern das Justizsystem einer Gesellschaft, die keine angemessenen Antworten auf die existierende Armut hat

    Fünfzig Tagessätze in Höhe von jeweils 15 Euro, insgesamt also 750 Euro Geldstrafe für einen Bürgergeldempfänger, der zwei Salamis im Gesamtwert von 7,58 Euro im Rewe-Supermarkt nach eigener Auskunft »aus Versehen nicht aufs Band gelegt« hat.

    100 Tagessätze à 15 Euro Geldstrafe für einen ehemals heroinabhängigen, heute im Substitutionsprogramm befindlichen Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrente wegen dreimaligen Fahrens ohne Fahrschein.

    Vier Monate Haft ohne Bewährung für eine Mutter von vier Kindern, darunter ein fünf Monate altes Baby, für den Versuch, Lebensmittel für 47,57 Euro im Discounter Netto ohne zu bezahlen mitzunehmen.

    Je 70 Tagessätze zu 15 Euro für Vater und Mutter, zusammen 2100 Euro, wegen gemeinschaftlichen Diebstahls von Kinderkleidung im Verkaufswert von 205 Euro bei Primark.

    Vier Monate Haft auf Bewährung für einen 34-Jährigen, der seit drei Monaten einer geringfügigen Beschäftigung nachgeht, wegen Fahrens ohne Fahrschein vor zehn und vor sechs Monaten.
    Beschleunigte Verfahren

    Die Angeklagten werden wie am Fließband abgearbeitet und verurteilt. Im 15-Minuten-Takt finden die Gerichtsverhandlungen hier am Tempelhofer Damm statt. In der Außenstelle des Berliner Amtsgerichts wird, fernab vom Hauptgebäude in Moabit, über strafrechtlich relevante Sachverhalte mit einfacher Beweislage entschieden. Es handelt sich fast immer um einen der beiden Bagatelldelikte: den »Diebstahl geringwertiger Sachen« oder das Fahren ohne Fahrschein, das in juristischer Fachsprache »Erschleichen von Leistungen« heißt. Bis zu 15 Verfahren werden an einen Vormittag terminiert – zweimal pro Woche. Zwei Richterinnen teilen sich diese Verhandlungen, in längerfristigen Krankheitsfällen springen Richterinnen und Richter aus Moabit ein.

    Von August 2022 bis Februar 2024 besuchte ich etwa 180 dieser Termine, von denen 100 tatsächlich verhandelt wurden. Bei den anderen waren die Angeklagten teils entschuldigt, teils unentschuldigt nicht erschienen oder es wurde erst beim Termin festgestellt, dass der oder die Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist und eine Übersetzung benötigt wird. 93 Prozent der öffentlichen Verhandlungen endeten mit Verurteilungen zu Geld- und Haftstrafen. Die anderen Fälle waren Einstellungen gegen Geldauflage, einmal Einstellung wegen Geringfügigkeit und einmal Freispruch. Kein einziges Mal kam es zu einer Einstellung gegen Sozialstunden oder einer Verwarnung mit Strafvorbehalt, obwohl dies zumindest bei einem leeren Strafregisterauszug ohne Vorstrafen möglich wäre.

    Viele der Angeklagten stehen jedoch nicht zum ersten Mal vor Gericht und haben teils mehrere Eintragungen im Bundeszentralregister. Der Weg, den das Gericht dann geht, ist, »noch mal eins draufsetzen«, wie es eine Richterin im März 2023 formuliert hat. Das heißt, die erneute Verurteilung fällt in der Regel härter und für die Angeklagten schmerzhafter aus als die letzte Strafe.

    Eskalierende Bestrafung

    So kommt es zu immer höheren Geld- oder zu Haftstrafen, selbst wenn die Betroffenen seit ihrer Tat eine radikale Lebensveränderung hinter sich haben, beispielsweise ihre Drogenabhängigkeit überwunden, einen Arbeitsplatz gefunden, durch einen Umzug ihr soziales Milieu verlassen oder eine Familie gegründet haben. Auch die Amtsanwaltschaft, die die Aufgabe der Staatsanwaltschaft in diesen Verfahren übernimmt und personell mit jedem neuen Prozesstag wechselt, beantragt solche steigenden Strafen, ohne auch nur zu bedenken, dass eine erneute harte Bestrafung zu einem Rückfall führen und das neue Leben ruinieren könnte.

    »Ich habe den Eindruck, bei Ihnen kann man noch was retten«, begründet im Frühjahr 2023 die Amtsanwältin ihr Plädoyer für eine zweimonatige Haftstrafe auf Bewährung wegen versuchten Diebstahls eines Shampoos im Wert von 4,40 Euro. Sie möchte der Angeklagten »vor Augen führen, dass Knast droht«. Die Richterin schließt sich an: »Da muss jetzt mal ein Cut rein.« Eine Bewährungsstrafe bei einem solchen Ladendiebstahl ist eine harte Strafe. Die beschuldigte Person darf sich in der Bewährungszeit nichts mehr zuschulden kommen lassen, sonst muss sie ins Gefängnis. Auch in einem Wiederholungsfall gibt es keine Bewährung mehr.

    Es grenzt an Realitätsferne, wenn irgendjemand glaubt, durch ein weiteres, noch härteres Urteil komme eine Person »endlich zur Einsicht«. Es gibt tatsächlich einige Verfahren, wie das gegen einen Arbeitslosen, der nach acht Verurteilungen wegen Fahrens ohne Fahrschein – die immer höheren Strafen haben keine Verhaltensänderung bewirkt – noch ein neuntes Mal verurteilt wurde. Seine Geldstrafen summieren sich seit 2008 auf über 11 000 Euro, annähernd der Betrag, den Monatstickets im selben Zeitraum gekostet hätten.

    Unter den Verurteilten sind außergewöhnlich freundliche und ehrliche Menschen. Obwohl sie gerade verurteilt worden sind, verabschieden sie sich zugetan: »Danke und bleiben Sie gesund!« Sie sind auch aufrichtig, wie der mehrfach wegen Fahrens ohne Fahrschein verurteilte ausgebildete Fliesenleger, der von einer Richterin gefragt wird, mit welchem Verkehrsmittel er heute zum Gericht gekommen sei: »Mit Öffentlichen.« Ob er ein Ticket habe, beantwortet er ohne zu zögern: »Nein. Ich bin schwarzgefahren. Wie soll ich sonst kommen, wenn ich kein Geld habe? Ich muss doch kommen!« Seine Ehrlichkeit hat ihm nicht geholfen: Das folgende Urteil lautet vier Monate Gefängnis auf zwei Jahre Bewährung.

    Viel Armut in einem so reichen Land

    Nahezu alle Menschen, die hier vor Gericht stehen, sind auf staatliche Leistungen angewiesen. Manche haben einen Migrationshintergrund, teils mit, teils ohne deutsche Staatsangehörigkeit, manche von ihnen leben in Geflüchteten- oder anderen Gemeinschaftsunterkünften. Unter ihnen sind Menschen, die – wie sie es vor Gericht formulieren – immer mal wieder »Hunger«, aber »kein Geld« haben.

    Viele der Angeklagten haben gesundheitliche und psychische Leiden. Sie haben Schwierigkeiten, in der Welt zurechtzukommen, weil diese ihnen Probleme bereitet. Sie geben offen zu, ihr »Leben nicht auf die Reihe« zu kriegen oder dass ihre »Nerven kaputt« seien. Sie führen oft auch kein leichtes Leben, Einzelne haben langjährige Erfahrung mit Obdachlosigkeit oder Drogenabhängigkeit. Es sind zum Teil Menschen, denen das gesellschaftliche Miteinander schwerfällt, oder es schwer gemacht wird und die selbst darunter leiden; die laut eigener Auskunft »schusselig« oder »chaotisch« sind und ständig sämtliche ihrer Papiere, Fahrkarten und Ausweise vergessen oder verlieren. Oder sie sind aufgrund von Unfällen, Todesfällen und anderen Unglücksfällen »vom Schicksal gebeutelt« und werden immer wieder aus der Bahn geworfen. Es sind Menschen darunter, die sich in einem Teufelskreis befinden und es aus eigener Kraft nicht schaffen, sich aus dem Elend zu erlösen.

    Die Lebensrealität vieler Angeklagter steht im krassen Widerspruch zur Äußerung einer Oberamtsanwältin vom März 2023, die in diesem Kontext fast höhnisch wirkt: »Jeder ist nun mal seines Lebens Schmied.«

    Dass eine Verurteilung nicht dabei hilft, aus dem Verhängnis herauszukommen, wissen die Richterinnen und Richter aus ihrer täglichen Erfahrung: Trotz immer höherer Strafen landen viele wieder vor Gericht. Einige haben bis dahin noch nicht einmal ihre letzte Geldstrafe vollständig abbezahlt. Womit auch? Das Bürgergeld sieht keinen Bedarf dafür vor. So wird das Geld zum Überleben noch knapper. Diese Menschen brauchen etwas anderes als ein Gerichtsverfahren, in dem sie – der persönlichen Lebenssituation inadäquat – nach juristischen Vorgaben des Strafgesetzbuchs beurteilt werden. Soziale und gesellschaftliche Probleme lassen sich nicht strafrechtlich lösen.

    Mandatierter und beigeordneter Rechtsbeistand

    Nur etwa jede/r zehnte Angeklagte hat überhaupt eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt. Manche haben sich diese auf eigene Initiative oder mit der Unterstützung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern besorgt, zahlen die Kosten dafür aus eigener Tasche, sind schon vorher beraten worden und werden in der Regel angemessen verteidigt. Anderen wird eine Rechtsanwältin oder ein Rechtsanwalt vom Gericht beigeordnet, wie beispielsweise dem vorläufig Festgenommen, der bis zum Prozesstermin eine Woche inhaftiert war, oder dem Angeklagten, der unter Bewährung steht und dem eine Inhaftierung droht. Einer dieser Anwälte ist häufiger zu sehen, er wird offensichtlich gerne beigeordnet. Deshalb kennt man sich: Er wird von einer Richterin herzlich mit »Hallöchen« begrüßt. Eine Beiordnung wird von Prozessbeteiligten aber auch kritisch betrachtet, wie eine Amtsanwältin in einem Pausengespräch Ende 2022 eingesteht: Das sei »eine Gelddruckmaschine«.

    Beigeordnete Anwältinnen und Anwälte, so der Eindruck, geben sich oft nicht so viel Mühe wie die selbst gewählten. Sie werden ihrer Bezeichnung »Verteidigerin« beziehungsweise »Verteidiger« nicht gerecht. Viele von ihnen sehen ihre Mandantin beziehungsweise ihren Mandaten zum ersten Mal während des Gerichtstermins, manche sprechen vorher noch nicht mal mit ihnen und begrüßen sie erstmals im Gerichtssaal. Einer hat, nachdem seine Mandantin ihren Ladendiebstahl bereut hat, gesagt: »Da kann man nur hoffen, dass es stimmt«, und ihr damit fast unterstellt, die Unwahrheit zu sagen. Ein anderer hat den gesamten Prozessverlauf über kein Wort gesagt und erst die Richterin nimmt ihn nach einer abschließenden Frage des Angeklagten, was das Urteil bedeute, in die Pflicht: »Ihr Anwalt wird Sie darüber aufklären!« Ein weiterer Rechtsanwalt, der sich ebenso wenig durch eine engagierte Verteidigung ausgezeichnet hat, verabschiedet sich nach der Verurteilung seines Mandanten zu 120 Tagessätzen à 15 Euro von der Richterin: »Tschüss, hat Spaß gemacht, auf Wiedersehen!«

    Strukturell repressive Atmosphäre

    Der über 100 Quadratmeter große Verhandlungssaal 0202 befindet sich im Erdgeschoss eines LKA-Gebäudes. Der Gebäudekomplex, die strenge Einlasskontrolle, die kalte Atmosphäre des Wartebereichs im Flur vor dem Gerichtssaal schüchtern ein.

    Die meisten Angeklagten begeben sich allein in diese für sie ungewohnte Situation. Manche werden auch zwangsvorgeführt, beispielsweise diejenigen, die ihre Briefe nicht öffnen, von den Vorladungen keine Kenntnis nehmen und deshalb morgens um sieben Uhr von der Polizei zu Hause abgeholt werden. Im Saal müssen sie sich erst orientieren, die wenigsten finden sich auf Anhieb zurecht. Sie werden deshalb mal freundlich, mal im Befehlston darauf hingewiesen, wohin sie sich setzen sollen beziehungsweise wohin nicht. Demütig fragen manchmal Angeklagte um Erlaubnis für das Natürlichste der Welt: »Darf ich meine Jacke ausziehen?« Oder: »Darf ich meine Tasche abstellen?« Verunsichert blicken sie von unten auf die erhöht sitzenden Richterinnen und Richter.

    Juristendeutsch statt leichte Sprache

    Einschlägig, Amtsanwältin, Schlussvortrag oder Geschäftsstelle gehören hier zum alltäglichen juristischen Vokabular, mit dem nicht alle hier Angeklagten etwas anfangen können. Um einfache oder leichte Sprache, die hier meist angebracht wäre, bemüht sich keiner der Prozessbeteiligten. Überhaupt gibt es hier wenig Sensibilität für Sprache und Wortwahl. Einen Schwarzen Angeklagten, der eine Krankheit erwähnt hat, fragt eine Richterin ohne mit der Wimper zu zucken, ob das »Schwarzfahren« auch mit seiner Erkrankung zu tun hätte.

    Allein zu verstehen, was in diesem Saal passiert, fällt vielen Angeklagten schwer. Immer wieder ist bemerkbar, dass Angeklagte noch nicht einmal die Funktion der verschiedenen Prozessbeteiligten kennen und deshalb den gesamten Prozessverlauf nicht richtig verstehen können. Sie wissen nicht genau, wer der Mensch vor ihnen ist, der ihnen sagt, wann sie reden dürfen. Sie wissen nicht, wer der Mensch an der Seite ist, der die Vorwürfe vorliest und später eine Strafe beantragt. Das zeigt sich wiederholt unmittelbar nach dem Schlusswort der Amtsanwaltschaft, wenn die Angeklagten das letzte Wort erhalten. So glaubt beispielsweise ein 30-Jähriger, der Antrag auf 120 Tagessätze zu 10 Euro sei schon das Urteil gewesen und erklärt: »Ich hab nicht verstanden, wie viel ich zahlen soll.« Fragen wie »Wie viel muss ich bezahlen?« oder »Kann ich das auch in Raten zahlen?« sind nach dem staatsanwaltschaftlichen Plädoyer keine Seltenheit. In einem Fall ist es nach solchen »letzten Worten« eines Angeklagten sogar vorgekommen, dass – ohne weitere Worte und ohne die Frage zu beantworten oder den Antrag der Amtsanwaltschaft zu erklären – unmittelbar das Urteil verkündet wurde.

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    Eine andere Beschuldigte hat noch weniger verstanden und äußert nach dem Plädoyer für 60 Tagessätze zu 15 Euro: »15 Euro? Einverstanden.« Auch sie wird nicht darüber informiert, was »Tagessätze« bedeutet oder über das Recht und die Funktion des letzten Wortes in einem Gerichtsprozess unterrichtet. So geschieht es auch bei Nachfragen nach der Urteilsbegründung. Angeklagte werden stattdessen lapidar verabschiedet: »Sie bekommen Post, da steht alles drin.« Die unwissenden Angeklagten werden teilweise nicht aufgeklärt. Sie werden sogar gelegentlich gar nicht ernst genommen und respektlos behandelt.

    Es geht allerdings auch anders. Anfang November 2022 stellt eine junge, 1998 geborene Richterin zu Verhandlungsbeginn sich und die anderen Anwesenden mit Funktion und Name vor. In einem dem Prozess folgenden Pausengespräch meint dann die Amtsanwältin: »Mir macht das ja nichts aus, aber meine Kollegen werden das nicht gut finden, wenn sie namentlich vorgestellt werden.« Die Richterin, darüber etwas erschrocken, entschuldigt sich: »Dazu habe ich mir gar keine Gedanken gemacht. Das ist ja auch eine Sache des Datenschutzes.« Das stimmt nicht ganz, da die Namen auch im Urteil stehen. Die Anmerkung der Amtsanwältin hat jedenfalls dazu geführt, dass das vorbildliche Vorgehen der am Berufsanfang stehenden Richterin damit beendet war. Beim folgenden Prozesstermin hat sie auf eine Vorstellung der Prozessbeteiligen verzichtet. Die Hoffnung auf Veränderung schwindet dahin.
    Übersetzungsfehler

    Für einen polnischen Staatsbürger, im August 2022 angeklagt wegen Diebstahls von Lebensmitteln in einem Rewe-Supermarkt, übersetzt ein Dolmetscher die Worte der Amtsanwältin. Auf einmal spricht der Angeklagte dazwischen, zunächst leise auf Polnisch, dann versucht er es etwas lauter auf Deutsch: »Ich verstehe nicht.« Die Anklägerin weist ihn umgehend zurecht: »Herr P., jetzt rede ich!« Die Richterin pflichtet ihr bei: »Die Amtsanwältin hat das Wort!« Diese spricht ihre Sätze zu Ende, der Dolmetscher übersetzt weiter als sei nichts gewesen. Danach gibt es keine Nachfrage mehr, auch der Dolmetscher schweigt, obwohl der Angeklagte offensichtlich etwas in seinem eigenen Verfahren nicht verstanden hat.

    Auch zu Missverständnissen bei der Übersetzung kommt es immer wieder. Eine Dolmetscherin versteht »gestohlene Hosen« statt »gestohlene Dosen« und übersetzt entsprechend. Der Angeklagte sieht sie sichtlich irritiert an. Erst als »Dosen« erneut fällt, bemerkt sie ihren Fehler und ist so ehrlich, ihn transparent zu machen. Sie erbittet sich Zeit, die fehlerhafte Übersetzung zu korrigieren. Es steht zu vermuten, dass viele Übertragungsfehler und Ungenauigkeiten nicht aufgedeckt werden, besonders in Verfahren, in denen alles beschleunigt ablaufen soll. Oft entsteht auch der Eindruck, dass die Dolmetscherinnen und Dolmetscher nicht vollständig übersetzen, weil ihre Übertragung weitaus kürzer ist als das zu übersetzende gesprochene Wort.

    Angeklagte, die vor Gericht eine Übersetzung benötigen, haben danach keine Dolmetscherin und keinen Dolmetscher mehr zur Verfügung, um beispielsweise Berufung gegen das Urteil einzureichen. Da Rechtsmittel nur in deutscher Sprache eingelegt werden können, bleibt ihnen dieser Rechtsweg zumindest erschwert.

    Kein öffentliches und politisches Interesse

    Die für alle frei zugänglichen Verfahren hier am Tempelhofer Damm stoßen auf wenig öffentliches Interesse. Die Besuchsbänke bleiben meist leer. Neben Aktivistinnen von »Justice Collective«, die einzelne Gerichtsprozesse gegen von Armut, Ungleichheit und Rassismus Betroffene beobachten, sind höchstens ein paar Praktikantinnen und Praktikanten der Justiz anwesend, die ab und zu dorthin geschickt werden und in den drei unbequemen Bankreihen mit jeweils neun Sitzen Platz nehmen.

    Die fehlende Öffentlichkeit für diese örtlich ausgelagerten Verfahren liegt auch daran, dass es politisch wenig Interesse daran gibt. Die Gerichtsverwaltung und die Berliner Senatsverwaltung für Justiz führen noch nicht einmal eine Übersicht über die Anzahl der Verfahren in Tempelhof.

    Richterinnen, Richter und Justizbeamte äußerten mehrmals, dass es hier doch »nicht so spannend« sei. Hier würden »keine Klimakleber angeklagt«, begründet dies ein Richter, der 2023 kurzzeitig als Krankheitsvertretung eingesprungen ist. Allerdings liegen sie alle falsch. Hier im Saal 0202 ist es durchaus interessant und die Verfahren haben Öffentlichkeit verdient. An nur einem x-beliebigen Tag lernt man viel über die soziale Verfasstheit der Gesellschaft und des Justizsystems. Selbst Menschen, die keinen großen Glauben mehr an die Gerechtigkeit der deutschen Justiz besitzen, wären überrascht über manche Abgründe, die sich hier auftun.
    »Wenn Sie Hunger haben, warum gehen Sie nicht zurück in Ihre Heimat?«

    An einem Sommervormittag verliest die Amtsanwältin die Anklage gegen eine Moldauerin und deren volljährige Tochter. Die beiden werden beschuldigt, durch selbstständige Handlungen »eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht weggenommen zu haben, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen«, wie es in Juristensprache heißt. Die Mutter, so die Anklage weiter, habe beim Einkauf in einem Aldi-Discounter Erdbeeren, Ketchup und andere Lebensmittel sowie Kosmetika im Verkaufswert von 55,89 Euro in die Taschen ihres »Klaurocks« getan. Die Tochter habe sie dabei abgeschirmt.

    Die anwesende Dolmetscherin übersetzt alles simultan ins Russische und bei der anschließenden Befragung die Antworten der Angeklagten ins Deutsche. Ob sie hier im Land bleiben wolle, ist die erste Frage der Richterin, die bejaht wird. Warum habe sie einen »Klaurock« getragen, will die Richterin weiter wissen. »Wir tragen oft Röcke mit Taschen«, lautet die übersetzte Antwort. Die Richterin kommentiert: »Das kann ich mir vorstellen.«

    Tempelhofer Justizgeschichten

    Besonders bei einer der beiden hier in Berlin-Tempelhof zuständigen Richterinnen ist so eine Befragung nicht untypisch. Immigrantinnen und Immigranten wurden in den vergangenen anderthalb Jahren beispielsweise gefragt: »Was wollen Sie hier in Deutschland?« Oder: »Warum sind Sie gekommen … «, um dann gleich eine mögliche Antwort vorzugeben: »… um hier ein besseres Leben zu haben?« Oder: »Haben Sie in Ihrer Heimat auch so viel gestohlen?« Oder: »Jetzt sind Sie schon viele Jahre in Deutschland. Warum sprechen Sie noch kein Deutsch?« Oder, an eine Frau mit krankem Sohn gerichtet: »Wenn er wieder gesund ist, wollen Sie dann wieder zurück oder hierbleiben?« Nach solchen Fragen folgt auch mal eine Anmerkung: »Ich habe den Eindruck, dass Sie hierhergekommen sind, um Straftaten zu begehen.« Oder: »Wenn Sie immer weiter Straftaten begehen, ist klar, dass Sie wieder ausreisen müssen.« Oder empathielos zu einer Asylantragstellerin: »Mal schauen, wie das [Asylverfahren] ausgeht nach einer Vorstrafe.« Die Fragen und Kommentare erstaunen jedes Mal aufs Neue, zumal sie weder für die Tataufklärung noch für die Festlegung der Strafzumessung relevant sind.

    Wiederholt drängt sich der Gedanke auf, die Richterin habe Vorurteile. »Warum haben Sie gestohlen?«, fragt sie weiter, worauf die Moldauerin antwortet: »Ich hatte Hunger.« Darauf erneut die Richterin: »Wenn Sie Hunger haben, warum gehen Sie nicht zurück in Ihre Heimat?«

    Im anschließenden Plädoyer spricht die Amtsanwältin von krimineller Energie der Angeklagten, hat aber auch einen gut gemeinten Rat: Es gebe Essensküchen und die Tafeln. In Deutschland müsse man nicht verhungern. Sie fordert eine Geldstrafe von 50 Tagessätzen in Höhe von je 10 Euro. Das Urteil lautet dann für beide Beschuldigten sechs Wochen Freiheitsstrafe ohne Bewährung. Die Richterin begründet das mit Wiederholungsgefahr. Das Urteil solle davor abschrecken, erneut zu stehlen.

    Den Aufgaben nicht nachgekommen

    Sie fühle sich nicht am richtigen Platz, äußerte die oben bereits erwähnte junge Richterin in einem weiteren Pausengespräch mit der Amtsanwältin. Hier sei es eintönig, hier gebe es »nicht das große Unrecht«, stattdessen immer dieselben Delikte. Das sei für den Berufsanfang gut, aber rechtlich und juristisch diskutiere man hier nichts. Deshalb wird sie nach Moabit zu den »großen Fällen« wechseln: Gewaltdelikte, schwerer Raub, gewerbsmäßiger Diebstahl. Das sei dann »nicht mehr lustig«, ergänzt die Amtsanwältin, als ob es hier in Tempelhof lustig wäre. Eine andere Richterin, die hier schon seit über 15 Jahren arbeitet, fühlt sich sehr wohl. Sie kann, so der Eindruck, bis zu ihrer Pensionierung eine ruhige Kugel schieben.

    Vielleicht finden es Richterinnen und Richter auf Dauer nervig, wenn sie den Eindruck gewinnen, wiederholt angelogen zu werden. Oder wenn Menschen vor ihnen sitzen, mit denen eine Konversation schwierig ist, die vor sich hin erzählen, auch wenn andere gerade sprechen. Oder wenn der stechende Geruch von Alkohol und ungewaschener Kleidung hoch zum Richterpult dringt und keine Möglichkeit besteht auszuweichen. Vielleicht sind das auch Gründe dafür, dass Amtsanwältinnen und Amtsanwälte, Richterinnen und Richter abstumpfen, die Menschen und ihre Probleme nicht mehr sehen und ihren eigenen Aufgaben nicht mehr nachkommen: In keinem öffentlichen Verfahren wurde beispielsweise eine Gutachterin oder ein Gutachter beauftragt, nach Paragraf 20 StGB zu prüfen, ob eine »Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen« vorliegen könne, weder bei Menschen, die sich kaum verständigen können, noch bei Angeklagten, die unter Alkoholeinfluss geklaut und alkoholisiert und nahezu unzurechnungsfähig vor Gericht erschienen sind.

    Das Schicksal der Menschen interessiert hier nicht

    Bei der ersten Verhandlung des Tages im Februar 2024 gegen eine Iranerin sitzen zwei Justizbeamte mit im Gerichtssaal. Das gab es bislang nur ein anderes Mal, als sich eine Richterin vor tätlichen Angriffen eines Angeklagten fürchtete und deshalb um Beistand bat. Heute geht alles seinen gewohnten Gang, die Angeklagte wird zu 60 Tagessätzen in Höhe von 15 Euro verurteilt. Dann kommt die Überraschung: »Gegen Sie liegt ein Haftbefehl vor«, sagt die Richterin nach der Urteilsbegründung. Von der letzten Strafe aus dem Oktober 2021, 30 Tagessätze zu 15 Euro, seien bislang nur 15 Euro eingegangen. 435 Euro und die Gerichtskosten sind noch offen. »Da sind noch 29 Tage zu verbüßen. Die Wachtmeister werden Sie jetzt abführen.« Es folgt eine Verhaftung im Gerichtssaal.

    Wie es mit den Angeklagten nach dem Urteil weitergehen wird, ist nicht Gegenstand der Gerichtsverfahren. Darum müssen sich Richterinnen und Richter nicht kümmern, und daher muss es sie auch nicht interessieren, wie die Verurteilten eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen – die etwa zwei Netto-Monatseinkommen entsprechen – aufbringen sollen. Sie bekommen nicht mit, auf welche Schwierigkeiten die Menschen stoßen werden, die eben noch vor ihnen saßen. Sie erfahren nicht, dass die Verurteilten von der Bürokratie überfordert werden, dass die Versuche scheitern, Ratenzahlungen zu vereinbaren, dass die Möglichkeit, die Geldstrafe durch eine gemeinnützige Tätigkeit abzuarbeiten, nicht genutzt wird oder misslingt, dass es in manchen Fällen auch zu einer ersatzweisen Vollstreckung, also zu Gefängnis, kommen wird. Wenn Angeklagte vor Gericht von diesen Schwierigkeiten erzählen wollen, wird ihnen regelmäßig das Wort entzogen. »Das tut nichts zur Sache.« Die Richterinnen und Richter interessieren die Menschen einfach nicht.

    #Berlin #Tempelhof #Klassenjustiz

  • Gerichtsreportage: Es muss nicht immer Knast sein
    https://www.nd-aktuell.de/artikel/1181308.klassenjustiz-gerichtsreportage-es-muss-nicht-immer-knast-sein.ht

    8.4.2024 von Niels Seibert - Beginnen wir mit einem Ratespiel. Am 11. Januar 2023 haben in Berlin zwei Gerichtsverhandlungen unmittelbar nacheinander im gleichen Saal bei der gleichen Richterin stattgefunden. In beiden Fällen sind die Angeklagten dreimal bei einem versuchten Ladendiebstahl erwischt worden. Die Ware ist jeweils im Geschäft verblieben, es ist kein Schaden entstanden. Beide stehen erstmals vor Gericht, sind nicht vorbestraft. Sie gestehen die Tat und entschuldigen sich in der laufenden Verhandlung.

    Das erste Verfahren läuft gegen eine deutsche Staatsbürgerin: Die Lehrerin hat 3400 Euro Nettoeinkommen. Sie hat bei Edeka beim ersten Mal Süßwaren und Hackfleisch, beim zweiten Mal Fisch und Wurst sowie bei einem dritten Mal Fleisch im Wert von etwa 36 Euro eingesteckt, ohne zu bezahlen. Gegen einen georgischen Staatsbürger, der auf Grundleistungen angewiesen ist und monatlich knapp 400 Euro erhält, wird das zweite Verfahren geführt. Er hat bei Galeria Kaufhof, Decathlon und Deichmann versucht, sich ein neues Paar Schuhe zu besorgen. 49,99 Euro hätten die Deichmann-Schuhe gekostet. Nun die Frage: Welche Urteile wurden in den beiden Verfahren gefällt?

    Für den im Kaukasus geborenen, arbeitslosen Angeklagten fordert die Anklägerin in ihrem Schlussvortrag aufgrund der »hohen Tatwerte«, gemeint ist der Wert der Schuhe, eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 15 Euro, insgesamt 2700 Euro. Die Lehrerin müsste bei dieser Höhe – 180 Tagessätze zu dem an ihr Einkommen angepassten Satz von 110 Euro – knapp 20 000 Euro zahlen. Unschwer zu erahnen: Es kam anders.

    Die angeklagte Lehrerin ist gleich zu Beginn eloquent aufgetreten. Das ist nicht üblich an dieser Außenstelle des Amtsgerichts Tiergarten, hier am Tempelhofer Damm, wo hauptsächlich gegen sozial benachteilige Menschen verhandelt wird. Als sie die Höhe ihrer monatlichen Einkünfte nennt, wird erstaunt aufgemerkt. Gutverdienende stehen hier nur äußerst selten vor Gericht. Ihre bevollmächtigte Rechtsanwältin führt dann in der Verhandlung aus, die Anklage habe Wirkung gezeigt, sei ein »heilsamer Schock« gewesen, ihre Mandantin sei geläutert. Sie regt eine Einstellung des Verfahrens an – mit der Auflage einer Zahlung an eine gemeinnützige Organisation. Die Staatsanwaltschaft ist einverstanden, man einigt sich auf 500 Euro. Das Verfahren wird ohne Urteil eingestellt.

    Das Urteil in der darauffolgenden Verhandlung gegen den georgischen Arbeitslosen fällt dagegen verhältnismäßig hart aus: Fünf Monate Freiheitsstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Es ist leicht zu bemerken: Wer reich ist, kommt bei Gericht gut weg, wer dagegen arm ist, dem droht Knast.

    Ersatzfreiheitsstrafe ist keine Lösung

    Ob diese Einzelfälle verallgemeinerbar sind und man von Klassenjustiz sprechen kann, lässt sich nicht belegen. In keiner anderen der 100 besuchten Verhandlungen in Tempelhof war eine so gutverdienende Person angeklagt. Das Ergebnis der Verhandlung, die Einstellung gegen Zahlung an eine gemeinnützige Organisation, gehört jedenfalls zu den seltenen Ausnahmen.

    In über 90 Prozent der verhandelten Verfahren kommt es zu Verurteilungen. In diesem Gerichtssaal am Tempelhofer Damm nimmt also alles seinen Anfang. Hier werden die Urteile gefällt über Angeklagte, die versucht haben, Lebensmittel im Supermarkt zu stehlen oder die den öffentlichen Personennahverkehr ohne gültigen Fahrschein genutzt haben. Mit ihren ohnehin sehr geringen Einkünften müssen sie nun noch eine Strafe abbezahlen und haben dadurch noch weniger Geld. Und wenn sie ihre Geldstrafe nicht zahlen können, müssen sie eine Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis absitzen. Jedes Jahr werden deshalb in Deutschland über 50 000 – vor allem ärmere – Menschen inhaftiert.

    Das wird als Problem erkannt. Deshalb gibt es Initiativen wie freiheitsfonds.de, die Betroffenen finanziell helfen, oder die Anregung der Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers aus dem vergangenen Jahr, die Tagessatzhöhe für Mittellose auf fünf Euro zu senken. Noch weiter geht die von der Linksfraktion 2023 im Bundestag vorgeschlagene Orientierung am Einbußeprinzip, das eine Geldstrafe vorsieht, die neben der Lebensführung beglichen werden kann. Bei Personen, die am Existenzminimum leben, können dies auch sehr geringe Beträge ab einem Euro pro Monat sein.

    Zu den Reformen gehören auch die 2023 vom Bundestag beschlossene Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafen und die angestrebte Entkriminalisierung des Fahrens ohne Fahrschein durch Streichung des im Nationalsozialismus eingeführten Paragrafen 265a StGB. Aber all das wird nichts Grundsätzliches daran ändern, dass weiterhin mittellose Menschen wegen Bagatelldelikten wie Ladendiebstahl verurteilt werden. Die Armutsbestrafung – wie sie kritisch genannt wird – geht weiter.

    Läden und Verkehrsbetriebe

    Neben dem Gesetzgeber könnten auch die Geschäfte und Verkehrsgesellschaften einen anderen Umgang finden. Bei allen Diebstahlversuchen konnte die Ware weiter verkauft werden. In keinem der Fälle erlitt der Laden ein Verlust. Im Gegenteil, manchmal zahlen die auf frischer Tat Ertappten eine »Vertragsstrafe«, auch »Fangprämie« genannt, bei Edeka in Höhe von 100 Euro, bei Rossmann 75 Euro. Die Geschäfte könnten nach dieser Zahlung von einer Anzeige absehen und damit weiteres Unheil verhindern. Das tun sie aber oft nicht. So kommt es zu einer Anklage, einem Prozess und einer zweiten Geldstrafe, dieses Mal durch ein gerichtliches Urteil.

    Über das Berliner Neun-Euro-Ticket für Sozialleistungsbeziehende sind die wenigsten der Angeklagten informiert, die bei einer Ticketkontrolle erwischt wurden. Sie legen stattdessen dem Gericht auf Nachfrage oft ein teureres Monatsticket, auch mal ein überteuertes Touristenticket oder mehrere Einzelfahrscheine vor und belegen damit, dass sie inzwischen nicht mehr ohne Fahrschein fahren. Mit dem Kauf dieser kostspieligen Tickets schenken sie der BVG Geld, weil sie die günstigste Ticketvariante offensichtlich nicht kennen oder die für das Sozialticket notwendige Beantragung einer Kundenkarte für sie zu kompliziert ist.

    Aus der Zeit des bundesweit gültigen Neun-Euro-Tickets von Juni bis August 2022 gab es übrigens so gut wie keine Anklagen. Die Anklagen wegen »Erschleichens von Leistungen«, wie sich dieser Straftatbestand nennt, konzentrierten sich auf die Monate bis Mai und dann wieder ab September 2022. Unabhängig davon, ob in der Zeit auch weniger Kontrollen stattfanden, weist dieses Phänomen womöglich auf einen Ausweg aus der Misere: Ein öffentlicher Personennahverkehr mit einem bekannten, preisgünstigen und einfach zu erwerbenden Monatsticket könnte solche Anklagen und Verurteilungen reduzieren.
    Lehrreiche Ausnahme: Ein Freispruch

    Der einzige Freispruch, den es in den 100 besuchten Verhandlungen gab, verdient eine Würdigung. Es ist ein besonderer Gerichtstermin. Herr G. erscheint an diesem Januarmorgen mit seinem gesetzlichen Betreuer und seinem Rechtsanwalt. Außerdem sind drei Zeugen geladen: zwei BVG-Kontrolleure und die Schwester des Angeklagten. So viele Beteiligte gibt es selten bei einem Verfahren hier am Tempelhofer Damm.

    Der 1989 geborene G. hat einen Hauptschulabschluss. Er bezieht Bürgergeld und bemüht sich gerade um einen Job als Landschaftsgärtner auf einem Friedhof. Diesen würde er gerne ausüben, sagt er, weil er nicht mit Menschen klarkomme und an diesem Arbeitsort wenig Kontakt mit ihnen hätte. Seit seinem 19. Lebensjahr hat er einen gesetzlichen Betreuer, weil – so formuliert es G. – er selbst »nicht gut mit Geld umgehen« könne. »Ich vergesse sehr viel«, gibt er zu.

    Um seine Finanzen kümmert sich ein Betreuer. Dieser hat errechnet, dass G. nach Abzug seiner laufenden Kosten – beispielsweise Strom – im Monat noch 280 Euro zur Verfügung hat. Davon muss G. noch eine Strafe in monatlichen Raten von 50 Euro abzahlen. Somit bleiben weniger als 60 Euro pro Woche für Ernährung, Kleidung, Körperpflege und andere persönliche Bedürfnisse. Das ist die Lebensrealität vieler hier Angeklagter.

    In den vergangenen 18 Monaten wurde er dreimal in Berliner U- und Straßenbahnen ohne Fahrschein angetroffen. Er hat jedoch seit zwei Jahren durchgehend eine Monatskarte, berichtet sein Betreuer, diese aber offenbar nicht mitgeführt. Warum er sie dann nicht nachträglich bei der BVG vorgelegt habe, fragt der Richter. »Das kostet auch sieben Euro Bearbeitungsgebühr«, antwortet der Betreuer. Sieben Euro zahlen sei besser als ein Strafverfahren, kommentiert der Richter. »So weit hat Herr G. nicht gedacht«, meint der Betreuer.

    Die beiden geladenen Zeugen der BVG können sich aufgrund ihrer zahlreichen Fälle erwartungsgemäß an den Angeklagten nicht erinnern – und damit auch nicht an seine Äußerungen, warum er bei der Kontrolle kein Ticket dabei hatte.

    Seine jüngere Schwester, Büroangestellte in Berlin, berichtet im Zeugenstand, dass er einen gültigen Fahrschein hatte: »Seit Oktober vor jetzt über zwei Jahren kaufe ich für ihn die Monatskarten. Er holt sie sich bei mir ab oder wir kaufen zusammen eine.« Warum sie das tue, fragt der Richter nach. »Soll ich ehrlich sein? Dummheit. Er ist verplant und verpeilt. Er vergisst sein Portemonnaie. Er weiß nicht, welcher Wochentag ist. Wir arbeiten daran, es wird besser.« Wenn sie mit ihm weggeht, frage sie ihn immer: »Handy, Schlüssel, Portemonnaie – hast du alles dabei?«

    Vorbildliche geschwisterliche Hilfe

    So unterstützt sie ihn seit über zwei Jahren. Anlass waren seine letzte Verurteilung zu einer Geldstrafe wegen Fahrens ohne Fahrschein und ihre Feststellung, dass er aus dem Teufelskreis ohne Hilfe nicht allein herauskommen kann. Da er nachweislich einen Fahrschein hatte, beantragten Staatsanwaltschaft und Verteidiger einen Freispruch. Der Richter folgt den Plädoyers.

    Das Beispiel zeigt, dass eine verbindliche und regelmäßige Unterstützung mehr helfen kann als wiederholte Strafanzeigen und gerichtliche Strafen. Diese Schwester, die sich ihres schusseligen Bruders angenommen hat, ist die einzige Heldin in all den überwiegend traurigen Gerichtsgeschichten vom Tempelhofer Damm. Sie kümmert sich beispielgebend um ihren Bruder, hat ihm vermutlich den guten Betreuer besorgt und nach der erneuten Anklage auch den souveränen Rechtsanwalt.

    Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind hier jedoch die Ausnahme: Weniger als zehn Prozent der Angeklagten werden anwaltlich vertreten. Nur wegen eines solchen Rechtsbeistands kam es in den 100 beobachteten Fällen überhaupt zu Verfahrenseinstellungen, die äußerst selten sind – wie im Beispiel der Lehrerin. Ohne juristische Verteidigung ist eine Verurteilung so gut wie sicher.

    Der erste Teil dieser zweiteiligen Reportage erschien am 6. April in »nd.Die Woche«. Ein Kommentar des Geschäftsführers des Republikanischen Anwältinnen- und Anwältevereins (RAV), Lukas Theune, zu diesen Verfahren ist ebenfalls erschienen.

    #Berlin #Tempelhof #Klassenjustiz

  • Zionism Killed the Jewish-Muslim World -An interview with Ariella Aïsha Azoulay
    https://jacobin.com/2024/04/zionism-palestinian-jews-imperialism-history


    Jews in the town of Buqei’a, Palestine, circa 1930. (Keren Kayemet Leyisrael via Wikimedia Commons)

    11.4.2024 interview by Linda Xheza - In an interview with Jacobin, filmmaker and academic Ariella Aïsha Azoulay traces how Western powers’ exploitation of Zionism led not just to the ethnic cleansing of Palestine but to the demise of Jewish communities across the Middle East.

    Born in Israel, Ariella Aïsha Azoulay, a filmmaker, curator, and academic, rejects the identity of Israeli. Before becoming an Israeli at age nineteen, her mother was simply a Palestinian Jew. For much of history, there was nothing unusual in this combination of words. In Palestine, a Jewish minority lived peacefully alongside the Muslim majority for centuries.

    This changed with the Zionist movement and the foundation of Israel. The ethnic cleansing of Jews from Europe would lead, thanks to European Zionists, not only to that of Muslims from Palestine but of Jews from the rest of the Middle East, with nearly a million fleeing as a result of the 1948 Arab-Israeli War, many to Israel.

    In an interview with Jacobin, Azoulay contextualizes Israel’s genocide in Gaza in the long history of European and US imperialism. Azoulay is a professor of comparative literature at Brown and the author of Potential History: Unlearning Imperialism (Verso, 2019).

    Linda Xheza

    You identify as a Palestinian Jew. Could you tell us more about this? To many people these words stand in opposition.

    Ariella Aïsha Azoulay

    That these terms are understood as mutually exclusive, or in opposition, as you suggest, is a symptom of two centuries of violence. In a lapse of a few generations, diverse Jews who lived all over the world have been deprived of their various attachments to land, languages, communities, occupations, and forms of sharing the world.

    The question that should preoccupy us is not how to make sense of the supposed impossibility of Palestinian-Jewish identity but rather the reverse: How it is that the fabricated identity known as Israeli became recognized by many across the globe after the creation of the state in 1948 as an ordinary one? Not only does this identity obscure the history and memory of diverse communities and forms of Jewish life, but it also obscures the history and memory of what Europe did to the Jews in Europe and in Africa and Asia in its colonial projects.

    Israel has a shared interest with those imperial powers to obscure the fact that “the state of Israel was not created for the salvation of the Jews; it was created for the salvation of the Western interests,” as James Baldwin wrote in 1979 in his “Open Letter to the Born Again.” In his letter, Baldwin lucidly compares the Euro-American colonial project for the Jews with the US project for blacks in Liberia: “The white Americans responsible for sending black slaves to Liberia (where they are still slaving for the Firestone Rubber Plantation) did not do this to set them free. They despised them, and they wanted to get rid of them.”

    Prior to the proclamation of the State of Israel and its immediate recognition by the imperial powers, Palestinian-Jewish identity was one of many that existed in Palestine. The term “Palestinian” was not yet connotated with racialized meaning. My maternal ancestors, who were expelled from Spain in the late fifteenth century, ended up in Palestine before the Euro-Zionist movement began its actions there and before the movement gradually began conflating assisting Jews in response to antisemitic attacks in Europe with the imposition of a European-modeled project of colonization for Jews to partake in — a project not only construed as one of Jewish liberation but predicated upon European crusade against Arabs. Decolonization requires recovering the plural identities that once existed in Palestine and other places in the Ottoman Empire, notably ones whereby Jews and Muslims coexisted.

    Linda Xheza

    In your most recent film, The World Like a Jewel in the Hand, you discuss the destruction of a shared Muslim-Jewish world. You foreground a call by Jews who, in the late 1940s, rejected the European Zionist campaign and urged their fellow Jews to resist the destruction of Palestine. Given the recent destruction of lives, infrastructure, and monuments in Gaza, do you think it is still possible for Jews and Muslims to reclaim their shared world?

    Ariella Aïsha Azoulay

    First, the historical part. Zionists have sought to forever erase this call by anti-Zionist Jews from our memories. These Jewish elders were part of a Jewish-Muslim world, and they didn’t want to depart from it. They warned against the danger Zionism posed to Jews like them across this world that existed between North Africa and the Middle East, including in Palestine.

    We must recall that until the end of World War II, Zionism was a marginal and unimportant movement among Jewish peoples around the world. Hence, until that time, our elders didn’t even have to oppose Zionism; they could simply ignore it. It was only after World War II, when the surviving Jews in Europe — who were mostly not Zionists prior to the war — had almost nowhere to go, that Euro-American imperial powers seized the opportunity to support the Zionist project. For them, it was a viable alternative to having Jews remain in Europe or migrate to the United States, and they used the international organs they created to accelerate its realization.

    In so doing, they propagated the lie that their actions constituted a Jewish liberation project, while, in actuality, this project perpetuated the eradication of diverse Jewish communities far beyond Europe. And even worse, Jewish liberation was leveraged as a license and reason to destroy Palestine. This could not have been pursued without a growing number of Jews becoming Europe’s mercenaries: Jews who had migrated to Palestine while fleeing from or after surviving genocide in Europe, the Palestinian Jews who predated the arrival of the Zionists, and those Jews who were lured to come to Palestine or left with no other choice but to depart from the Muslim-Jewish world since Israel was established, with a clear agenda, to be an anti-Muslim and anti-Arab state — all were encouraged by Europe and European Zionists to see Arabs and Muslims as their enemies.

    We should not forget that Muslims and Arabs were never the enemies of the Jews and, moreover, that many of these Jews living in the majority-Muslim world were themselves Arabs. It is only with the creation of the State of Israel that these two categories — Jews and Arabs — became mutually exclusive.

    The destruction of this Jewish-Muslim world following World War II enabled the invention of a Judeo-Christian tradition, which would become, from that moment on, a reality, since Jews no longer lived outside of the Christian Western world. The survival of a Jewish regime in Israel required more settlers, and thus Jews of the Muslim-Jewish world were forced to leave to become part of this ethnostate. Detached and deprived of their rich and diverse histories, they could be socialized to this role assigned to them by Europe — mercenaries of this settler-colonial regime to restore Western power in the Middle East.

    Understanding this historical context doesn’t reduce the Zionist perpetrators’ responsibility for the crimes they committed against Palestinians over the decades; rather, it reminds one of Europe’s role in the destruction and extermination of Jewish communities mainly, but not only, in Europe, and its role in handing over Palestine to the Zionists, the alleged representatives of the survivors of this genocide who formed a Western post for these same European actors in the Middle East.

    Paradoxically, the only place in the world where Jews and Arabs — most of whom are Muslims — share the same piece of land today is between the river and the sea. But since 1948, this place has been defined by genocidal violence. The urgent questions now are how to stop the genocide and how to halt the introduction of more arms to this area.

    In Eichmann in Jerusalem, Hannah Arendt describes the contradictory sentiments felt by Jewish survivors of the Holocaust during the years they spent in camps for displaced persons in Europe. On the one hand, she said, the last thing they could imagine was to live once again with the perpetrators; on the other hand, she said, the thing they wanted most was to return to their places. It should not surprise us that after this genocide in Gaza, Palestinians may not be able to imagine sharing a world with their perpetrators, the Israelis. However, is that a proof that this world, where Arabs and Zionist Jews found themselves together, should also be destroyed to rebuild Palestine out of the ashes? It is only under the Euro-American imperial political imagination that a tragedy on the scale of World War II and the Holocaust could have ended with such brutal solutions as partitions, population transfers, ethno-independence, and the destruction of worlds.

    We, on a global scale, have an obligation to claim what I’ve called the right not to be a perpetrator and exercise it in any possible way. Dockworkers who refuse to ship arms to Israel, students who commit themselves to hunger strikes to pressure their universities to divest, Jews who disrupt with their communities and families and reclaim their ancestral rights to be and speak as anti-Zionists, protesters who occupy state buildings and train stations and risk being arrested — they are all motivated by this right even if they do not articulate it in these terms. They understand the role their governments, and more broadly the regimes under which they are governed as citizens, play in the perpetuation of this genocide, and they understand, as the common slogan says, that it is done in their name.

    Linda Xheza

    Those calling for a cease-fire are also Jewish. But even Jewish voices are being silenced. In Germany, for example, the work of well-established Jewish artists has been canceled. Do you think there is an interest in reinforcing a dominant narrative that has been in place since 1948 by the West and the State of Israel while suppressing Jewish voices that oppose the violence perpetrated in their name?

    Ariella Aïsha Azoulay

    It is true that Jewish voices are being silenced, but this is hardly anything new. Jewish voices were silenced immediately after World War II, when the survivors were left with no choice but to stay for years in deracinated camps. During that time, properties looted from their communities, rather than being either restituted to the places in Europe from where they were spoiled, were split by the National Library in Jerusalem and the Library of Congress in Washington like trophies. And not only was the collective trauma of the survivors — and us, their descendants — not attended to, we were silenced through this lie of a liberation project premised on a Zionist narrative of liberation through the colonization of Palestine, which would in turn provide Euro-American powers with another colony to service their imperial interests.

    The exceptionalization of the suffering of the Jews was not a Jewish discursive project but a Western one, part of the exceptionalization of the genocidal violence of the Nazis. In the grand narrative of Western triumph over this ultimate force of evil, the State of Israel became an emblem of Western fortitude and marked the endurance of the Euro-American imperial project. Within this grand narrative, Jews were forced to transform from traumatized survivors into perpetrators. Jews from all over the world were sent to win a demographic battle, without which the Israeli regime could not last. The second and third generations born to this project were born with no histories or memories of their anti-Zionist or non-Zionist ancestors, let alone memories of the other worlds of which their ancestors were part. What’s more, they were totally dissociated from the history of what Palestine used to be and from its destruction. Thus, they were easy prey for a nation-state marketed by the Zionists and Euro-American powers as the culmination of Jewish liberation.

    The Nakba, in this sense, was not only a genocidal campaign against Palestinians but also, at the same time, one against Jews, upon whom Europe forced another “solution” after the final one. Without the massive imperial powers’ funding and arms, the mass killing in Gaza would have ceased after a short while, and the Israelis would have to ask themselves what they were doing, how they arrived to this point, and would be forced to reckon with October 7 and ask themselves why it happened and how to achieve a sustainable life for everyone between the river and the sea.

    Jewish voices in places like Germany or France continue to be the first to be silenced in order to maintain both the Zionist colony and the fabricated cohesiveness of one Jewish people who could be represented by forces that sustain the Euro-American project of white supremacy. No more. The genocidal nature of the Israeli regime is exposed and can no longer be hidden from anyone.

    Linda Xheza

    Do you think there is still a possibility of hope for the Palestinians, and for the rest of us who want to claim a world to share with others?

    Ariella Aïsha Azoulay

    If there is no hope for Palestinians, there is no hope for any of us. The battle of Palestine exceeds Palestine, and the many who protest all around the world know it.

    • Je suis preneur pour des précisions sur les erreurs dans le texte.

      Cette histoire est un processus qu’on ne peut comprendre qu’en remontant jusqu’à la reconquista.

      cf. JUIFS D’AFRIQUE DU NORD ET EXPULSÉS D’ESPAGNE APRÈS 1492 on JSTOR
      https://www.jstor.org/stable/23671572

      Je ne suis pas spécialiste de la question alors j’ai noté l’article comme plein d’autres texte intéressants. D’ailleurs ce qui peut paraître comme situation insupportable aux uns peut bien se rapprocher d’un contexte justifiable ou idéal aux autres. Dans la cas présent on peut sans doute retenir qu’il y eu cohabitation entre juifs et musulmans en Afrique du nord et quelle était souvent plus supportable pour les juifs que la situation en Europe où on chassait les sorcières et pendait les prêteurs juifs quand on n’avait pas envie de les rembourser.

    • Je ne dis pas qu’il y a des erreurs dans ce texte -que j’avais également retenu pour son intérêt- mais qu’il élude la position minoritaire et dominée des Juifs dans les états musulmans, et les humiliations et conflits subis, qui ne découlent pas, compris indirectement des méfaits, bien plus terribles en effet, des états catholiques européens (il y a décidément plusieurs manières d’être occidentalo-centré)

      Que tu conclues en renvoyant les Juifs d’Europe au maniement et à la possessions de l’argent est éloquent. (il serait temps de situer avec précision_La question juive_ (1843) de Marx dans son parcours intellectuel et politique ; voir Rubel, Bensaïd).

      Les Juifs d’Europe ont dès le VIeme siècle interdiction de travailler la terre (chrétienne), tandis que les dhimmis juifs subissent celle, moins lourde, de monter à cheval et se voient eux-aussi, à l’occasion, imposer des vêtements distinctifs, comme ce fut le cas, à l’occasion là-aussi, en Europe.
      L’interdiction de travailler la terre c’est l’interdiction d’assurer sa subsistance sans en passer par l’argent comme moyen d’échange, de vendre le fruit d’un autre travail qu’agricole.

      Minoritaire, les Juifs ne l’étaient pas assez pour être tous impliqués dans des activités financière, bien loin de là ! On en trouve en Europe au fil des siècles, des floppées, une grande majorité, dans des métiers artisanaux et de petit commerce, sans lien avec « la finance », et bien souvent pauvres, voire très pauvres.

      La naissance d’une légende : Juifs et finance dans l’imaginaire bordelais du XVIIe siècle
      https://laviedesidees.fr/Les-Juifs-du-Moyen-Age-une

      Les juifs dans le Paris du vêtement et de la mode (avec une longue liste de métiers pratiqués, y compris hors textile)
      https://www.cairn.info/revue-archives-juives1-2006-2-page-4.htm

      #Juifs #Juifs-arabes

  • Why Ivana Trump Was Buried at Bedminster: 3 Theories
    https://nymag.com/intelligencer/article/ivana-trump-buried-bedminster-3-theories.html


    Il faut s’appeler Donald Trump pour utiliser le lieu de l’enterrement de son ex pour réduire ses impôts.

    22.11.2023 by Margaret Hartmann - Ivana Trump, former president Donald Trump’s first wife, died on July 14, 2022 at the age of 73, owing to injuries she suffered in an accidental fall on the “grand curving staircase” at her Upper East Side townhouse. Her funeral drew about 400 people and featured a gold-hued coffin, Secret Service agents, and loving remembrances from her three adult children as well as several friends. Then this icon of ’80s glamour and New York tabloid drama was laid to rest … at a New Jersey golf course?

    Many found the decision to bury Ivana at Trump National Golf Club Bedminster puzzling. She is the first person to be buried at the former president’s New Jersey property, and the ground had to be consecrated so she could have a traditional Catholic burial.

    A New York Post photographer scoped out the site shortly after Ivana was laid to rest and found that while her grave isn’t literally on the golf course, the whole vibe is surprisingly understated:

    Photos taken by The Post Thursday show Trump’s grave alone against a bucolic scenery of trees and shrubbery. The grave looks upon a sprawling green space upon the country club’s vast estate.

    The plot where Ivana was buried has a bouquet of more than two dozen white flowers and a plaque that reads in all capital letters Ivana Trump with the dates she was born and died.

    The grave is in a place where golfers would not see it as they tee off for a round of golf. The small section of the club is below the backside of the first tee.

    A little over a year later, the mystery persists. Photographs published by The Daily Mail on August 12, 2023 show that Ivana’s grave is marked with a small headstone, which “has become overgrown with grass and is barely visible.”

    So what exactly is going on here? I have a few theories.

    If Trump National Golf Club Bedminster held a special place in Ivana’s heart, there’s no record of it. Donald bought the property in 2002, a full decade after their divorce was finalized. While Ivana maintained a friendship with her ex-husband through her final days, and her daughter, Ivanka, was married at the club, it does not appear that Ivana ever publicly praised the property.

    There is, however, ample evidence that Donald Trump thinks Bedminster is a phenomenal place to be laid to rest. “Wouldn’t you want to be buried here?” he mused to The Wall Street Journal in 2015. The idea has been on his mind for at least 15 years. Back in 2007, Trump filed paperwork to build a windowless wedding chapel at Bedminster that would later be converted into a mausoleum for himself and his family.

    Drawings filed with the Somerset County township called for what NJ.com described as a “19-foot-high, classical-style stone structure” with “four imposing obelisks surrounding its exterior and a small altar and six vaults inside. Locals balked at the proposal, which they deemed gaudy, and Trump withdrew the plan. Five years later, he came back with a new idea: Instead of a mausoleum, he would be buried at a large cemetery with more than 1,000 graves. “The idea, apparently, was that Trump’s golf-club members would buy the other plots, seizing the chance at eternal membership,” the Washington Post reported.

    Facing continued opposition to his ghoulish ambitions, Trump revised his plans once again. In 2014, the Trump Organization filed paperwork to build two graveyards at Bedminster. One would have 284 lots for sale to the public, while the other would consist of just ten plots for Trump and his family near the first tee. The company’s filing with the state said Trump “specifically chose this property for his final resting place as it is his favorite property.”

    In an October 2023 interview, Eric Trump revealed it was his father’s idea to have his mother laid to rest at the “family funeral plot.” “He was the one to say, you know, ‘I want her with us,’” Eric said. “It was pretty amazing again, you know, kind of a wife long removed — ex-wife long removed. He’s an incredible man. He’s got a heart of gold.”

    Some remain skeptical that Trump actually considers this the most fabulous piece of property he owns:

    The average person might say Mar-a-Lago, Trump’s seaside Florida resort, is more spectacular, but they’re not looking at Bedminister through the eyes of a person with an alleged passion for tax avoidance. This tweet from Brooke Harrington, a professor of sociology at Dartmouth, sparked speculation that Bedminster’s real appeal as a graveyard lies in New Jersey tax law.

    Indeed, as Insider reported, there are some surprising perks to being the proprietor of a New Jersey graveyard:

    Under New Jersey state tax code, any land that is dedicated to cemetery purposes is exempt from all taxes, rates, and assessments. Cemetery companies are also specifically exempt from paying any real estate taxes, rates, and assessments or personal property taxes on their lands, as well as business taxes, sales taxes, income taxes, and inheritance taxes.

    And the Trump family has definitely been pursuing the tax advantages of cemetery ownership. A document published by ProPublica shows that the Trump Family Trust sought to designate a property in Hackettstown, New Jersey, about 20 miles from Bedminster, as a nonprofit cemetery company back in 2016.

    But there is reason to question this too-Trumpy-to-be-true allegation. First, all this cemetery business is unnecessary because he has already found a way to drastically reduce his Bedminster tax burden. When the Post’s David Farenthold looked into Trump’s cemetery obsession in 2017, he concluded it wouldn’t be very profitable as a business venture or a tax-avoidance scheme:

    … the savings would hardly be worth the trouble. That’s because Trump had already found a way to lower his taxes on that wooded, largely unused parcel. He had persuaded the township to declare it a farm, because some trees on the site are turned into mulch. Because of pro-farmer tax policies, Trump’s company pays just $16.31 per year in taxes on the parcel, which he bought for $461,000.

    According to a 2019 HuffPost analysis, Trump slashed his Bedminster tax bill by about $88,000 a year by keeping eight goats and farming 113 acres of hay on the property.

    Is is possible that the cemetery business is some kind of backup tax- avoidance scheme? I suppose, but it doesn’t make a ton of sense to this humble TurboTax user.

    “It’s always been my suspicion that there’s something we don’t know” about Trump’s cemetery plan, Bedminster land-use board member Nick Strakhov told Farenthold in 2017.

    It does seem we’re missing a key piece of the boneyard puzzle. But there is one thing we know about Trump now that wasn’t quite as apparent back then: He is a super-weird guy. He has managed to be weird with various kinds of paper, toilet bowls, aircraft carriers, and “dangerous fruit,” to name just a few of his proclivities. The thought of our inevitable demise brings out strange feelings and behavior in most people. Some of the rich plan to freeze themselves or shoot their remains into space; is it any surprise that Trump has some grandiose idea about how he and his family should be laid to rest?

    “It’s never something you like to think about, but it makes sense,” Trump told the New York Post during his first attempt to make Bedminster a cemetery in 2007. “This is such beautiful land, and Bedminster is one of the richest places in the country.”

    Trumpy commentary on the wealth of northern New Jersey aside, that sounds astonishingly well adjusted.❞

    #USA #Trump #impôts #enterrement #wtf

  • EU-Abgeordneter Nico Semsrott über Brüssel : „Hier laufen Politiker im Endstadium rum“
    https://www.tagesspiegel.de/politik/eu-abgeordneter-nico-semsrott-uber-brussel-hier-laufen-politiker-im-end

    A Bruxelles tout politicien peut se comporter en corrompu comme ca lui chante.

    11.4.2024 von Pia Schreiber - Für Die Partei wollte er die EU mit den Mitteln der Satire entlarven. Doch kurz vor dem Ende seines Mandats sagt Nico Semsrott: Das war der falsche Ansatz. Über Geld, Macht und das Zerwürfnis mit Martin Sonneborn.

    Nico Semsrott lehnt an der verspiegelten Wand eines Fahrstuhls und lächelt. Er fährt in den 8. Stock des Europaparlaments, dort liegt sein Abgeordnetenbüro. „Sie haben aber gute Laune“, bemerkt eine Frau, die zu ihm in den Fahrstuhl steigt. „In zwei Monaten bin ich hier raus“, antwortet Semsrott. „Das macht mich glücklich.“ Für das Satireprojekt Die Partei zog der Comedian 2019 in das Europäische Parlament ein. Auf ein Zerwürfnis mit dem Vorsitzenden Martin Sonneborn folgte der Parteiaustritt. Über seine Zeit im Parlament hat Semsrott ein Buch geschrieben. Es heißt „Brüssel sehen und sterben“.

    Herr Semsrott, mit welchem Wort würden Sie Ihre Zeit in Brüssel beschreiben?

    Mit dem Wort Irrtum. Ich habe viele Therapiestunden gebraucht, um nicht mittendrin aufzuhören. Aber 900.000 Menschen haben der Partei ihre Stimme und damit einen Auftrag gegeben – das konnte ich nicht einfach wegwerfen.

    Ihr erklärtes Ziel war es, mit den Werkzeugen der Satire Aufmerksamkeit für Missstände im Europäischen Parlament zu schaffen. Ist Ihnen das gelungen?
    Nein. Ich bin mit meiner Leistung überhaupt nicht zufrieden. Ich bin darauf reingefallen, dass ich als Satiriker sehr erfolgreich war. Da dachte ich: Offenbar kann ich das alles. Aber da habe ich mich so was von geirrt.

    Woran liegt das?

    Im Parlamentarismus geht es um Grautöne. Selbst die mächtigsten Politiker müssen ihre Positionen verlassen, um zu einer Einigung zu kommen. Es gibt diesen Satz: Demokratie ist, wenn alle unzufrieden sind. Der stimmt. Ich bin überzeugter Demokrat und stehe hinter der Idee von Kompromissprozessen, aber es fühlt sich für mich nicht gut an, selbst als Akteur daran teilzunehmen. Als Satiriker will ich nun mal zu 100 Prozent mein Ding machen. Dieses Spannungsfeld konnte ich nicht auflösen.

    Wann ist Ihnen klar geworden, dass Ihr Plan nicht aufgeht?

    Schon im ersten Jahr. Mit einer Petition wollte ich einen Sitzungssaal umbenennen. Die 705 Abgeordneten müssen zwischen Brüssel und Straßburg pendeln. Das kostet 750 Millionen Euro pro Legislatur und ist komplett sinnlos. Aber im Vertrag steht: Hauptsitz des Parlaments ist Straßburg. Also wollte ich den Begriff neu definieren – nicht im Sinne der Stadt, sondern im Sinne eines Saals mit dem Namen „Straßburg“. Dafür gab es eine Mehrheit unter den Abgeordneten und viel Unterstützung aus der Bevölkerung. Aber ein Mitglied der Kommission hat gesagt: „Nö, ist nicht.“ Und damit war das Vorhaben beendet.

    Was hat das mit Ihnen gemacht?

    Das hat mich sehr schnell demotiviert. Ich wusste, dass das Parlament kein Initiativrecht besitzt. Aber wie viel Macht hat es, wenn es nicht mal über seinen eigenen Sitz entscheiden kann? Das ist doch ein Fehler in der Grundprogrammierung. Ich würde sogar sagen: Das Europaparlament ist gar kein echtes Parlament.

    Für Die Partei machten Sie Wahlkampf mit Slogans wie „Für Europa reicht’s“ oder „Besser als nix“. Wie ernst haben Sie die Kandidatur gemeint?

    Total ernst. Auch unsere Wähler haben verstanden, dass wir ernste Inhalte in lustiger Verpackung präsentieren. Vielen hat unsere Öffentlichkeitsarbeit gegen ein verschärftes Urheberrecht gefallen.

    Martin Sonneborn, der Vorsitzende der Partei, hat im Parlament als fraktionsloser Abgeordneter eine Zeit lang abwechselnd mit Ja und Nein gestimmt, egal worum es inhaltlich ging. Sie dagegen haben sich direkt nach der Wahl 2019 der Fraktion der Grünen angeschlossen. Warum?
    Für mich ergibt es keinen Sinn, mich in eine Machtposition wählen zu lassen und die Werkzeuge der Macht dann nicht zu benutzen. Meine Idee war: Ich überzeuge die 70 Leute meiner Fraktion und bekomme dadurch eine Art Hebel – aus meinen 0,14 Prozent Stimmanteil als einzelner Abgeordneter werden durch die Fraktion etwa zehn Prozent. Ich habe das nie gemacht, weil mir mein Psychogramm dabei im Weg stand. Aber die Idee finde ich immer noch klug.

    2021 traten Sie aus der „Partei“ aus, nachdem Martin Sonneborn ein Foto von sich mit einem T-Shirt gepostet hatte, dessen Aufdruck viele für anti-asiatischen Rassismus hielten. War das ein spontaner Entschluss?
    Schon seit 2018 haben wir immer wieder darüber gesprochen, was Satire soll und welche Aufgaben ein Politiker hat. Diese Verantwortung geht über das Witzemachen des Chefredakteurs beim „Titanic“-Magazin hinaus, wie Sonneborn es war. Sie bedeutet eine Vorbildfunktion. Das hat er für sich anders definiert. Als er dann den rassistischen Witz gepostet hat, habe ich gesagt: Ich bin nicht bereit, das mitzutragen. Nach meinem Austritt habe ich zuerst überlegt, „Die andere Partei“ zu gründen. Aber das war nicht lustig genug.

    Ist das überhaupt möglich: Verantwortung tragen und dabei lustig sein?
    Es ist auf jeden Fall deutlich schwieriger, weil der Widerspruch kaum aufzulösen ist. Satire ist ja ein Mittel der Machtlosen, nicht der Mächtigen. Der Hofnarr ist lustig, nicht der König. Als EU-Abgeordneter hat man schon ein bisschen Macht, steht auch unter Druck, verliert an Spielraum und wird allein durch das Amt schon unlustiger.

    Wie blicken Sie heute auf „Die Partei“?

    Ich würde heute eine Satirepartei nicht einmal mehr wählen. Eine kritische Öffentlichkeit finde ich immer noch sehr wichtig. Aber ich habe gelernt, dass im Parlamentarismus manchmal auch andere Mittel wirkungsvoll sind: Anfragen stellen, die Kommission unter Druck setzen. Martin Sonneborn sieht sich als Beobachter, und das ist einfach zu wenig. Eine Partei sollte für die Leute da draußen etwas bewegen.

    Ihre bisherigen Arbeitsnachweise sind im Vergleich zu anderen Abgeordneten aber überschaubar.

    Ich habe die Strategie gewählt, den Mund zu halten, weil dieser Apparat mich bestrafen kann. Deshalb habe ich Material gesammelt, das ich jetzt veröffentliche. Auf diese Weise erfülle ich doch noch meinen Zweck.

    Inwiefern fühlen Sie sich denn von der EU-Verwaltung bestraft?
    Am Anfang habe ich gedacht, der Verwaltungsapparat hinter dem Parlament sei politisch neutral. Das war süß. Die hohen Beamten haben ein konservatives oder sozialdemokratisches Parteibuch. Sie entscheiden, wann sie eine Regel anwenden und wann nicht. Ich wurde von meinen politischen Gegnern kontrolliert und aktiv in meiner Arbeit behindert.

    Haben Sie dafür Beispiele?

    Zum Beispiel wurde eine korrekt angemeldete Pressekonferenz verhindert – angeblich aus Sicherheitsgründen. Als ich von meinem Budget für Werbemittel kostenlose Tampons an soziale Einrichtungen verschickt habe, wurde ich vom obersten Finanzbeamten gerügt. Da war ich erst mal perplex, dieses Parlament hat schließlich ein Gesamtbudget von 2,5 Milliarden Euro. Wie können 30.000 Euro für Tampons von einem Satiriker da Alarm auslösen?

    Wie intransparent ist die Europäische Union Ihrer Meinung nach?

    Ich habe festgestellt: Hier kann jeder Abgeordnete sorgenlos korrupt sein. Es ist hier genauso wie in Unternehmen, der katholischen Kirche oder der Fifa: Menschen können sich aus einer Kasse bedienen und die Regeln dafür selbst festlegen. Davon profitiert vor allem die CDU – seit 20 Jahren hat sie hier gemeinsam mit ihren Schwesterparteien das Sagen. Aber statt der Korruption bekämpfen sie nur die Korruptionsbekämpfung. Diese Verhältnisse müssen aufgedeckt werden.

    Und weshalb gelingt eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit nicht?
    Die Europäische Union wurde nicht mit dem Anspruch entworfen, dass die Leute sie verstehen. Stattdessen geht es darum, durch immer neue Ausgleiche arbeitsfähig zu bleiben. Diese Komplexität konnte ich auch mit den Mitteln der Satire nicht überwinden. Und selbst wenn: Es gibt keine gemeinsame europäische Öffentlichkeit. Was ich nach außen erzähle, hat während der Legislaturperiode keinerlei Wirkung nach innen. Diese Machtverhältnisse verändern sich erst jetzt, im Wahlkampf.

    Auch Sie wurden aus dieser Kasse bezahlt. Ihr Abgeordnetengehalt haben Sie transparent gemacht: 5400 Euro netto und bei Anwesenheit zusätzliches Tagegeld in Höhe von 350 Euro.

    Am Anfang fand ich diesen Betrag kriminell hoch, mittlerweile finde ich ihn okay. Noch fünf Jahre und ich würde sagen: Das ist mein gutes Recht. Das ist das Verrückteste an der Demokratie: Hier laufen Politiker im Endstadium rum, die vergessen haben, dass sie eigentlich eine Rolle auf Zeit ausfüllen. Ein irrsinniges Beispiel ist die Fahrtkostenpauschale: Bei realen Ticketkosten von 105 Euro für eine Fahrt nach Paris bekomme ich 610 Euro erstattet – wegen der Zeitaufwands- und der Entfernungspauschale.

    Was haben Sie denn mit dem Geld gemacht?

    Ich will es an den Freiheitfonds spenden. Mein Bruder Arne Semsrott kauft damit Menschen frei, die für Schwarzfahren im Knast sitzen. So korrigieren wir das System zumindest an dieser Stelle von oben nach unten. Aber dafür kriege ich bestimmt auch wieder Ärger.

    Während der Legislaturperiode sind Sie mehrere Monate ausgefallen, weil Sie eine depressive Episode durchlebt haben. Warum haben Sie das öffentlich gemacht?

    Ich verstehe Politik als Aufgabe, die mir anvertraut wurde. Aber dieses Vertrauen muss ich mir wiederum verdienen. Dazu gehört auch die Erklärung, warum ich nicht die 60 Enthüllungsvideos rausballere, die ich vor der Wahl versprochen habe. Diese Transparenz ist für mich viel einfacher als für Parteipolitiker, die natürlich auch psychische Probleme haben. Aber sie müssen im Wettbewerb um Listenplätze die ganze Zeit Stärke simulieren.

    Hat das Mandat Ihre Krankheit verschlimmert?

    Ja. Ich habe nicht damit gerechnet, wie schwer die Last der Verantwortung tatsächlich auf mir liegt. Ich habe Öffentlichkeit versprochen, oder zumindest ein bisschen Trost. Aber das Parlament ist die mit Abstand schwächste Institution im Gesetzgebungsprozess – und ich bin Oppositionspolitiker. Ich fühle keine Macht, sondern Ohnmacht.

    Wie hat es sich denn angefühlt, den Tour-Alltag als Künstler gegen einen Bürojob einzutauschen?

    Es war die Hölle für mich. Als Satiriker habe ich zwar meine Probleme durchs Leben getragen, aber mir einen Weg um sie herum gebaut. Ich stand allein auf der Bühne, mit viel Abstand zum Publikum. Dazu der ironische Bruch, um die Distanz zu wahren. Natürlich kann ich keine zehn Stunden in einem Büro sitzen und Mitarbeitern Anweisungen geben. Das ändert auch keine Therapie, deshalb habe ich mein Team auf eine Person reduziert. Aber meistens bin ich schon mit mir selbst überfordert.

    Die vergangenen fünf Jahre waren geprägt von Krisen: Klima, Corona, Krieg und Inflation. Wie bewerten Sie das Krisenmanagement, das Sie im Maschinenraum der EU beobachten konnten?

    Je länger man sich das Geschehen aus der zweitletzten Reihe im Parlament anguckt, desto mehr wird klar, was die Gesamtsituation der Menschheit ist und wie hilflos sie reagiert. Darüber Witze zu machen, erscheint so sinnlos.

    Die EU gilt oft als behäbig und kompliziert. Kann Politik auf europäischer Ebene überhaupt funktionieren?

    Die EU ist mit Abstand das Progressivste, was die Menschheit anzubieten hat. In keinem anderen politischen Raum werden klügere Entscheidungen getroffen. Aber die sind leider trotzdem vollkommen unzureichend. Das Ergebnis lautet dann in etwa so: Wenn wir die Erde in den nächsten 30 Jahren zu 1,7 Prozent weniger zerstören als bisher geplant, ist das ein guter Kompromiss. Dieses System bietet keine Antworten auf wissenschaftliche Notwendigkeiten. Für wen funktioniert diese Politik? Für die Menschheit? Auf lange Sicht nicht. Für den Planeten? Nein. Aber für die Leute hier im Parlament funktioniert sie super.

    In einer Kleinen Anfrage haben Sie die Kommission gefragt, was der durchschnittliche Unionsbürger tun muss, um Einfluss auf die EU-Politik zu nehmen. Wie würden Sie selbst diese Frage beantworten?
    Man kann in einer parlamentarischen Opposition oder einer Koalition durchaus etwas bewegen. Aber Organisationen wie Fridays for Future und Gewerkschaften sorgen mit Streiks für Druck von außen. Das halte ich für den richtigen Weg. Insgesamt braucht es mehr Beteiligung, mehr Demokratie. Dass die Tendenz eine andere ist, ist tragisch.

    Wie wird sich die Arbeit des Parlaments in den nächsten fünf Jahren entwickeln?

    Meine Wette ist, dass alle zukünftigen Legislaturperioden noch schlimmer werden. Aber dass die EU zerstört wird, wie rechte Kräfte es fordern, glaube ich nicht. Akteure wie Meloni oder Orban sehen sie als Instrument für ihre Politik. Sie nutzen sie als Feindbild, kassieren in der Regel aber trotzdem noch Milliarden an Förderungen.

    Eine erneute Kandidatur haben Sie ausgeschlossen. Warum?
    Weil ich mich selbst nicht wählen würde. Ich möchte zurück in die außerparlamentarische Opposition. Da funktioniere ich besser – sowohl mit meinen Talenten als auch mit meinem persönlichen Belohnungssystem. Ich habe Sehnsucht nach der Bühne und dem Publikum. Es ist cool, gemeinsam verwirrt zu sein.

    #Europe #politique

  • Der Postillon präsentiert DeppL Translate – das schlechteste KI-Übersetzungstool der Welt!
    https://www.der-postillon.com/2023/10/deppl-translate-ki.html

    Pour des traductions systématiquement hilarantes.

    In schwierigen Zeiten wie diesen ist Völkerverständigung wichtiger denn je! Aus diesem Grund hat der Postillon seine weltberühmte KI-Taskforce (bekannt aus DeppGPT und Grünen-Bashing-Überleitungsgenerator) aktiviert und mit DeppL Translate ein KI-Übersetzungstool entwickeln lassen, das seinesgleichen sucht.

    Es dürfte sich von selbst verstehen, dass es sich um das womöglich unpräziseste Übersetzungstool aller Zeiten handelt. Hier können Sie DeppL exklusiv testen und die schönsten Übersetzungen mit anderen teilen (#DeppL):

    #traduction #wtf

    • Wir haben 1000 Arbeiter damit beauftragt, den höchsten Turm der Welt zu bauen. Anschließend haben wir ihren Sprach-Output von einer künstlichen Intelligenz analysieren lassen, die ursprünglich programmiert worden war, um Gulaschrezepte zu entwickeln. Die Ergebnisse waren erstaunlich inkorrekt und unnütz – DeppL war geboren.

       :-))

  • Homöopathin versucht seit 12 Jahren erfolglos, ihren Mann zu vergiften
    https://www.der-postillon.com/2021/04/homoeogift.html

    Kiel (dpo) - Was macht sie nur falsch? Schon seit 12 Jahren versucht Sarah W. ohne Erfolg, ihren Mann zu vergiften. Doch was die gelernte Heilpraktikerin und Homöopathin auch tut – es will ihr einfach nicht gelingen, ihren Robert um die Ecke zu bringen.

    „Langsam verliere ich den Glauben, dass es noch klappt“, klagt die 37-Jährige. „Ich verstehe nicht, wie Robert alles, was ich ihm verabreiche einfach so wegsteckt, als wäre nix. Eigentlich müsste er schon hundertmal tot umgefallen sein.“

    Dabei war sie im Frühling 2012 noch voller Hoffnung gewesen, ihren lästigen Ehemann bald los zu sein: „Ich hatte mir Arsen besorgt, eines der wirksamsten Gifte, die es gibt“, berichtet sie. „Ich wollte es ihm erst einfach so in den Kaffee schütten, aber dann fiel mir ein, dass ja jede Substanz deutlich stärker wird, je mehr man sie verdünnt. Also habe ich das Arsen im Verhältnis 1:100.000.000 (D8) verschüttelt. Ich wollte ihn ja nicht mit unwirksamem Schulgift umbringen.“

    Doch der hochpotente Gift-Trank, den Sarah W. ihrem Mann schließlich vorsetzt, bleibt ohne Wirkung – selbst nach Wochen täglicher Verabreichung bleibt Robert kerngesund.
    Sarah W.: „Ein Grund, warum ich Robert umbringen will, ist, dass er mich immer verspottet, weil ich an so esoterischen Kram glaube. Das Lachen wird ihm schon noch vergehen. Irgendwann.“

    „Also habe ich die Dosis logischerweise immer weiter reduziert“, erklärt sie. „Aber so sehr ich das Gift auch verdünnt habe, es wollte trotzdem einfach nicht klappen.“

    Inzwischen möchte W. von Arsen auf einen anderen Wirkstoff umzuschwenken. „Ich habe diese Woche zu meinem Entsetzen festgestellt, dass verdünntes Arsen und andere Gifte homöopathisch genutzt werden, um Leute gesund zu machen. Habe ich Robert all die Jahre versehentlich geholfen, statt ihn zu töten? Wenn verdünnte Gifte heilen, muss ich dann gesunde Stoffe verdünnen? Jedenfalls werde ich ihm jetzt eine Potenzierung aus lebenswichtigen Multivitaminen, belebenden Spurenelementen und gesunden Aminosäuren verabreichen. Wenn er dann nicht endlich tot umkippt, weiß ich auch nicht mehr weiter.“

    #satire #homéopathie #charlatans

  • Botswana gegen Umweltministerin Lemke: Was wirklich hinter dem Streit um 20.000 Elefanten steckt
    https://www.berliner-zeitung.de/open-source/botswana-gegen-steffi-lemke-was-wirklich-hinter-dem-streit-um-20000

    Quand une ministre verte allemande ne comprend rien de l’écologie africaine

    3.4.2024 von Denis Huschka - Afrikanische Politiker werfen der grünen Umweltministerin neokoloniale Einmischung vor. Womit hat der afrikanische Naturschutz wirklich zu kämpfen?

    Verkehrte Welt: Die Politik unserer Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) soll „rassistisch“ und „neokolonialistisch“ sein – das sehen zumindest Lemkes Amtskollegen Pohamba Shifeta aus Namibia und Dumezdweni Mthimkhulu aus Botswana so. Auslöser der deftigen, letzte Woche auf einer Pressekonferenz in Berlin vorgebrachten Vorwürfe ist ein von Lemkes Ministerium vorbereitetes Verbot der Einfuhr von Jagdtrophäen.

    Die Anschuldigungen treffen ausgerechnet grüne Politik, deren politische Erbmasse doch die kleinsten Spurenelemente rassistischer und kolonialer Ideen ausschließen sollte. Eigentlich eine sichere Bank, so dachte man wahrscheinlich in Lemkes Ministerium bei der Vorbereitung des Verbotes. Was kann schon schiefgehen? Typische Trophäenjäger sind mit hoher Wahrscheinlichkeit alte weiße Männer mit zu viel Geld und großen Häusern und dicken Autos, also die erklärten Endgegner der Grünen. Warum also nicht Gratis-Lorbeeren bei der eigenen Klientel einheimsen und den Jägern das Leben ein wenig schwerer machen. Der Erhaltung der bedrohten Tierarten diene es allemal, so dachte man wahrscheinlich. Wenn weniger Elefanten und Löwen abgeschossen würden, so müsste das doch gut sein, überlegte man wohl hinter Berliner Schreibtischen.

    Lemkes Verbotsentwurf ist nicht aus dem Blauen heraus entstanden. Auch Non-Profit-Organisationen wie Pro Wildlife behaupten, dass die legale, also regulierte Jagd Ursache für das Artensterben sei. Eine Petition für ein Einfuhrverbot von Trophäen wurde von über 86.000 Unterstützern unterschrieben. Im Jahr 2023 seien, so Pro Wildlife, 569 Jagdtrophäen nach Deutschland eingeführt worden.
    Trophäenverbot hilft dem Artenschutz nicht

    Doch so einfach ist die Angelegenheit nicht. Artenschutz ist nämlich viel mehr als das bloße „Verbieten“ des Tötens seltener Tiere. Das versucht jetzt sogar Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi der deutschen Umweltministerin deutlich zu machen. Er unterbreitet Lemke das Angebot, dass Deutschland doch 20.000 Elefanten aufnehmen könne, wenn man mit dem in seinem Land praktizierten Abschuss von Elefanten nicht einverstanden sei. Botswana leidet – wie andere Länder des südlichen Afrika auch – seit Jahren unter einer massiven Überpopulation von Elefanten.

    Das sicherlich nicht ganz ernst gemeinte Angebot Masisis hält den deutschen Grünen auf augenzwinkernde Weise den Spiegel vor. In Botswana schüttelt man darüber den Kopf.

    Denn in Afrika gibt es seit Jahren mit großer praktischer Expertise aufgebaute Artenschutzprogramme und Wildlife-Management-Pläne. Sie sind vielleicht nicht immer perfekt, aber im Großen und Ganzen doch in vielen Ländern recht erfolgreich. So haben sich die Populationen vieler Arten in den vergangenen Jahren stabilisiert oder sogar übermäßig ausgeweitet. Und zu diesen Artenschutzprogrammen gehört auch die kontrollierte Bejagung verschiedener Spezies, so auch von Großwild. Hierfür gibt es ganz rationale Gründe.

    Beim kontrollierten Abschuss eines Tieres, sagen wir eines Löwen, geht es etwa um die gezielte Entnahme alter männlicher Tiere. Man erweitert so den Genpool der verbleibenden Tiere und ihrer Nachkommen. In Löwenrudeln gibt es jeweils ein dominantes Männchen, welches seine Gene weitergibt, solange es im Revierkampf nicht unterliegt. Ein menschliches Eingreifen sorgt hier für die genetische Vielfalt und Stabilität der verschiedenen Rudel.

    Unversöhnliche Debatte um Trophäenjagd

    Auch Elefanten kann man jagen, man muss es sogar. Die Elefantenpopulation ist beispielsweise im auch vielen deutschen Touristen bekannten, riesigen Krüger-Nationalpark, der sich über Teile Südafrikas, Mosambiks und Simbabwes erstreckt, derart hoch, dass man teilweise mehrere Hundert Elefanten schießen muss.

    Dies klingt für europäische Ohren selbsternannter Tierschützer vielleicht grausam und falsch. Es ist aber angesichts des großen Appetits auf Gras, Büsche und Bäume, den Elefanten haben, eine Möglichkeit, die Artenvielfalt und ökologische Balance des Krüger-Parks zu erhalten. Denn in von Elefanten gründlich abgefressenen Landstrichen wird das Gleichgewicht zwischen Kleintieren, Vögeln, Insekten, Antilopen und Reptilien empfindlich gestört. Dies wiederum hat negative Auswirkungen auf die Anzahl anderer großer und kleiner Tiere und damit auf das gesamte Ökosystem.

    Die extrem hohen Preise, die für solche Abschüsse eben von Trophäenjägern gezahlt werden, fließen u.a. in die Monatslöhne der Tausenden Ranger, die in afrikanischen Wildschutzgebieten gegen die illegale Wilderei vorgehen. Und illegale Wilderei greift viel stärker – und unreguliert – in die Wildtierpopulationen, besonders die der begehrten und sehr seltenen Nashörner, ein.
    Gezielte Jagd gehört zum Naturschutz und Tourismus

    Afrikanische Länder haben riesige Landstriche zu Nationalparks erklärt, in Botswana ist fast die Hälfte der Landfläche dem „Wildlife“ gewidmet. Man darf nicht vergessen: Die afrikanischen Herkunftsländer von Wildtrophäen haben ein vitales Interesse daran, ihre wertvolle Ressource „Wildlife“ dauerhaft und nachhaltig zu erhalten. Der Tourismus ist für immer mehr afrikanische Länder ein wichtiger Wirtschaftssektor und er funktioniert nur mit intakter Natur und gesunden Tierpopulationen.

    Afrikanische Länder managen daher die natürlichen Lebensräume mit viel Aufwand und sehr erfolgreich, inklusive der Jagd. Lemkes Ministerium wollte sich nun in dieses in Afrika seit Jahren erfolgreich erprobte Arrangement einmischen, indem es deutschen Jägern unmöglich macht, ihre Trophäe mit nach Hause zu nehmen. Man kann natürlich darüber unterschiedlicher Auffassung sein, ob es schön ist, sein Haus mit einem präparierten Zebrakopf oder einem Löwenfell zu „verschönern“.

    Fakt ist jedoch, dass man dem Art­­enschutz in Afrika einen gewaltigen Bärendienst erweist, wenn man ideologisch Verbote erlässt. Man muss afrikanischen Regierungen auch zutrauen, in dieser Hinsicht das Richtige zu tun, auch wenn europäische Bürokraten anderer Meinung sind. Wenn man etwa einzelne Löwen oder Elefanten nicht in Dollars ummünzen kann, sinkt das Interesse, effektiv gegen illegale Wilderer vorzugehen. Die Anti-Wilderer-Trupps sind ohnehin schon in einer prekären Situation.

    Man darf sich hier nichts vormachen: Wilderei ist ein riesiges Problem in Afrika. Einerseits spielen soziale Aspekte eine Rolle: Buschfleisch, d.h. Zebra, Antilope, teilweise auch Primaten, Nager und Reptilien sind für viele Arme und Mittellose eine willkommene zusätzliche Proteinquelle. In den zu Tausenden ausgelegten Schlingen, mit denen man eine Antilope fangen möchte, kommen aber eben auch Löwen, Nashörner und Elefanten um.

    Viel schwerwiegender ist allerdings die Wilderei durch bezahlte Profis, die den asiatischen Markt bedienen und es gezielt auf Hörner von Nashörnern, Löwentatzen (und -köpfe) und Elfenbein abgesehen haben. Ein einzelnes Horn eines Nashorns bringt auf dem Schwarzmarkt viel mehr, als viele Afrikaner durch ehrliche Arbeit in Jahren verdienen können. Und den riesigen Nachfragemarkt in Asien trocknet man sicherlich nicht durch das Einfuhrverbot von (harmlosen) Trophäen nach Deutschland aus.

    Auch hier darf man sich keinen Illusionen hingeben: Die Verhinderung von Wilderei ist ein teures und in vielen Fällen unschönes Business. Finden Patrouillen gewilderte Tiere, so läuft eine quasi-militärische Aktion an. Es werden Drohnen eingesetzt. Bewaffnete Truppen, oft aus ehemaligen Soldaten bestehend, kommen zum Einsatz. Regelmäßig gibt es in diesen Fällen Tote (die möglichst auch nicht in Medien auftauchen und Touristen verschrecken sollen). Denn Wilderer sind bestrebt, sich keinesfalls für viele Jahre in afrikanische Gefängnisse stecken zu lassen. Sie wehren sich mit allen Mitteln – auch mit Gewehren und Maschinenpistolen. Zimperlich agieren beide Seiten jedenfalls nicht!

    Und leider ziehen die Anti-Wilderer-Teams oft den Kürzeren, denn das Geschäft mit Nashornpulver und Löwenknochen boomt derart, dass die Wilderer inzwischen oft recht professionell mit Waffen und Elektronik ausgerüstet sind. So werden beispielsweise die in von Touristen in sozialen Medien veröffentlichten Fotos von Nashörnern zu einer lebensbedrohlichen Gefahr für die Vierbeiner, weil die Wilderer die Geodaten der Posts auswerten und die Nashörner so leicht aufspüren können.

    Die Wildhütertruppen sind hingegen oft zu klein und nicht immer gut ausgerüstet. Wir sprechen im Falle von Nationalparks im südlichen Afrika über Landstriche, die größer sind als manches europäische Land. So etwas überwacht man nicht mit 20 Mann und einem Landrover.

    Gespräche mit Partnern in Afrika statt neokolonialer Einmischung

    Schon seit vielen Jahren wird beispielsweise in afrikanischen Wildschutzorganisationen eine Legalisierung und Regulierung des Handels mit Nashorn-Horn diskutiert. Die Grundidee ist, den Wert des lebenden Nashorns zu steigern, dessen Horn regelmäßig bei betäubten Tieren abgesägt werden kann (es wächst wieder nach!). Bleibt der Handel illegal, sterben die Nashörner, denn Wilderer gehen nicht mit Betäubungsgewehr und Tierarzt los und sägen das Horn schonend ab.

    Ein ähnlicher Ansatz wurde ebenfalls stark diskutiert: Südafrika dachte regelmäßig darüber nach, ob man die Märkte für Elfenbein und insbesondere Nashorn-Horn nicht fluten solle, indem man mehrere Tonnen Nashorn-Horn von natürlich gestorbenen Tieren aus den Depots der geschützten Nationalparks, zu denen die Wilderer keinen Zugang haben, auf den Markt wirft. Ziel: die hohen Preise der Wilderer kaputt machen.

    All dies hätten Lemkes Mitarbeiter in eine geplante Gesetzgebung einfließen lassen müssen. Sie hätten nicht nur besser recherchieren müssen, sondern sich mit den Partnern in Afrika und anderswo austauschen müssen. Wäre dies geschehen, hätte es nicht einen derart naiven Vorschlag aus ihrem Hause gegeben, der von den betroffenen Ländern zu Recht als neokoloniale Einmischung betrachtet werden kann.

    Der Autor ist promovierter Sozialwissenschaftler und hat mehrere Jahre im südlichen Afrika gelebt und geforscht, wo er auch eine Field-Guide-Ausbildung absolviert hat.

    #Allemagne #Botswana #néocolonialisme #chasse #écologie

  • Political Instincts ?
    https://newleftreview.org/sidecar/posts/political-instincts

    V.O. de https://seenthis.net/messages/1049118 L’échec des protestations de masse à l’ère de l’atomisation

    19.3.2024 by Anton Jäger - Two men flank each other in shabby paramilitary attire, their MAGA caps hovering above the swirling tide of flags and megaphones. ‘We can take that place!’, exclaims the first. ‘And then do what?’, his companion asks. ‘Heads on pikes!’ Three years later, these rocambolesque scenes from the Capitol riot on January 6th – now firmly encrusted on liberalism’s political unconscious – have become a revealing historical hieroglyph. Above all, they epitomize a culture in which politics has been decoupled from policy. The protest galvanized thousands of Americans to invade the headquarters of the world hegemon. Yet this action had no tangible institutional consequences. America’s Winter Palace was stormed, but the result was not a revolutionary coup or a dual power stand-off. Instead, most of the insurgents – infantrymen for the American lumpenbourgeoisie, from New York cosmetics salesmen to Floridian real estate agents – were swiftly arrested en route home, incriminated by their livestreams and social media posts. Today little remains of their Trumpian fronde, even as the mountain king prepares for his next crusade. A copycat putsch in Brazil also came to naught.

    The same disarticulation afflicts campaigns across the political spectrum, from the BLM protests in summer 2020, which saw nearly twenty million Americans rail against police violence and racial inequity, to France’s gilets jaunes and the current Palestinian solidarity movement. Compared to the long period of relative demobilization and apathy during the 1990s and 2000s, in which citizens protested, petitioned and voted less, the events that followed the 2008 financial crash signalled a clear shift in Western political culture. The Economist informed its readers in the early summer of 2020 that ‘political protests have become more widespread and more frequent’, and that ‘the rising trend in global unrest is likely to continue.’ Yet these eruptions had little effect on the spectacularly skewed class structure of Western societies; BLM has failed to defund the police or curb their brutality; and the regular marches against Western sponsorship of Israel’s punishment campaign have not stopped the unrestrained bloodshed in Gaza. As James Butler recently remarked in the London Review of Books, ‘Protest, what is it good for?’

    This is partly an effect of state repression. Yet we can further delineate the present situation by examining a different, downward rather than upward-sloping curve. Throughout the recent ‘decade of protest’, the secular decline in mass membership organizations, which began in the 1970s and was first anatomised by Peter Mair in the pages of this journal, only accelerated. Unions, political parties, and churches continued to bleed members, exacerbated by the rise of a new digital media circuit and tightening labour laws, and compounded by the ‘loneliness epidemic’ that metastasized out of the actual one of 2020. The result is a curiously K-shaped recovery: while the erosion of organized civic life proceeds apace, the Western public sphere is increasingly subject to spasmodic instances of agitation and controversy. Post-politics has ended, but what has taken its place is hardly recognizable from twentieth-century mass political templates.

    Contemporary political philosophy seems ill-equipped to explain the situation. As Chantal Mouffe points out, we still live in an age of ‘apolitical’ philosophy, where academics are reduced to pondering why certain people decide to become activists or join political organizations given the prohibitive costs of ideological commitment. By contrast, Aristotle once dared to suggest that humans displayed an inborn instinct for socialisation: a feature shared with other herd animals, such as bees or ants, which also exhibit strong cooperative traits. As exceptionally gregarious creatures, he contended, men also had a spontaneous urge to unite within a πολις, a term only meagrely translated by the Germanic compound ‘city state’ – the highest form of community. Anyone surviving outside such a community was ‘either a beast or a god’.

    The classical Aristotelian assumption of man as a zoön politikon was called into question by modern political philosophy, starting with Hobbes, Rousseau and Hume (the latter two idiosyncratic Hobbesians). It was fiercely contested in Leviathan, where man appears as an instinctively antisocial animal who must be coerced into association and commitment. Yet even Hobbes’s pessimistic anthropology hoped to re-establish political association on a higher plane. For him, man’s antisocial instincts opened a vista onto even sturdier collective structures. This was an implicit appeal to Europe’s republican nobility: they should no longer get involved in murderous civil wars and, out of self-interest, submit to a peace-abiding sovereign. Similarly for Rousseau, antisocial amour propre offered the prospect of a higher political association – this time in the democratic republic, where the lost freedom of the state of nature could be regained. For Kant, too, ‘unsociable sociability’ functioned as a dialectical harbinger of perpetual peace. In each case, the apolitical postulate implied a potentially political conclusion: a lack of strong sociability served to temper political passions, guaranteeing the stability of state and society.

    The nineteenth century saw a more pressing need to assure generalized political passivity. As Moses Finley has noted, to be a citizen in Aristotle’s Athens was de facto to be active, with little distinction between civil and political rights, and with rigid lines between slaves and non-slaves. In the 1830s and 40s, the suffrage movement made such demarcations impossible. Proletarians sought to transform themselves into active citizens, threatening the propertied order built up after 1789. To neutralize this prospect, it was necessary to construct a new cité censitaire, in which the masses would be shut out of decision-making while elites could continue to enact the so-called democratic will. The plebiscitary regime of Louis Bonaparte III, famously characterized as ‘potato sack politics’ in The Eighteenth Brumaire, offered an exemplar. This ‘creative anti-revolution’, as Hans Rosenberg called it, was an attempt to redeem general suffrage by placing it within authoritarian constraints that would enable capitalist modernization.

    Walter Bagehot – luminary of The Economist, central bank theorist and eulogist of the English Constitution – defended Bonaparte’s 1851 coup d’état as the only means to reconcile democratization with capital accumulation. ‘We have no slaves to keep down by special terrors and independent legislation’, he wrote. ‘But we have whole classes unable to comprehend the idea of a constitution, unable to feel the least attachment to impersonal laws.’ Bonapartism was a natural solution. ‘The issue was put to the French people . . . “Will you be governed by Louis Napoleon, or will you be governed by an assembly?” The French people said, “We will be governed by the one man we can imagine, and not by the many people we cannot imagine.”’

    Bagehot asserted that socialists and liberals who complained about Bonaparte’s authoritarianism were themselves guilty of betraying democracy. Commenting on the result of an 1870 plebiscite which ratified some of Bonaparte’s reforms, he argued that such critics ‘ought to learn . . . that if they are true democrats, they should not again attempt to disturb the existing order at least during the Emperor’s Life’. To them, he wrote, ‘democracy seems to consist as often as not in the free use of the people’s name against the vast majority of the people’. Here was the proper capitalist response to mass politics: the forcible atomization of the people – nullifying organized labour to secure capital’s interests, with semi-sovereign support from a demobilized society.

    Richard Tuck has described the further modulations of this tradition in the twentieth century, visible in the work of Vilfredo Pareto, Kenneth Arrow and Mancur Olson among others. For these figures, collective action and interest-pooling were demanding and unattractive; voting in elections was usually carried out with reluctance rather than conviction; trade unions were equally beneficial to members and non-members; and the terms of the social contract often had to be forcibly imposed. In the 1950s, Arrow recycled an insight originally proffered by the Marquis de Condorcet, stating that it was theoretically impossible for three voters to ensure perfect harmony between their preferences (if voter one preferred A over B and C, voter two B over C and A, and three C over A and B, the formation of a majority preference was impossible without dictatorial intervention). Arrow’s ‘impossibility theorem’ was seized upon as evidence that collective action itself was bursting with contradictions; Olson radicalized it to advance his claim that free riding was the rule rather than the exception in large organizations. The conclusion that man was not naturally inclined to politics thus came to dominate this field of sceptical post-war literature.

    Towards the end of the twentieth century, with the drastic decline in voter turnout, the plunge in strike days and the wider process of withdrawal from organized political life, human apoliticism seemed to mutate from an academic discourse into an empirical reality. Whereas Kant spoke of ‘ungesellige Geselligkeit’, one could now speak of ‘gesellige Ungeselligkeit’: a social unsociability which reinforces rather than sublates atomization.

    As the decade of protests made clear, however, Bagehot’s formula no longer holds. Passive support for the ruling order cannot be assured; citizens are willing to revolt in significant numbers. Yet fledgling social movements remain crippled by the neoliberal offensive against civil society. How best to conceptualize this new conjuncture? Here the concept of ‘hyperpolitics’ – a form of politicization without clear political consequences – may be useful. Post-politics was finished off by the 2010s. The public sphere has been repoliticized and re-enchanted, but on terms which are more individualistic and short-termist, evoking the fluidity and ephemerality of the online world. This is an abidingly ‘low’ form of politics – low-cost, low-entry, low-duration, and all too often, low-value. It is distinct both from the post-politics of the 1990s, in which public and private were radically separated, and from the traditional mass politics of the twentieth century. What we are left with is a grin without a cat: a politics without policy influence or institutional ties.

    If the hyperpolitical present appears to reflect the online world – with its curious mix of activism and atomization – it can also be compared to another amorphous entity: the market. As Hayek noted, the psychology of planning and mass politics were closely related: politicians would bide their time over decades; Soviet planners read human needs across five-years plans; Mao, keenly aware of the longue durée, hibernated in rural exile for more than twenty years; the Nazis measured their time in millennia. The horizon of the market, however, is much nearer: the oscillations of the business cycle offer instant rewards. Today, politicians wonder whether they can launch their campaigns in a matter of weeks, citizens turn out to demonstrate for a day, influencers petition or protest with a monosyllabic tweet.

    The result is a preponderance of ‘wars of movement’ over ‘wars of position’, with the primary forms of political engagement as fleeting as market transactions. This is more a matter of necessity than of choice: the legislative environment for durable institution-building remains hostile, and activists must contend with a vitiated social landscape and an unprecedentedly expansive Kulturindustrie. Beneath such structural constraints lie questions of strategy. While the internet has radically lowered the costs of political expression, it has also pulverized the terrain of radical politics, blurring the borders between party and society and spawning a chaos of online actors. As Eric Hobsbawm observed, collective bargaining ‘by riot’ remains preferable to post-political apathy. The jacquerie of European farmers in the last months clearly indicates the (right-wing) potential of such wars of movement. Yet without formalized membership models, contemporary protest politics is unlikely to return us to the ‘superpolitical’ 1930s. Instead, it may usher in postmodern renditions of ancien régime peasant uprisings: an oscillation between passivity and activity, yet one that rarely reduces the overall power differential within society. Hence the K-shaped recovery of the 2020s: a trajectory that would please neither Bagehot nor Marx.

    #politique #philosophie #libéralisme #société #organisations #mouvement_ouvrier #activisme #individualisme

  • Naissance des divinités, naissance de l’agriculture
    https://clio-cr.clionautes.org/naissance-des-divinites-naissance-de-lagriculture.html

    8.2.2024 par Christophe Dijoux

    Jacques Cauvin, Editions du CNRS, coll. Biblis, 2019, 407 pages, 10 €

    Ce « Naissance des divinités, naissance de l’agriculture » aux éditions du CNRS constitue un classique puisque nous en sommes désormais à la sixième édition1 de ce qui constitue sûrement l’élément majeur de la production prolifique de Jacques Cauvin (1930–2001), archéologue français spécialisé dans la préhistoire du Levant et du Proche-Orient2 et aussi considéré comme l’un des grands experts français de la préhistoire.

    Ses travaux sur les différents sites importants du Moyen-Orient ont mis en évidence, grâce aux matériaux collectés et finement analysés, les toutes premières étapes du développement de l’humanité à travers le Natoufien tardif jusqu’à la fin du Néolithique en passant par le pré-poterie Néolithique précéramique A et B (PPNA3 et PPNB4)5.
    Un peu d’histoire : la lente et régulière maturation du livre

    Bien avant 1994, date de la parution de la première édition, Jacques Cauvin avait déjà annoncé l’idée de l’apparition des premières divinités dans sa thèse secondaire publiée en 1972, intitulée « Religions néolithiques de Syro-Palestine »6.

    L’année suivante, un court article dans La Recherche en 1973 avait souligné le rôle d’un « culte du taureau » et la multiplication des figurines féminines, les ancêtres des représentations ultérieures d’une « déesse de la fertilité (ou déesse-mère) »

    S’en suivit « Les premiers villages de Syrie-Palestine, publié en 1978 » avec un chapitre entier consacré aux « documents artistiques et religieux ».

    D’après la chronologie de ses articles, les premiers publiés au sujet des premières religions néolithiques sont « La mutation religieuse du Néolithique d’après les documents du Proche-Orient »7 en 1983 et « La religion néolithique »8 en 1985.

    S’en suivi « Le rôle de l’imaginaire dans la révolution néolithique »9 en 1986, avec par la suite une série tout au long de l’année 1987 : « L’apparition des premières divinités »10. ; « Cafer Hôyiik 986 »11 ; « La néolithisation au Proche-Orient : recherches récentes. »12 et « Mureybet et les origines de l’agriculture. »13.

    Son idée maîtresse publiée en 1994 arrive au moment où la communauté scientifique opte en majeure partie pour un « modèle matérialiste » selon lequel la néolithisation était une réponse adaptative aux contraintes environnementales externes (école anglo-saxonne) et en a donc pris alors le contre-pied. « Ce que l’on recherche avant tout [à cette époque], c’est le fait de nature qui a pu inciter l’homme à recourir, pour survivre, à l’agriculture et à l’élevage ». Mais pour Jacques Cauvin, il ne s’agit là que d’un postulat.

    A partir de 1970 la New Archeology anglo-saxonne « [introduira] les préoccupations de l’anthropologie américaine sur le devenir des sociétés humaines et l’évolution de leurs structures » mais là aussi « l’environnement [détenait] l’initiative du dialogue » car la culture restait « l’ensemble [des moyens humains] non somatiques pour s’adapter à son environnement »14 L’archéologie suivait ainsi toujours la direction première, celle de Gordon Childe, créateur de l’expression de « Révolution néolithique ».

    C’est après une traduction en anglais à partir des années 2000 que des débats ont véritablement eu lieu. Sa mort prématurée l’a empêché d’y répondre pleinement (2 articles en 2000 et 2001 : notamment « Symboles et sociétés au Néolithique. En guise de réponse à Alain Testart »15

    Olivier Aurenche16 en 2011 écrivait que « les découvertes récentes semblent bien aller dans le sens d’un primat du symbolique sur le climatique ou l’économique dans le processus qui a abouti à la « révolution » néolithique. Toutefois le débat n’est pas encore tranché puisque Jean-Paul Demoule déclara en 2017 que cette thèse « peine à être démontrée dans les faits »17.
    Le contenu du livre : entre origines de l’agriculture et origines des divinités

    L’ouvrage est très fouillé : il alterne épistémologie, réflexion théorique, argumentations et description des différentes cultures (outils et architectures) qui se sont succédées dans l’espace du Moyen-Orient.

    Dans l’introduction, Jacques Cauvin part de l’intuition de Robert Braidwood (p.21) qui constatait déjà le retard manifeste de la domestication des plantes et des animaux par rapport à une certaine autonomie des facteurs culturels et de leur évolution propre. C’est à cette interrogation qu’il va donner une explication.

    Les sept premiers chapitres mêlent donc une analyse à la fois portée sur le milieu naturel mais aussi culturel. En partant du Natoufien et de ses villages de chasseurs-ceuilleurs, le lecteur abordera la « révolution des symboles » et la quasi indissociable paire de divinités que sont la Femme et le Taureau et découvrira l’évolution culturelle dans les différents environnements locaux (chapitres sur « la première agriculture dans l’oasis de Damas », « la basse vallée du Jourdain » et « le Moyen Euphrate : l’évolution de l’économie à Mureybet »).

    Le bilan se fait en deux chapitres, l’un pour l’aspect agricole avec le constat d’une « absence de pression biologique », l’autre exposera une étude de l’expansion démographique et le passage sur l’origine culturelle de l’agriculture et qui constituera la transition avec le chapitre sur « la Révolution néolithique : une mutation mentale ».

    Il est intéressant de remarquer dans cette partie qu’il démontre l’absence de divinité au paléolithique mais qu’il relèvera les éléments masculin et féminin de Leroy-Gouran de même qu’il abordera très rapidement l’idée de variabilité des représentation dans l’espace et des territoires d’occupation, idée reprise par François Djindjian au début des années 200018.
    Les « pré-étapes » :

    Après une début qui montre l’évolution culturelle avant 12500 av. JC (Kebrien, Kebarien géométriqque), Jacques Cauvin suit la chronologie et s’intéresse d’abord aux premiers villages préagricole à flanc de coteaux des chasseurs épipaléolithiques natoufiens19 (12500-10000 av JC), époque charnière où se serait préparé la néolithisation. C’est celle-ci, à l’échelle régionale, et notamment sa diffusion dont va parler J. Cauvin tout en s’intéressant aux éléments culturels20.

    D’autres villages suivront et confirmeront un phénomène important : le regroupement en dehors de toute conséquence de l‘économie de production. C’est aussi cette idée que va développer l’auteur.

    C’est entre -10000 et -8700, au PPNA, au Kiamien, période pendant laquelle les habitants chassent toujours, que débute la domestication de certaines plantes sans avoir un développement d’une véritable économie agricole, qu’ apparaissent les premières divinités. C’est pour lui une période clef même si cette apparition va se faire de façon très progressive.

    Il ne manquera pas non plus de souligner l’importance non seulement des outils mais aussi de l’architecture dans l’évolution culturelle. Même s’il ne prouve pas qu’on a affaire à des bâtiments cultuels (il n’y a aucune preuve archéologique qui pourrait soutenir cette idée), il est certains qu’on est en présence de bâtiments publics dont la fameuse tour de Jéricho (tour cultuelle, cérémonielle on ne sait pas trop) vers -9000. Petit à petit, les arguments qui convergent vers une naissance des divinités à la source de l’agriculture sont mis en avant.
    Les débuts de la diffusion du Néolithique

    Le lecteur a pu découvrir dans les 4 premiers chapitres, toute la finesse de l’analyse de la diffusion des cultures au travers des outils ; diffusion non seulement dans le temps mais aussi dans l’espace réduit du sud du Levant au Zagros. Mais c’est bien le chapitre 7 qui constituera le pivot du livre.
    La genèse de la révolution néolithique

    Les chapitres 5 et 6 exposent deux bilans à propos de l’agriculture : le premier sur les premiers paysans et les stratégies de subsistance, le second sur leur démographie et leur société.

    C’est là qu’il introduit le fait que pour la première fois les groupes humains ne se sont pas dispersés en atteignant un certain niveau de population mais sont restés en changeant leur organisation au khiamien et au tout début de l’horizon PPNA au Xe millénaire ce qui constitue pour Jacques Cauvin une véritable période d’ébranlement idéologique (chapitre 7 et suivants).

    La révolution néolithique : une révolution mentale

    Il explique dans la chapitre 7 que la révolution néolithique fut d’abord une mutation mentale.

    Pour la première fois, les groupes humains ne se scindent pas lorsqu’ils atteignent le seuil critique au-delà duquel des tensions internes apparaissent : l’agriculture serait une solution pour créer de nouveaux rapports sociaux. Ces nouvelles structures sociales seraient même entraînées par un changement cognitif apparent chez l’humain, impliquant une évolution de son rapport avec son environnement naturel.

    La révolution néolithique ne serait donc pas le fruit d’une réponse de l’homme à des contraintes extérieures mais d’une évolution interne des sociétés. Il conçoit la révolution néolithique comme une révolution des symboles. Ainsi apparaît les figurations de la femme et du taureau.

    Cauvin a ainsi suggéré dans cette révolution, « une révolution dans la culture, et plus précisément dans les conceptions religieuses, qui aurait précédé la révolution technique de l’agriculture » 21.
    La première véritable étape : le Khiamien

    Entre 9 500 et 9 000 avant J.-C., il voit émerger deux figures symboliques : la Femme (sous forme de figurines ou statuettes) et le Taureau (sous forme de bucranes conservés dans l’habitat). Leur rapport exact, encore peu explicite, n’est révélé que grâce aux données de Çatalhöyük… postérieures de deux millénaires environ. C’est là une des faiblesses de la démonstration que pointera Testart22.

    Puis c’est au VIIe millénaire qu’il date la création d’une nouvelle religion avec la multiplication des représentations féminines. La femme y devient déesse-mère et les silhouettes féminines et ainsi que les bucranes deviennent des motifs dominants et répétitifs. Cette idée sera remis en cause par A. Testart dans son ouvrage « La déesse et le Grain » sans forcément emporter l’adhésion.

    Le constat est fait qu’une idéologie unique se déploie dans tout le Proche et le Moyen-Orient pendant tout le Néolithique.

    Ce n’est plus un symbole de fécondité mais un véritable personnage qui apparaît notamment lorsqu’il s’appuie sur les découvertes de James Mellaart le fouilleur de Çaytal Höyük et sa célèbre statuette « la dame aux félins ».

    La Femme n’est plus, comme au Paléolithique, un simple archétype de la fécondité, mais une véritable déesse, donnant naissance à des taureaux et associée à des carnivores et à des rapaces. Maîtresse de la vie, elle règne aussi sur la mort.

    À partir de 8 800 avant J.-C., les données symboliques s’enrichissent. Le couple primordial Femme/Taureau persiste, mais la représentation humaine s’affirme avec de plus en plus de force, sous d’autres formes. Aux petites figurines et statuettes, on ajoute, proches de la grandeur nature, des statues, des masques, enfin des crânes humains surmodelés.

    Des sanctuaires « domestiques » ou collectifs abritent les cérémonies de cette religion. Dans ce contexte, la culture matérielle la plus « ordinaire » prend du sens. Cauvin montre, par exemple, la simultanéité de l’émergence progressive, à partir du Taureau – à Çatalhöyük sous la forme d’un homme barbu chevauchant un bovidé –, de l’être humain de sexe mâle, d’un nouvel armement, de la naissance de l’élevage et d’une révolution géométrique dans l’habitat (passage du plan circulaire au plan rectangulaire). Il s’agit là pour lui de la seconde mutation mentale du Néolithique.

    Après le règne de la Femme et l’apparition de l’agriculture, s’affirme un « épisode virilisant » qui préfigure les dieux et les héros combattants de l’âge du Bronze23.

    Il montre qu’on a affaire à la « dynamique d’une culture conquérante ». Ce douzième chapitre donne tout naturellement à la troisième partie « le grand exode » dans laquelle il rappellera une partie épistémologique (chap.13) et il décrira « l’achèvement de la néolithisation dans le noyau levantin » (chap.14), « l’arrivée des premiers agriculteurs sur le litoral et à Chypre » (chap.15), « la poussée vers l’est… dans la Jézireh orientale et le désert syrien » (chap.16), « le nomadisme pastoral » (chap.17) pour enfin exposer les hypothèses d’explication de cet exode dans le 18e et dernier chapitre.
    Conclusion

    Même si, pour une mise à niveau sur la néolithique les professeurs du secondaire pourraient par exemple lire l’ouvrage de Jean-Paul Demoule aux éditions du CNRS24, « Naissance des divinités, naissance de l’agriculture » est une étape incontournable de la longue histoire des théories qui proposent des explications sur la nature du phénomène néolithique et offre une stimulante hypothèse, renversante pourrait-on dire, toujours non démentie, sur le pourquoi de cette révolution néolithique. Quant aux passionnés d’histoire des religions, cet ouvrage constitue le lien entre la religion des grottes ornées du Paléolithique et les grands monothéismes de l’Antiquité.

    1 Avec le succès de la publication de 1994, une seconde édition fut produite en 1997 (Naissance des divinités éd. augmentée et corrigée, éd. CNRS 1997 Grand Format) puis une troisième et quatrième en 1998 (réédité d’une part chez Flammarion, collection « Champs » et d‘autre part aux éditions du CNRS, collection « Empreintes »). Le CNRS dans sa collection « Biblis », en feront une cinquième en avril 2013. Celle de 2019 constitue donc la sixième si on omet l’édition anglaise qui lui permettra d’être connu par la communauté des préhistoriens du Moyen-Orient. « The Birth of the Gods » 2000.

    2 Le choix du régionyme Proche-Orient ou Moyen-Orient voire Levant a été choisi comme suit : dans le cas de l’Orient ancien, on parle plutôt en France de Proche-orient et de Levant. Quand il s’agit de désigner la recherche anglo-saxonne nous avons choisi Moyen-Orient (Cf. l’article de Vincent Capdepuy « Le « Croissant fertile ». Naissance, définition et usages d’un concept géohistorique. et sa thèse.

    3 Le Néolithique précéramique A ou PPNA est une des phases du Néolithique du Proche-Orient établie en fonction de la stratigraphie du site de Jéricho par Kathleen Kenyon. Elle s’étend sur plus d’un millénaire entre la fin du XIè millénaire et le début du IXe millénaire av. J.-C. Elle ne constitue pas une culture homogène mais une phase caractérisée par une sédentarisation accrue des communautés humaines et les prémices du développement de l’agriculture et de l’élevage.

    4 Le Néolithique précéramique B ou PPNB (Pre-Pottery Neolithic B) est une des phases du Néolithique du Proche-Orient. Il suit la phase du Néolithique précéramique A (PPNA), et il a comme ce dernier été établi en fonction de la stratigraphie du site de Jéricho par Kathleen Kenyon. Il s’étend sur environ 2000 ans entre le début du e millénaire et le début du VIIe millénaire av. J.-C. Il ne constitue pas une culture homogène mais une phase caractérisée par la présence de villages sédentaires, parfois très grands, dont la population commençait à maîtriser l’agriculture et/ou l’élevage.

    5Sa thèse publié en 1968, portait sur « Les outillages néolithiques de Byblos et du littoral libanais ». Paris : Librairie d’Amérique et d’Orient, Jean Maisonneuve (Fouilles de Byblos tome IV).

    6Cauvin, Jacques. Religions néolithiques de Syrie-Palestine. Paris : Librairie d’Amérique et d’Orient, Jean Maisonneuve, 1972.

    7 In Les Cahiers de l’Institut Catholique de Lyon 9,« Émergence et originalité de l’homme, Colloque de Chantilly 8-10 janvier 1982 » : 69-82.

    8 In Science et Théologie 10 : 1-15.

    9 In Le Goff J.. Marin L.. Peter .IP. et al. (éd.). Histoire et Imaginaire 22-34. Paris : Poiesis 1986.

    10 La Recherche 194:1472-1480.

    11 Anatolian Studies 37 1 82- 1 82.

    12 Courrier du CNRS, supplément au n° 67 , pp 97-98.

    13 Dossiers, Histoire et Archéologie 122, 22-23.

    14 Binford L. et Binford S., 1968, New perspective in Archeology, Chicago, Aldine Publishing Compagny. Même si Robert Braindwood dans les années 1960 avait eu l’intuition d’une certaine autonomie des facteurs culturels ce que développera donc par la suite Jacques Cauvin.

    15 Testart A. 1998, Révolution, révélation ou évolution sociale. À propos du livre de Jacques Cauvin : « Naissance des divinités, Naissance de l’agriculture ». Les Nouvelles de l’Archéologie 72 : 25-29.

    16 Aurenche Olivier. Jacques Cauvin et la religion néolithique. Genèse d’une théorie. Paléorient, 2011, vol. 37, n°1.

    Article Néolithisations : nouvelles données, nouvelles interprétations. À propos du modèle théorique de Jacques Cauvin. pp. 15-27.

    17 Demoule Jean-Paul, Les dix millénaires oubliés qui ont fait l’histoire, ed. Pluriel nov.2019. Compte rendu de l’édition de 2017 aux éditions Faillard sur le site des clionautes. p.26.

    18 Djindjian François, Espaces symboliques dans l’art préhistorique (Actes du Xve Congrès de l’UISPP, Lisbonne, vol 40, BAR International Serie, n°1999, 2006 et Fonctions, significations et symbolismes des représentations animales paléolithiques (in Clottes (dir) : l’art pléistocène dans le monde. Actes du Congrès IFRAQ, Tarascon-sur-Ariège, pp.312-313 et pp. 1807-1816, 2010).

    19 Les fouilles de Jean Perrot de 1955 avaient déjà indiqué la présence de villages de chasseurs-cueilleurs antérieurs de 2000 ans à toute agriculture dans la vallée du Jourdain.

    20Au Natoufien, nous avons d’abord une sédentarisation préagricole avec sépulture autour et même dans l’habitat.

    21 Demoule Jean-Paul, Les dix millénaires oubliés qui ont fait l’histoire, ed. Pluriel nov.2019. Compte rendu de l’édition de 2017 aux éditions Faillard sur le site des clionautes.

    22 Même si Par rapport à Testard, Cauvin récuse le comparatisme ethnographique, auquel il a donné pourtant des gages. Il ne lui accorde qu’une « valeur de suggestion ». (Cauvin, 1972, Religions néolithiques de Syro-Palestine. Paris : Jean Maison-neuve (Publications du Centre de recherches d’écologie et de préhistoire 1).

    23 Cauvin, 1997 in O. Aurenche « Jacques Cauvin, La religion néolithique, genèse d’une théorie » in Paléorient, 2011, vol. 37, n°1. « Néolithisations : nouvelles données, nouvelles interprétations. À propos du modèle théorique de Jacques Cauvin ». pp. 15-27 ;

    24 Demoule (J.-P.) 2010. « La révolution néolithique dans le monde ». Éditions du CNRS.

    #préhistoire #naissance_des_divinités #agriculture #histoire

  • Wohnberechtigungsschein (WBS) : Der Türöffner für eine bezahlbare Wohnung in Berlin
    https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/wohnberechtigungsschein-der-tueroeffner-fuer-eine-bezahlbare-wohnun

    Malgré les déclarations des politiciens il faut être vraiment pauvre pour avoir droit au système HLM de Berlin .

    9.4.2024 von Ulrich Paul - Wer eine Sozialwohnung beziehen will, braucht einen WBS. Welche Voraussetzungen es für einen Antrag in Berlin braucht und wie lange die Bearbeitung dauert.

    Ja, es gibt sie noch, die vergleichsweise preiswerten Neubauwohnungen in Berlin – wenngleich in geringer Zahl. Sozialwohnungen, die mit Fördermitteln des Landes Berlin entstanden sind, werden zu anfänglichen Mieten von 6,50 Euro bis 7 Euro je Quadratmeter kalt angeboten. In den nächst höheren Preissegmenten belaufen sich die Einstiegsmieten auf 9,50 bis 11,50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche kalt.

    Wer eine der neuen Sozialwohnungen ergattern will, braucht allerdings ein besonderes Papier: den Wohnberechtigungsschein (WBS). Was viele nicht wissen: Anspruch auf einen WBS haben mittlerweile mehr als 50 Prozent aller Haushalte in Berlin. Das liegt daran, dass der neue Senat den geförderten Wohnungsbau für Haushalte mit mittleren Einkommen geöffnet hat. Selbst wer bisher keine Aussicht auf einen WBS hatte, der könnte inzwischen also Anspruch auf das Papier haben, das als Türöffner zum bezahlbaren Wohnen fungiert.

    Unterschieden wird beim WBS in verschiedene Kategorien. Für Sozialwohnungen, die für Mieten von 6,50 bis 7 Euro je Quadratmeter angeboten werden, wird ein WBS 140 benötigt. Das bedeutet, dass die Einkommensgrenzen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau um maximal 40 Prozent überschritten werden dürfen.

    Die Einkommensgrenzen für einen WBS 140 belaufen sich für einen Einpersonenhaushalt auf 16.800 Euro jährlich und für einen Zweipersonenhaushalt auf 25.200 Euro jährlich. Für jede weitere Person im Haushalt erhöht sich die Einkommensgrenze um 5740 Euro. Pro Kind gibt es einen Zuschlag in Höhe von 700 Euro.

    Wichtig: Der WBS 140 dient nicht nur zur Anmietung von neuen Sozialwohnungen, sondern zusammen mit dem WBS 100 zugleich dazu, eine der bestehenden alten Sozialwohnungen zu beziehen, von denen es Ende 2023 nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch 78.251 Wohneinheiten in Berlin gab.

    Den WBS 220 gibt es bei einem mittleren Einkommen

    Mit einem WBS 180 sind geförderte Neubauwohnungen anzumieten, die 9,50 Euro je Quadratmeter Wohnfläche kalt kosten. WBS 180 bedeutet, dass die Einkommensgrenzen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau um 80 Prozent überschritten werden dürfen.

    Die Einkommensgrenzen für einen Einpersonenhaushalt liegen beim WBS 180 bei 21.600 Euro jährlich und für einen Zweipersonenhaushalt bei 32.400 Euro jährlich. Für jede weitere Person im Haushalt erhöht sich die Einkommensgrenze um 7380 Euro jährlich. Für jedes zum Haushalt gehörende Kind gibt es einen Zuschlag in Höhe von 900 Euro. Die Zahl der Wohnungen, die mit einem WBS 180 anzumieten sind, ist allerdings noch gering. Nur 2343 Sozialmietwohnungen fallen nach Angaben der Stadtentwicklungsbehörde bisher in diese Kategorie.

    Mit einem WBS 220 sind geförderte Neubauwohnungen anzumieten, die 11,50 Euro je Quadratmeter kalt kosten. Beim WBS 220 können die Einkommensgrenzen des Bundes für den sozialen Wohnungsbau um bis zu 120 Prozent überschritten werden. Die Einkommensgrenzen für einen Einpersonenhaushalt liegen beim WBS 220 bei 26.400 Euro jährlich und für einen Zweipersonenhaushalt bei 39.600 Euro jährlich. Für jede weitere Person im Haushalt erhöht sich die Einkommensgrenze um 9020 Euro jährlich.

    Vom Bruttoeinkommen werden Abzüge vorgenommen

    Für jedes zum Haushalt gehörende Kind gibt es einen Zuschlag in Höhe von 1100 Euro. Freie Wohnungen im Preissegment WBS 220 gibt es bisher nicht, weil die Wohnungen erst noch gebaut werden müssen. Die ersten Wohnungen werden voraussichtlich im Jahr 2025 bezugsfertig. Deswegen lohnt es sich nicht, jetzt schon einen WBS 220 zu beantragen.

    Bei der Feststellung des anrechenbaren Einkommens werden, ausgehend vom Bruttoeinkommen, verschiedene Abzüge in Ansatz gebracht, die so umfangreich wie kompliziert zu errechnen sind. So kann ein Arbeitnehmer beispielsweise den Arbeitnehmerpauschbetrag von 1200 Euro jährlich absetzen. Von der so ermittelten Zwischensumme können jeweils bis zu zehn Prozent abgezogen werden, wenn Steuern vom Einkommen, Pflichtbeiträge zur Krankenkasse sowie Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt werden – also noch mal bis zu 30 Prozent.

    Das ist aber noch nicht alles. Nach den Abzügen sind gegebenenfalls noch Freibeträge abzusetzen: Zum Beispiel 4000 Euro bei jungen Ehepaaren innerhalb von fünf Kalenderjahren nach dem Jahr der Eheschließung, wobei keiner von beiden das 40. Lebensjahr vollendet haben darf. Wichtig: Der Berechnung ist das jährliche Bruttoeinkommen zugrunde zu legen, das in den zwölf Monaten ab Antragstellung zu erwarten ist. Darunter fallen auch Lohnersatzleistungen und Krankengeld, nicht jedoch das gesetzliche Kindergeld. Gegebenenfalls kann vom Einkommen der letzten zwölf Monate vor Antragstellung ausgegangen werden.

    Pro Person gibt es in der Regel einen Wohnraum

    Für Sozialwohnungen gelten bestimmte Wohnungsgrößen, die sich nach der Zahl der Personen im Haushalt richten. Grundsätzlich gilt, dass es jeweils einen Wohnraum für den Wohnberechtigten und jeden seiner mitziehenden Angehörigen gibt. Einem Ehepaar mit drei Kindern steht daher maximal eine Wohnung mit fünf Wohnräumen zu. Abweichend davon dürfen seit dem 1. Mai 2018 an Einzelpersonen auch Eineinhalb- oder Zweizimmerwohnungen mit einer Gesamtwohnfläche bis zu 50 Quadratmeter überlassen werden.

    Im Einzelfall kann nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ein zusätzlicher Wohnraum anerkannt werden. Wenn zum Beispiel Alleinstehende ab dem 65. Lebensjahr eine Dreizimmerwohnung in Berlin freimachen, können sie einen WBS für eine Zweizimmerwohnung erhalten. Oder wenn die Ausübung des Berufes zur Sicherung der finanziellen Existenz nur in der Wohnung in einem separaten Wohnraum möglich ist, wird ein solcher Raum erlaubt.

    Manche Wohnungen werden nur an Haushalte vermietet, die einen „WBS mit besonderem Wohnbedarf“ vorlegen können. Ein besonderer Wohnbedarf kann, soweit der Wohnungssuchende seit mindestens einem Jahr mit Hauptwohnsitz in Berlin gemeldet ist, beispielsweise dann anerkannt werden, wenn Haushalte mit einem oder mehreren Kindern in räumlich unzureichenden Wohnverhältnissen leben. Unzureichende Wohnverhältnisse liegen unter anderem dann vor, wenn für drei Personen nicht mindestens zwei Wohnräume zur Verfügung stehen, oder wenn für vier oder fünf Personen nicht mindestens drei Wohnräume vorhanden sind.

    In Ausnahmefällen wird ein besonderer Wohnbedarf anerkannt

    Ein besonderer Wohnbedarf wird aber auch anerkannt, wenn Personen mit nachgewiesener Schwerbehinderung – ab einem Grad der Behinderung von 50 – in Wohnverhältnissen leben, „die aufgrund der anerkannten Leiden objektiv ungeeignet sind“, wie es auf der Homepage der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt. Auch Personen, die unverschuldet ihre Mietwohnung räumen müssen, zum Beispiel aufgrund eines bauordnungsrechtlichen Benutzungsverbots, haben einen besonderen Wohnbedarf.

    Das Antragsformular für einen WBS gibt es online im Serviceportal des Landes Berlin. Den ausgefüllten WBS-Antrag mit den notwendigen Unterlagen senden Wohnungssuchende an das bezirkliche Bürgeramt oder Wohnungsamt. Zuständig ist der Berliner Bezirk, in dem man gemeldet ist. Will ein Wohnungssuchender erst nach Berlin ziehen, schickt er den WBS-Antrag an ein Berliner Wohnungsamt seiner Wahl. Der erteilte WBS gilt dann für ganz Berlin.

    Die Bearbeitung eines WBS-Antrags dauert nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Berlin im Schnitt sieben Wochen – mit Stand vom Februar dieses Jahres. Mit drei Wochen Wartezeit ging es in Friedrichshain-Kreuzberg am schnellsten. Dahinter folgen Pankow und Reinickendorf mit vier Wochen Bearbeitungszeit auf Platz zwei. Steglitz-Zehlendorf, Marzahn-Hellersdorf und Neukölln rangieren mit fünf Wochen Bearbeitungszeit dahinter, gefolgt von Spandau und Treptow-Köpenick mit jeweils sieben Wochen; Mitte braucht für die Bearbeitung zehn Wochen und Charlottenburg-Wilmersdorf 13 Wochen. Am meisten Geduld brauchten Antragsteller in Lichtenberg, wo es 18 Wochen bis zum WBS dauerte.

    Die Zahl der ausgestellten Wohnberechtigungsscheine in Berlin hat sich in den vergangenen zehn Jahren in etwa verdoppelt. Während im Jahr 2014 nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch 25.367 Wohnberechtigungsscheine ausgestellt wurden, waren es im Jahr 2022 insgesamt 53.988. Im vergangenen Jahr lag die Zahl der ausgestellten Wohnberechtigungsscheine bei 51.369, das war der zweithöchste Wert seit 2014.

    Wer einen WBS hat, hat freilich noch keine Wohnung. Die muss man sich dann noch suchen. Wichtig: Die Zahl der Zimmer der Wohnung muss zur Zahl der Zimmer auf dem WBS passen. Ein Jahr lang ist der WBS gültig.

    #Berlin #logement

  • Pythagoras was wrong: there are no universal musical harmonies, study finds
    https://www.cam.ac.uk/research/news/pythagoras-was-wrong-there-are-no-universal-musical-harmonies-study-finds

    https://www.youtube.com/watch?v=gm2midoq-KQ

    Tom Almeroth-Williams - The tone and tuning of musical instruments has the power to manipulate our appreciation of harmony, new research shows. The findings challenge centuries of Western music theory and encourage greater experimentation with instruments from different cultures.

    “There are many more kinds of harmony out there.” Peter Harrison

    According to the Ancient Greek philosopher Pythagoras, ‘consonance’ – a pleasant-sounding combination of notes – is produced by special relationships between simple numbers such as 3 and 4. More recently, scholars have tried to find psychological explanations, but these ‘integer ratios’ are still credited with making a chord sound beautiful, and deviation from them is thought to make music ‘dissonant’, unpleasant sounding.

    But researchers from the University of Cambridge, Princeton and the Max Planck Institute for Empirical Aesthetics, have now discovered two key ways in which Pythagoras was wrong.

    Their study, published in Nature Communications, shows that in normal listening contexts, we do not actually prefer chords to be perfectly in these mathematical ratios.

    “We prefer slight amounts of deviation. We like a little imperfection because this gives life to the sounds, and that is attractive to us,” said co-author, Dr Peter Harrison, from Cambridge’s Faculty of Music and Director of its Centre for Music and Science.

    The researchers also found that the role played by these mathematical relationships disappears when you consider certain musical instruments that are less familiar to Western musicians, audiences and scholars. These instruments tend to be bells, gongs, types of xylophones and other kinds of pitched percussion instruments. In particular, they studied the ‘bonang’, an instrument from the Javanese gamelan built from a collection of small gongs.

    “When we use instruments like the bonang, Pythagoras’s special numbers go out the window and we encounter entirely new patterns of consonance and dissonance,” said Dr Harrison, a Fellow of Churchill College.

    “The shape of some percussion instruments means that when you hit them, and they resonate, their frequency components don’t respect those traditional mathematical relationships. That’s when we find interesting things happening.”

    “Western research has focused so much on familiar orchestral instruments, but other musical cultures use instruments that, because of their shape and physics, are what we would call ‘inharmonic’.

    The researchers created an online laboratory in which over 4,000 people from the US and South Korea participated in 23 behavioural experiments. Participants were played chords and invited to give each a numeric pleasantness rating or to use a slider to adjust particular notes in a chord to make it sound more pleasant. The experiments produced over 235,000 human judgments.

    The experiments explored musical chords from different perspectives. Some zoomed in on particular musical intervals and asked participants to judge whether they preferred them perfectly tuned, slightly sharp or slightly flat. The researchers were surprised to find a significant preference for slight imperfection, or ‘inharmonicity’. Other experiments explored harmony perception with Western and non-Western musical instruments, including the bonang.
    Instinctive appreciation of new kinds of harmony

    The researchers found that the bonang’s consonances mapped neatly onto the particular musical scale used in the Indonesian culture from which it comes. These consonances cannot be replicated on a Western piano, for instance, because they would fall between the cracks of the scale traditionally used.

    “Our findings challenge the traditional idea that harmony can only be one way, that chords have to reflect these mathematical relationships. We show that there are many more kinds of harmony out there, and that there are good reasons why other cultures developed them,” Dr Harrison said.

    Importantly, the study suggests that its participants – not trained musicians and unfamiliar with Javanese music – were able to appreciate the new consonances of the bonang’s tones instinctively.

    “Music creation is all about exploring the creative possibilities of a given set of qualities, for example, finding out what kinds of melodies can you play on a flute, or what kinds of sounds can you make with your mouth,” Harrison said.

    “Our findings suggest that if you use different instruments, you can unlock a whole new harmonic language that people intuitively appreciate, they don’t need to study it to appreciate it. A lot of experimental music in the last 100 years of Western classical music has been quite hard for listeners because it involves highly abstract structures that are hard to enjoy. In contrast, psychological findings like ours can help stimulate new music that listeners intuitively enjoy.”
    Exciting opportunities for musicians and producers

    Dr Harrison hopes that the research will encourage musicians to try out unfamiliar instruments and see if they offer new harmonies and open up new creative possibilities.
    ...

    #musique #musicologie #science #eurocentrisme #notatiin #harmonie #histoire